Baerbock bei der UN: Vom "Auslaufmodell" zur Generalversammlungs-Präsidentin?

Vom Außenministerium zur UN: Die Nominierung Annalena Baerbocks stößt auf harsche Kritik
(Bild: paparazzza/Shutterstock.com)
Annalena Baerbock soll UN-Generalversammlungs-Präsidentin werden. Sie verdrängt damit überraschend eine erfahrene Diplomatin. War Merz involviert?
Sie wolle "nach Jahren auf Hochgeschwindigkeit" endlich Zeit für Familie, Freunde und Privatleben haben. So begründete die scheidende deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) ihren Verzicht auf eine führende Rolle in der künftigen Oppositionsfraktion der Grünen im Bundestag.
Aber New York ist nicht Berlin, und Opposition ist nicht das Metier einer selbsternannten Spitzendiplomatin. Baerbock wurde als letzter, wohlfeiler Gruß der scheidenden Bundesregierung mit hohen Empfehlungen in Richtung Amerika verabschiedet.
Regierungssprecher Steffen Hebestreit betonte, dass Baerbock "hoch qualifiziert für diesen Job" sei. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes sekundierte mit der Plattitüde, die Personalie Baerbock zeige die Bereitschaft Deutschlands, in schwierigen Zeiten Verantwortung zu übernehmen. Telepolis berichtete bereits zu den weiteren Stimmen.
Doch selbst in den deutschen Leitmedien, der den Personalien einer Noch-Regierung eigentlich wohlgesonnen ist, knirscht es im Gebälk: Baerbock sei "umstritten" (Tagesschau), sie bastele an ihrer eigenen Karriere (ZDF) oder sie sei gar ein "Auslaufmodell" und eine "Frechheit".
Letzteres stammt von keinem Geringeren als Christoph Heusgen, einem gestandenen Diplomaten, dem ehemaligen Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) und langjährigen Ständigen Vertreter der Bundesrepublik bei den Vereinten Nationen.
Ungewöhnlicher Vorgang
Ursprünglich war mit Helga Schmid eine ausgewiesene internationale Diplomatin aus dem Establishment der deutschen Außenpolitik für den vakanten Posten vorgesehen.
Turnusmäßig obliegt der Vorsitz im jährlichen Wechsel einer der fünf Weltregionen, von 2025 bis 2026 ist Westeuropa und damit die Bundesrepublik an der Reihe. Die Staatengruppe hatte sich intern darauf geeinigt, dass Deutschland den Posten übernehmen soll. Eigentlich war die Sache seit Herbst 2024 in trockenen Tüchern.
Das ist auch insofern ungewöhnlich, wie der Bonner Professor für Sicherheits- und Strategieforschung, Ulrich Schlie, betont, als die Bundesregierung eine eigentlich abgeschlossene Personalie ohne Not, ohne öffentlichen oder internationalen Druck korrigiert hat.
Vor dem Hintergrund, dass der oder die nächste Deutsche erst in 70 Jahren wieder in den Genuss kommen könnte, diesen Posten zu begleiten. Zudem muss erwähnt werden, dass Baerbock – trotz des teilweise, aus den Reihen der CDU/ CSU mit harten Bandagen geführten Wahlkampf, den Segen des kommenden Bundeskanzler Friedrich Merz zu haben scheint.
Anti-Moskau-Connection
Die Personalie Helga Schmid bleibt interessant: Ex-SPD-Politiker Sigmar Gabriel bescheinigte Schmid, eine "großartige Diplomatin" zu sein, von der Baerbock viel lernen könne.
Die heute 64-Jährige war jahrelang Generalsekretärin der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und ist derzeit zudem stellvertretende Vorsitzende im Stiftungsrat der Münchner Sicherheitskonferenz.
Ausgerechnet die OSZE: Die Nachfolgeorganisation steht bzw. stand historisch zumindest in Nuancen für einen zu führenden Dialog mit der Sowjetunion und dem heutigen Russland. Heute ist die OSZE vor allem auf dem Balkan und in den ehemaligen Sowjetrepubliken ein Instrument westlicher Staaten.
Daraus ergeben sich mindestens zwei spannende Analogien: Zum einen wird die Kritik an Christoph Heusgen, der wiederum von NATO-Frontmann Jens Stoltenberg als Leiter der MSC beerbt wird, durch die engen Verbindungen zu Schmid plausibel, zum anderen deutet sich in der Personalfrage Baerbock versus Schmid eine kleine Richtungsentscheidung in der deutschen Außenpolitik an.
Zwar kann keine Person allein deutsche Politikentscheidungen oder -entwicklungen bestimmen oder gar diktieren, dennoch sichern Personalentscheidungen Einfluss und manifestieren politisch-ideologische Einstellungen an entscheidenden Schaltstellen der Macht.
Mit der klaren Entscheidung gegen Schmid (und in abgeschwächter Form auch gegen Heusgen) und deren Ersetzung durch antirussische Hardliner wie Stoltenberg und Baerbock, ist davon auszugehen, dass die Gesprächskanäle nach Moskau verschlossen bleiben. Im Duktus der massiven EU- und deutschlandweiten Aufrüstung wurde die Personalfrage konsequent beantwortet.
