Autoland – Verkehrswende überflüssig?

Seite 2: "Klimaglück" gefällig?

Nehammers Konzeption ist durchsichtig, opportunistisch und zugleich politisch erfolgsversprechend. Er setzt auf Zuspruch an der Wahlurne, indem er die Möglichkeit eines "Weiter wie bisher" verspricht – was die Fakten zwar nicht mehr hergeben, was viele aber gerne hören.

Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, spricht drei Tage später davon, dass die Menschheit den "tip of the tipping point" erreicht habe. Es steht Spitz auf Knopf – und es muss jetzt etwas geschehen, um katastrophale und unumkehrbare Entwicklungen zu verhindern.

In der Praxis bedeutet dies nichts weniger, als dass "wir alle" unser Leben tiefgreifend ändern müssen. Mit ein bisschen "Innovation" kriegen wir die Kurve nicht. Die österreichischen Grünen haben hin und wieder versucht, dies leise anklingen zu lassen. Nachdem aber immer jemand aus dem Publikum aufgestanden war und "Verbotspartei" gerufen hatte, wurden Versuche in diese Richtung bald wieder weitgehend eingestellt.

Heute will die Partei ihre Politik lieber mit vermeintlich geschicktem Marketing verkaufen. Die Grünen haben deshalb jetzt "Klimaglück" im Programm. "Klimaglück" bringt "Liebe, Zuversicht und Mut" und klingt ein wenig wie das Pfeifen im Walde, denn "Glück" mit dem Klima hatten bis vor wenigen Jahren fast alle und man kann nicht sagen, dass sie dies besonders abgefeiert hätten.

Jetzt aber werden die Folgen des Klimawandels überraschend schnell und stark spürbar. Das Ziel kann nur sein, den dramatischen Wandel aufzuhalten. Wer sich das genau durchdenkt, kann schnell die gute Laune verlieren.

Selbst wenn alle Emissionen augenblicklich gestoppt werden könnten, würde sich die Aufheizung noch einige Zeit fortsetzen, um dann zu stagnieren. Erst später würde sich langsam das Klima wieder bessern. Jenseits der Lebenszeiten der heutigen Akteure.

Es wird somit ein verantwortliches Handeln von Menschen erwartet, die selbst nicht mehr in den Genuss der günstigen Folgen kommen werden. Moralphilosophisch gesehen war dies zwar immer so, nur zeichneten sich die Abgründe des Scheiterns nie so deutlich ab. Und das kann lähmen.

Das Problem Verantwortung

Karl Nehammers Reaktion auf die existenziell höchst bedrohliche Situation sind Stammtischsprüche und schwere Leugnung, die Reaktion des grünen Koalitionspartners ist zurückhaltender Reformwille und milde Leugnung.

Die Frage ist, ob die Crux nicht im System der repräsentativen Demokratie selbst verborgen liegt. Eine Art Übertragung der Verantwortung auf die Volksvertreter ist durch das freie Mandat von der Bundesverfassung vorgesehen. Was aber nützt dies, wenn sich die Abgeordneten weniger "ihrem Gewissen", als wahltaktischen Erwägungen verpflichtet fühlen? Die Klimakatastrophe könnte dann für die bestehenden politischen Aushandlungsprozesse eine Nummer zu groß sein.

Am letzten Wochenende traf sich in Wien erneut eine Gruppe zufällig ausgewählter Bürger zum Zukunftsrat Verkehr. Der Rat soll Lösungen finden für die "Ostregion" (die Bundesländer Wien, Burgenland und Niederösterreich). Die Verkehrsfrage ist für den Klimaschutz sehr wichtig, denn ohne eine Reduktion des Schadstoffausstoßes durch motorisierten Individualverkehr sind die Ziele des Pariser Klimaabkommens, denen sich auch Österreich verpflichtet hat, nicht einzuhalten.

Der Verkehr ist ein bedeutendes Konfliktfeld, einerseits weil er nahezu alle Menschen in ihrem Alltag betrifft und zweitens ist er ein gutes Beispiel für nötige, aber unbequeme Maßnahmen. Es ist nicht nur Karl Nehammer, der gerne seinen Wähler unhaltbare Versprechen macht. Alle Parteien reden gerne davon "Anreize zu schaffen" und ökologische Mobilitätsformen "attraktiver" zu gestalten.

Aber auch hier widerspricht die wissenschaftliche Forschung. Unschön, aber wahr, ab einem bestimmten Punkt sind die "Grenzen der Attraktivität" erreicht und es helfen nur mehr restriktive Maßnahmen (Parkgebühr, Erhöhung der Benzinkosten, Zufahrtsbeschränkungen, etc.). Die aber mag kein Politiker vorschlagen.

Und die Bürger selbst? Im Zukunftsrat Verkehr informierten Experten über Klima und Mobilität, die gut informierten Bürger sollten dann untereinander einen Aushandlungsprozess beginnen und Vorschläge formulieren. Es zeigt sich, wer ernstgenommen wird, nimmt andere ernst.

Die Teilnehmer sehen von den eigenen Vorteilen ab und suchen die beste Möglichkeit für alle. In Worten und Taten werden Änderungen gesucht und gelebt. Die passionierten Autofahrer lassen für die Treffen die Autos stehen und steigen erstmals in die unbequemen Nahverkehrszüge.

Die gemeinsam an die Politik gestellten Forderungen (die im Moment von Wissenschaftlern ausgewertet werden) sind beträchtlich. Keine Frage, einige Widersprüche dieser "deliberativen Demokratie" tauchen immer wieder auf. So fordern alle zugleich höhere Geschwindigkeit der Durchsetzung von ohnehin bereits beschlossenen Maßnahmen zum Klimaschutz und zugleich wünscht man sich eine noch breitere Beteiligung und Einbeziehung möglichst aller, was Entscheidungsprozesse geradezu notwendig verlangsamt.

Dennoch ist die Stimmung bei den Zukunftsräten gut und die Teilnehmer vermitteln eine gewisse Lust an der Selbstermächtigung. Für die Öffentlichkeit springen zumindest ein paar Neologismen raus. Man will nämlich "konstrAktiv" agieren. Was immer das dann in der Praxis bedeuten mag.

Die aktuelle österreichische Bundesregierung ist sicherlich weder aktiv noch konstruktiv – schon lange nicht mehr. Die Rede von Bundeskanzler Nehammer und die süßsäuerlichen Reaktionen der Grünen belegen, dass die Koalitionäre insgeheim bereits im Wahlkampf sind. Und in dem steht zu befürchten, dass Klima und die "Zukunft Österreichs" zum Spielball kurzsichtigen Taktierens werden.

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