Aufregung rund um die Kabinettsumbildung
Gesundheitsminister mit rechtsradikaler Vergangenheit und ein "feiger" Admiral
Am Dienstag erfolgte die seit mehreren Tagen angekündigte Kabinettsreform in Athen. Premierminister Kyriakos Mitsotakis entließ einige seiner bisherigen Mitstreiter aus der Verantwortung, versetzte andere auf neue Posten und sorgte mit zwei Berufungen von Ministern für Aufregung.
Ein Impfskeptiker als Gesundheitsminister?
Der Rechtsanwalt und Parlamentarier Thanos Plevris wird anstelle von Vassilis Kikilias neuer Gesundheitsminister. Plevris ist kein Unbekannter. Wegen der Relativierung der Shoah und der Verteidigung seines Vaters, eines notorischen Holocaustleugners und selbsterklärtem Nazi, haftet ihm schon lange der Ruf eines rechtsextremen Antisemiten an. Mit Plevris kommt der dritte Überläufer aus der früher im Parlament vertretenen rechtsextremen LAOS-Partei im aktuellen Kabinett zu Ministerwürden.
Adonis Georgiadis, einst Sprecher von LAOS, ist Vize-Vorsitzender der Regierungspartei Nea Dimokratia und Wirtschaftsminister. Makis Voridis ist Innenminister. Die sozialdemoratische KinAl (Bewegung des Wandels, früher PASOK) sieht daher im neuen Kabinett einen weiteren Rechtsruck.
Plevris soll nun Impfverweigerer überzeugen und die für einige Berufe bereits geltende Impfpflicht verteidigen. Noch 2010, damals als LAOS-Abgeordneter, hatte er in einer seiner parlamentarischen Anfragen ans Gesundheitsministerium bezüglich Grippeimpfungen diese verteufelt, weil sie noch nicht lange genug getestet wären. Seine damaligen Argumente entsprechen erschreckend genau den Einwänden der aktuellen Impfverweigerer. Zudem legte er damals in seiner juristischen Argumentation dar, dass die Entscheidung über eine Impfung bei den Patienten liegen müsse.
Als Oxymoron gehört zu den ersten Amtshandlungen des neuen Ministers die Suspendierung mit Wirkung zum 1. September von rund 10.000 Ärzten und Pflegern im öffentlichen und privaten Gesundheitswesen, die noch nicht geimpft sind. Sie werden weder Gehalt erhalten, noch über ihre Arbeitsgeber versichert.
Zweite Chance für Gescheiterte
Der bisherige Amtsinhaber Kikilias, von Beruf Mediziner, konnte weder bei der Impfkampagne noch bei der Eindämmung der vierten Infektionswelle punkten. Er soll nun im Tourismusministerium den Scherbenhaufen kitten, den sein Amtsvorgänger Haris Theoharis auch wegen der Einschränkungen für den Tourismus durch die Pandemie angerichtet hat.
Einen neuen Posten bekommt auch der frühere ministerielle Staatssekretär für den Katastrophenschutz, Nikos Hardalias. Hardalias geriet wegen des Desasters der staatlichen Brandbekämpfung und der fehlenden Brandvorsorge bei den jüngsten verheerenden Waldbränden im Land ins Kreuzfeuer der Kritik.
Der Vorwurf, den die Regionalgouverneure und Bürgermeister der betroffenen Gebiete äußerten, wog schwer. Sie bemängelten, dass der Staat anstatt genug Kräfte für die Brandbekämpfung zu stellen, schlicht die Regionen evakuierte und die Brände schließlich bei ihrer Ankunft an den Stränden aus gingen. Aktuell flehen sie um schnelle Maßnahmen für den Überschwemmungsschutz. Hardalias wird nun ministerieller Staatssekretär im Verteidigungsministerium.
Sein Vorgesetzter, Bürgerschutzminister Michalis Chrysochoidis, musste dagegen den Hut nehmen. Es könnte das Ende der Karriere von Chrysochoidis sein, obwohl er nach eigenen Angaben in der Politik bleiben will. Der frühere PASOK-Minister hat keinen Parlamentssitz. Direkt nach der Annahme der Berufung ins Kabinett von Mitsotakis nach dessen Wahl im Juli 2019 wurde er aus seiner Partei, der KinAl ausgeschlossen. In der Nea Dimokratia war er als prominenter Sozialdemokrat für konservative Parteigenossen ein Fremdkörper. Bei der Amtsübergabe an seinen Nachfolger zeigte er sich verbittert, da er in seiner Amtsführung keinen Fehler sehen wollte.
Der zum Feigling erklärte Admiral
Mitsotakis hatte offenbar vor, erneut einen prominenten Oppositionspolitiker in sein Lager zu holen. Er berief den Admiral a.D. und früheren Verteidigungsminister von Alexis Tsipras, Evangelos Apostolakis, als Minister ins neu geschaffene Ministerium für Zivilschutz. Apostolakis sollte gemäß der geäußerten Absicht der Regierung als überparteilicher Minister für den Katastrophenschutz verantwortlich sein. Dies sei mit den Oppositionsparteien so abgesprochen, hieß es. Apostolakis nahm zunächst den Posten an. Der US-Botschafter Geoffrey Pyatt gratulierte "seinem Freund" mit einem begeisterten Tweet und freute sich auf eine fruchtbare Zusammenarbeit.
Vor der Vereidigung am Nachmittag kamen seitens SYRIZA und KinAl zwei Pressemeldungen. Die KinAl dementierte eine Absprache, bestätigte aber, dass sie kurz vor der Bekanntgabe der neuen Kabinettsliste informiert worden sei. Von SYRIZA kamen dagegen Töne, die von Verrat sprachen. Mitsotakis wurde daran erinnert, dass sein Vater in den Sechzigern die damalige Regierung von Georgios Papandreou als Überläufer zu Sturz brachte und somit dem Militärputsch von 1967 den Weg ebnete.
SYRIZA hätte sich niemals mit der Regierung geeinigt hieß es. Es habe lediglich wie bei der KinAl eine kurze Information vor der Verkündung gegeben. Mittlerweile wurden die Aussagen von KinAl und SYRIZA bezüglich der "Einigung" vom Regierungssprecher bestätigt.
Wenig später erklärte Apostolakis seinen Verzicht. Er begründete dies damit, dass er hinsichtlich der Einigung mit den Oppositionsparteien getäuscht wurde. Die Reaktionen der Regierung waren undiplomatisch.
"Innerhalb von zwei Stunden verwandelte sich Herr Apostolakis in den Ankündigungen von einem übergelaufenen Abtrünnigen, der übernommen wurde, in eine ‚würdige Führungskraft‘, die getäuscht wurde. Als er den Konsensvorschlag annahm, wurde er von SYRIZA mit den schlimmsten Worten gedemütigt. Nach den Drohungen [von SYRIZA] wurde er feige, brach sein Wort und fügte sich der Parteilinie und wurde gelobt. Der Stalinismus lebt", kommentierte Regierungssprecher Giorgos Oikonomou.
Die Vereidigung fand ohne einen Nachfolger für Apostolakis statt. Binnen Wochenfrist möchte die Regierung nun einen neuen Kandidaten präsentieren.