Im Krieg gegen Russland
Zur Erinnerung: Von einem britischen konservativen Politiker in einer Fragestunde des EU-Parlaments auf die unzureichende Hilfe Deutschlands für die Ukraine angesprochen, antwortete Baerbock mit einem folgenschweren Satz. Wörtlich sagte sie damals: "Wir kämpfen einen Krieg gegen Russland und nicht gegeneinander". Sie sollte ihn später bereuen, ihre Politik blieb der Linie treu.
Zuvor verstieg sie sich zu der Aussage, man könne Russland durch westliche Sanktionen ruinieren. Dies erwies sich als Chimäre: Russland konnte weder der Geld- noch der Einflusshahn zugedreht werden. Die deutsche Industrielandschaft hingegen wurde nachhaltig in Frage gestellt.
Der komparative Kostenvorteil billiger Energielieferungen aus dem russischen Fernen Osten, ein gewichtiges Faustpfand im geopolitischen Wettlauf der internationalen Konzerne gegen die Konkurrenz, ist ersatzlos weggefallen.
Genutzt hat es wenig: Der Krieg geht unvermindert weiter. Laut wissenschaftlichem Dienst des Bundestages konnte Russland die Sanktionen erfolgreich umgehen und verkauft munter an östliche Drittstaaten (China und Indien). Das IFO-Institut kommt in einer wissenschaftlichen Analyse zu einem vernichtenden Urteil: "Aus ökonomischer Sicht wäre eine Aufhebung der Sanktionen aufgrund der damit verbundenen Kosten sicherlich wünschenswert."
Feministische Außenpolitik in der Praxis
Nun kann man Annalena Baerbock immerhin zugute halten und behaupten, dass sie sich stets für die Rechte der Hälfte der Weltbevölkerung eingesetzt hat, für die Sache der Frauen.
Ein hohes Gut, denn bis heute prägen geschlechtsspezifische Ungleichheiten den Alltag und die Lebenswelt von Frauen, das Deutschland in die UN einbringen könnte. Doch stimmte die Realpolitik von Annalena Baerbock mit den proklamierten Werten überein?
Natürlich kann man sich, wie die taz, darauf versteifen, feministische Außenpolitik auf das Geschlecht der handelnden Personen zu reduzieren, die Kritik an Baerbock qua Geschlecht (Männer!) statt mit politischen Argumenten zu widerlegen oder Baerbocks Pseudofeminismus in der Verdrängung einer anderen Frau (Schmid) als männliches Vorbildverhalten zu goutieren.
Erfolgversprechender scheint ein Abgleich mit dem realen Output der Politik – ein Urteil, dem sich Männer wie Frauen als Politiker stellen müssen.
Feminismus der Tat findet man bei Annalena Baerbock nicht. Als Beispiel: Baerbock hielt sich mit Kritik an der israelischen Regierung zurück, während gleichzeitig die UN meldete, dass im belagerten Gazastreifen eine Million Frauen und Mädchen auf der Flucht sind und jedes zweite Opfer weiblich ist.
Im Iran schloss die bekennende Feministin als erste Amtshandlung die deutsche Schule vor Ort, in Afghanistan warten weibliche Hilfskräfte der Bundeswehr – bedroht von den Taliban, immer noch auf einen deutschen Ausflugsflieger, in Staaten wie Saudi-Arabien, Katar oder der Türkei werden Frauen mit deutschen Waffen massakriert. Baerbocks Feminismus ist der schöne Schein und die ideologische Begleitmusik eines interessengeleiteten deutschen Weltmachtstrebens.
Auf Großvaters Spuren
"Ein bedingungsloser Nationalsozialist" soll Waldemar Baerbock gewesen sein. Das geht aus einer Akte hervor, die der Presse vorliegt.
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Der Wehrmachtsoberst las mehrfach Hitlers Hetzschrift "Mein Kampf" und beteiligte sich als Ingenieur einer Flakeinheit aktiv an kriegswichtigen Reparaturen im zweiten deutschen Feldzug nach Moskau. Oft sprach Baerbock in Reden von ihrem Großvater, dessen Ausmaß an tiefbrauner Gesinnung ihr unbekannt gewesen sein soll.
Für Maria Sacharowa, Sprecherin des russischen Außenministeriums, spielt Unwissenheit oder spätere Distanz keine Rolle: Sie sagte zu Baerbocks Nominierung, "es wäre merkwürdig, 80 Jahre nach dem Sieg (im Zweiten Weltkrieg) die Enkelin eines Nazis an der Spitze der Generalversammlung zu sehen, die stolz auf die Heldentaten ihres Großvaters ist".
Ob man ihr damit vollends gerecht wird, sei dahingestellt. Dass jedoch selbst Heusgen Baerbock ein "Auslaufmodell" nennt, das man gegen eine Top-Diplomatin eingetauscht habe, lässt tief blicken.