Ukraine riskiert alles: Verzweiflungsoffensive vor Trump-Ära?
Die Ukraine startet eine neue Offensive in der russischen Region Kursk. Der Zeitpunkt kommt nicht von ungefähr. Denn in zwei Wochen könnte sich für Kiew alles ändern.
Die Regierung in Kiew hat laut Berichten ukrainischer und russischer Vertreter eine neue Offensive in der westlichen Oblast Kursk in Russland gestartet. Wie die New York Times berichtet, konnte die Ukraine in der Region im Sommer letzten Jahres in einer Überraschungsoperation etwa 500 Quadratmeilen an Territorium erobern, wovon Russland jedoch in den folgenden Monaten etwa die Hälfte wieder zurückerobern konnte.
Der erneute Vorstoß ukrainischer Truppen könnte laut Militärexperten ein Versuch sein, russische Kräfte von der Frontlinie in der Ostukraine abzulenken, wo die russische Armee stetig Boden gutmacht. Insbesondere um die Stadt Pokrowsk in der Oblast Donezk toben heftige Kämpfe, wie ukrainische Soldaten vor Ort berichten.
Regierungswechsel in den USA mit Folgen für den Ukraine-Krieg
Die ukrainische Offensive kommt zu einem kritischen Zeitpunkt. In weniger als zwei Wochen wird der designierte US-Präsident Donald Trump vereidigt, der den Krieg schnell beenden möchte - ohne bisher zu sagen, wie. Das sorgt in Kiew für Besorgnis, dass die lebenswichtige Militärhilfe aus Washington versiegen könnte.
Die Regierung Biden versucht deswegen, vor dem Amtswechsel noch möglichst viel Unterstützung auf den Weg zu bringen. Am heutigen Donnerstag treffen sich die westlichen Unterstützer der Ukraine auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz.
Auf dem größten Luftwaffenstützpunkt außerhalb der USA beraten Verteidigungsminister und hochrangige Militärs ab dem Vormittag über die weitere Unterstützung der Ukraine im Krieg gegen Russland. Die sogenannte Kontaktgruppe umfasst über 50 Länder. Zu der Konferenz hat der scheidende US-Verteidigungsminister Lloyd Austin eingeladen.
Kreml spielt Offensive in Kursk herunter
Der Kreml spielt die Bedeutung des ukrainischen Vorstoßes in Kursk herunter. Präsident Putin erklärte, es sei die "heilige Pflicht" des Militärs, die ukrainischen Truppen zurückzudrängen. Einen Zeitplan dafür könne er aber nicht nennen.
"Wir werden sie definitiv vertreiben", hatte Putin auf seiner jährlichen Pressekonferenz im Dezember gesagt: "Ich kann die Frage nach einem genauen Datum im Moment nicht beantworten."
Angriff auf Erdöldepot nahe russischem Militärflughafen
Unterdessen griff die Ukraine laut eigenen Angaben am Mittwoch ein Erdöldepot in der Nähe eines russischen Militärflugplatzes an. Die Streitkräfte hätten die Anlage in der russischen Region Saratow, fast 500 Kilometer von der Grenze entfernt, empfindlich beschädigt, teilte das Militär mit.
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Die Basis versorge einen nahen Flugplatz mit Treibstoff, von wo aus Russland seine Angriffe auf die ukrainische Energieinfrastruktur starte. Auf dem Flugplatz sind offenbar auch einige atomwaffenfähige Langstreckenbomber stationiert.
Es war nicht der erste Angriff auf den Flughafen. Durch die Schläge auf das ukrainische Stromnetz sind viele Städte ohne Strom. Kiew bemüht sich, die russischen Angriffsmöglichkeiten einzuschränken.
Ausblick: Schicksalswochen für die Ukraine
Für die Ukraine hat mit dem neuen Jahr eine Zeit der Ungewissheit begonnen. Präsident Wolodymyr Selenskyj sieht in dem Brückenkopf in Kursk einen "sehr starken Trumpf" für mögliche Verhandlungen mit Moskau. Doch entscheidend dürfte sein, wie sich die Lage an der Front in der Ostukraine entwickelt.
Die kommenden Wochen könnten kriegsentscheidend sein. Schafft es die Ukraine, in Kursk weiter Boden gutzumachen und gleichzeitig die russischen Vorstöße im Donbass zu stoppen? Oder gelingt es Russland, die Ukrainer aus Kursk zu vertreiben und die Gebietsgewinne im Osten zu konsolidieren? Viel wird davon abhängen, ob und in welchem Umfang die USA die Ukraine weiterhin mit Waffen und Geld unterstützen.
Trumps Kurs gegenüber der Ukraine unklar
Der designierte US-Präsident Trump lässt bisher offen, welchen Kurs er verfolgen wird. Er deutete sowohl eine Ausweitung als auch ein komplettes Ende der Hilfen als Optionen an, um beide Seiten zu einer Einigung zu zwingen.
Beobachter befürchten, dass ein Wegfall der US-Unterstützung die Ukraine massiv schwächen und Putin in die Hände spielen würde. Andererseits könnte ein verstärktes Engagement Washingtons den Druck auf Moskau erhöhen und den Weg für ernsthafte Verhandlungen ebnen.