Autoland – Verkehrswende überflüssig?

Ein bisschen Innovation soll auch in Österreich genügen, um den motorisierten Individualverkehr umweltverträglich zu machen. Symbolbild: Noupload auf Pixabay / Public Domain

Nicht nur in Deutschland stemmen sich Spitzenpolitiker gegen das Ende des Verbrennungsmotors. Österreichs Kanzler hat seine Pläne bis 2030 vorgestellt. Der Klimabewegung wirft er "Untergangsirrsinn" vor.

Wer dem amtierendem Bundeskanzler Karl Nehammer bei seiner breit angelegten Rede "Zur Zukunft der Nation – Österreich 2030" vergangene Woche zuhörte, kann unschwer erkennen, dass seine Österreichische Volkspartei manches plant, aber sicherlich nicht mehr viel mit dem kleinen grünen Koalitionspartner.

Die Grünen bekommen ein Silbertablett voller Kröten serviert, an der die Haftnotiz klebt: "Bitte bei Gelegenheit schlucken". Menschliche Lösungen in der Migrationspolitik, mehr soziale Gerechtigkeit angesichts steigender Mieten und allgemeiner Teuerung sind alles nicht so die Themen im Fokus der ÖVP.

Man sorgt sich lieber um die besitzende Klasse und setzt überhaupt auf "Leistung" – und beim Kernthema der Grünen, dem Umwelt- und Klimaschutz schrappt Nehammer nur knapp an der offenen Verhöhnung des Koalitionspartners vorbei.

Sicherlich, Klima sei wichtig und wenn "die Jungen" diesbezüglich "Ängste" haben, dann will dies auch der treusorgende Kanzler Nehammer ernstnehmen, um dann sogleich darzulegen, dass er es nicht tut. Die Sorge um Klima und Umwelt wird in der Rede so geframed, dass sich Nehammer und die ÖVP als Bollwerk gegen übersteigerte Öko-Ideologien sehen und dem "Untergangsirrsinn" entgegentreten wollen.

Der Fokus der Kanzlerrede, vorgetragen hoch über den Dächern der Stadt im "Vienna Twin Tower", liegt letztlich auf "der Wirtschaft". Nehammer spricht auch nicht eigentlich zum Land, sondern zu einer Partei. Und weil diese bekanntlich im Wachstum das einzige Heil sieht, betont der ÖVP-Chef, dass Wachstumsskeptiker eine Gefahr für den Wohlstand seien.

Spott- und Feindbild "Klimakleber"

Im Kern seiner Rede zeichnet Nehammer eine Opposition zwischen "vernünftigem" und sich insbesondere um Wirtschaft, Wachstum und Standort sorgenden Handeln seiner Partei und dem gefährlichen Eifer der anderen.

Diese würden ein "Autoverbot" und ein "Ende des Straßenbaus" fordern, denn der sei "böse". Österreichs Bundeskanzler betet launig die bekannten Öko-Klischees herunter. Der Fleischverzicht darf natürlich nicht fehlen und am Ende fragt er sich, ob man sich manchmal schon dafür entschuldigen müsse, überhaupt auf der Welt zu sein. Fröhliches Gelächter im Publikum.

Der nächste Crowdpleaser darf nicht fehlen: "die Klimakleber". Spätestens jetzt hat Nehammer das anwesende Publikum ganz auf seiner Seite. Diese Art Protest schade mehr als er nütze. Die rhetorischen Vereinfachungen und seltsamen Verniedlichungen die er seinen Gegnern unterschiebt (Auto sind "böse") zeigen allzu deutlich, wie wenig er auf die Sorgen und Ängste der Protestierenden einzugehen gedenkt.

Überhaupt sei doch Klima etwas "globales" und können nicht in einem Land gelöst werden. Österreich wolle sehr wohl jenen Ländern helfen, die vom Klimawandels betroffen seien. Dabei wird Nehammer nicht sonderlich konkret, er vermutet sie irgendwo auf dem "afrikanischen Kontinent" oder gar in "Asien".

Dabei tut er so, als sei der Klimawandel noch ganz weit weg. Ein Bad im burgenländischen Zicksee könnte hier dem Kanzler vielleicht die Augen öffnen. Seit letztem Jahr ist der See verdunstet. Winters wie Sommers ist es zu warm in Österreich – und die Niederschläge bleiben aus. Kaum jemand bezweifelt noch, dass dies Folge des Klimawandels ist.

Beim Kleinreden des Problems hat Nehammer allerdings einen mächtigen Gegner: die Wissenschaft. Der Kanzler weiß, dass er hier nicht mit den Hörnern vorangehen darf. Wissenschaftliche Erkenntnisse will er sehr wohl würdigen und zu diesem Zweck erfindet er gleich selbst welche. Es gäbe nämlich "keinen wissenschaftlichen Beweis für den Untergang". Ein rhetorischer Trick, der von der Scientific Community vermutlich mit Entsetzen aufgenommen wurde.

Einen Tag später twitterte der grüne Sprecher für Klimaschutz, Lukas Hammer, eine Tabelle mit den Folgen der Erderhitzung, die den aktuellen Wissensstand wiedergibt, der allgemein von der Klimaforschung akzeptiert wird. Das Ende der menschlichen Zivilisation demnach steht sehr wohl auf dem Menü, wenn die Selbstverpflichtungen zum Klimaschutz nicht eingehalten werden. Dass der Planet als solcher dadurch untergeht, haben nicht einmal die "Klimakleber" behauptet. Es geht "nur" um seine Bewohnbarkeit.

Bekenntnis zum Verbrenner

Naturwissenschaftliche Prognosen dieser Art passen nicht in Nehammers beschwichtigende Erzählung. Der nach Expertenmeinung möglicherweise lebensbedrohenden Katastrophe kann er letztlich nur ein einziges Wort entgegensetzen: "Innovation".

"Innovation" sei besser als Verbote. Hier hat Nehammer eine Erkenntnis im Gepäck, die sein Publikum mit Wohlgefallen aufnimmt. Österreich sei das "Autoland schlechthin". Weniger weil diese Mobilitätsform in vielen ländlichen Regionen alternativlos ist, sondern weil in der Autoindustrie 80.000 Mitarbeiter in 900 Betrieben arbeiten würden – und die schafften Innovation.

Wenn man nun die Verbrennungsmotoren abschaffen würde, dann würden viele Jahrzehnte Expertise verschenkt, argumentiert er. Nehammer verspricht deshalb, auf EU-Ebene gegen die Abschaffung zu stimmen und unterstützt damit die Linie des deutschen Verkehrsministers Volker Wissing (FDP). Es sei eben schlau, auch weiterhin auf "Innovation" zu setzen, wo man bereits Expertise habe. Außerdem würden die Verbrennungsmotoren doch immer besser und könnten mit neuen, ökologischeren Stoffen gefüllt werden.

Auch hier teilt die wissenschaftliche Forschung nicht die Begeisterung des Kanzlers. Die Innovation der letzten Jahrzehnte war beachtlich, tatsächlich wurden die Motoren immer effizienter – aber zugleich die Autos immer größer. Außerdem hat die bisherige Innovation die Menschheit genau dahin gebracht, wo sie heute ist. Genau deshalb sehen Klimaforscher und Aktivisten die dringende Notwendigkeit, etwas zu ändern.

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