Baerbock und die Gender-Empathy-Gap

Seite 2: Woher kommt die Empathielücke?

Man kann darüber spekulieren, warum es diese Empathielücke gibt. Einige behaupten, es sei schlicht eine Folge der Tatsache, dass zur Not auch wenige Männer ausreichen, um für ausreichend Nachkommenschaft zu sorgen. Andere sehen darin eine Art gesellschaftlicher Strategie, etwa Daniel Jiménez in seinem Buch Deshumanizando al Varón (Die Entmenschlichung des Mannes). Die Männer bekamen demnach als Folge eines "Vertrags" Status, die Frauen Schutz.

Natürlich werden jetzt einige einwenden, wie man von einer solchen Übereinkunft sprechen könnte, wenn doch so viele Frauen Opfer von Gewalt werden und etwa von ihren Partnern geschlagen werden. Die Antwort ist einfach. Männer werden noch viel häufiger Opfer von Gewalt. Und dass manche Männer Frauen Gewalt antun, bedeutet nicht, dass es gesellschaftlich akzeptiert wäre. Es heißt nur, dass gesellschaftliche Normen nicht immer eingehalten werden.

Beide Erklärungen schließen sich nicht aus

Beide Erklärungen schließen sich nicht aus, denn die Übereinkunft mag die Folge des Sachverhaltes sein, dass eine Gesellschaft mit wenigen Männern mehr Nachkommen hervorbringen konnte als eine mit wenigen Frauen.

Zumal in früheren Zeiten viele Frauen im Kindbett starben. Die Lebenserwartung von Frauen war in der Geschichte oft sogar niedriges als jene von Männern, die deutlich längere Lebensspanne von Frauen entstand erst im vergangenen Jahrhundert.

To survive… cultures have to use men and women effectively and … in fact, most cultures have used men and women in different ways.

Pablo Malo

Für uns ist diese Frage aber relativ gleichgültig. Entscheidend ist, dass es diesen Unterschied in der Empathie gibt und dass er offenbar so tief sitzt, dass unsere Außenministerin noch nicht einmal merkt, dass ihre Aussage falsch ist.

Kein exklusives Problem woker Grüner

Die Empathielücke ist aber nicht allein ein Problem woker Grüner. Das zeigt ein Blick in Deutschlands größte Boulevard-Zeitung Bild. Hier ist regelmäßig noch der Satz zu lesen "Unter den Opfern befanden sich auch Frauen und Kinder". Und Artikel, die Mitleid erregen sollen, werden gerne mit Bildern von Frauen (und Kindern) illustriert.

Gerade in konservativen Kreisen gibt es noch immer die Vorstellung, dass Männer Frauen beschützen sollten. Russland, dessen Präsident sich schon vor dem Krieg gerne als "harter Kerl" gab, hat traditionell einen der höchsten Unterschiede in der Lebenserwartung zwischen Männern und Frauen weltweit.

Nach dem Kosmos Weltalmanach (früher Fischer Weltalmanach) beträgt er elf Jahre (!), in Island sind es nur drei Jahre. In Israel, wo Frauen wie erwähnt Wehrdienst leisten müssen, sind es ebenfalls nur drei Jahre (aus meiner eigenen Dienstzeit bei der Bundeswehr habe ich die Soldatinnen übrigens als durchaus fähig in Erinnerung).

In den Kibbuzim, wo zumindest traditionell Frauen und Männer ähnliche Aufgaben hatten (die Kibbuzim waren ursprünglich sozialistisch geprägt), soll der Unterschied sogar noch geringer gewesen sein (es gibt immer noch klassische kollektive Kibbuzim (Kibbuz Schitufi), aber ihre Zahl ist in den vergangenen Jahrzehnten gesunken).

Deshalb kann ich auch die Hoffnung einiger Männer nicht verstehen, dass jetzt die Helden wiederkehren. Klar, Held wäre ich gerne, aber auf Heldentod habe ich keine Lust. Und Heldentum ohne die Möglichkeit des Heldentodes gibt es nicht, sieht man vom Maulheldentum mal ab.

Was wir aus Baerbocks Ausspruch und der "Bild" lernen

Natürlich weiß ich nicht, ob Frau Baerbock den männlichen Opfern gegenüber wirklich so viel weniger Mitleid empfindet, wie ich vermute. Aber eine andere Erklärung für ihren Ausspruch will mir einfach nicht einfallen.

Die Konservativen sind aber auch keine besseren Verbündeten, sie träumen oft noch davon, alte Rollenbilder wieder aufstehen zu lassen, nach denen Männer sich für Frauen opfern sollten. Was aber können wir tun? Zunächst einmal einfach darauf hinweisen. Sachlich, freundlich, aber bestimmt.

Natürlich wird das Büro von Frau Baerbock eine freundliche Zuschrift mit einem Verweis auf die falsche Aussage der Ministerin nicht zum Anlass für eine Entschuldigung nehmen, sondern eine Ausrede erfinden oder gar nicht antworten. Aber steter Tropfen höhlt den Stein.

Der Autor des Textes, Tilman Weigel, betreibt den Blog gesund.men, von wo wir diesen Beitrag in leicht bearbeiteter Form übernommen haben.