Baltic Sentry: Verstärkte Konfrontation im Ostseeraum
Ein Nato-Kriegssschiff in der baltischen See (Symbolbild)
(Bild: Vytautas Kielaitis/Shutterstock.com)
Die Nato startet "Baltic Sentry" und erhöht die Spannungen im Ostseeraum. Russland reagiert mit Warnungen. Droht ein neuer Konflitkherd?
Am 14. Januar wurde im Nachgang des letzten Nato-Ostseegipfels in Helsinki bekannt, dass das Militärbündnis in Kürze eine Mission namens "Baltic Sentry" (zu deutsch "Baltische Wache") in, auf und über der Ostsee startet, um mittels Patrouillen die Unterwasserinfrastruktur der beteiligten Länder zu schützen.
Dabei sollen Fregatten, Marineflugzeuge sowie Seedrohnen und Satelliten zum Einsatz kommen.
Baltische Wächter
Auslöser für die Schaffung dieser Operation war nicht etwa die Sprengung der internationalen Gaspipeline Nordstream im Herbst 2022, sondern die jüngste Beschädigung von Datenkabeln und Stromleitungen, die innerhalb der Ostsee zwischen den Anrainern verlaufen.
Obgleich die Entstehung von Schäden dieser Art in dicht befahrenen Gewässern nicht ungewöhnlich ist, seien die letzten vorsätzlich durch Anker von Schiffen, die er sogenannten russischen Schattenflotte angehörten, verursacht worden.
Im Dezember wurde etwa das Stromkabel Estlink2 zwischen Estland und Finnland beschädigt und wenige Tage später wurde der Ausfall weiterer finnischer Leitungen gemeldet.
"In der gesamten Allianz haben wir Elemente einer Kampagne zur Destabilisierung unserer Gesellschaften festgestellt. Durch Cyberangriffe, Attentatsversuche und Sabotage – einschließlich einer möglichen Sabotage von Unterseekabeln in der Ostsee", erklärte Nato-Generalsekretär Mark Rutte auf einer Pressekonferenz.
In der gemeinsamen Erklärung der Nato-Bündnispartner im Ostseeraum heißt es ferner: " Wir sind entschlossen, alle Sabotageversuche abzuschrecken, aufzudecken und abzuwehren. Jeder Angriff auf unsere Infrastruktur wird mit einer robusten und entschlossenen Reaktion beantwortet werden. Wir sind bereit, feindselige Handlungen von böswilligen Akteuren gegebenenfalls zu ahnden."
Die acht beteiligten Nato-Staaten sind Dänemark, Deutschland, Estland, Lettland, Litauen, Norwegen, Polen und Schweden. Die Kommando- und Koordinationszentrale der Operation liegt in Rostock.
Auf die Frage von Reportern, wie viele Schiffe und Flugzeuge im Rahmen der zeitlich nicht begrenzten Operation zum Einsatz kommen sollen, wollte Mark Rutte nicht ins Detail gehen. Die Zahl könne von Woche zu Woche variieren und man wolle den Feind nicht klüger machen als er ohnehin schon sei.
In der gemeinsamen Erklärung wird dieser Feind dann auch offen benannt: "Der Einsatz der so genannten Schattenflotte durch Russland stellt eine besondere Bedrohung für die maritime und ökologische Sicherheit im Ostseeraum und weltweit dar."
Konfrontation mit Russland nimmt zu
Seit dem Beitritt Finnlands und Schwedens zum Militärbündnis im Februar 2024 ist Russland im Ostseeraum ausschließlich von Nato-Anrainern umgeben.
Gegenüber der russischen Nachrichtenplattform Dzen erklärte Alexander Khrolenko, Militärbeobachter bei Sputnik, dass provokative Aktionen im Rahmen des Formats "Baltic Sentry" die Wahrscheinlichkeit eines bewaffneten Konflikts mit Russland dramatisch erhöhten.
Die Nato beabsichtige unter dem weit hergeholten Vorwand der "Stärkung des Schutzes kritischer Infrastrukturen" eine weitere Konfrontationsfront mit Russland im Baltikum zu eröffnen.
Die See- und Luftstreitkräfte der Nato waren allerdings schon früher in der Region präsent. Doch nun haben die an der Mission beteiligten Länder eine deutlich größere Anzahl an Kriegsschiffen und anderem militärischem Gerät in die Wege geleitet.
Durch ständige Patrouillen sind sie bestrebt im internationalen Seegebiet Inspektionen verdächtiger ziviler Schiffe durchzuführen und diese festzusetzen, wobei der Schwerpunkt auf der sogenannten russischen Schattenhandelsflotte liegt.
Aus russischer politischer Sicht enthält eine solche Überwachung Elemente einer Seeblockade in neutralen Gewässern, die eigene Handelsrouten und Häfen im Ostseegebiet betrifft.
Es ist daher zu erwarten, dass Russland versuchen wird, entsprechende Handlungen seinerseits auszugleichen, was auch im Bewusstsein aller Beteiligten sein dürfte. Um die Sicherheit der zivilen Schifffahrt zu gewährleisten, könnte es hier bald zum Einsatz von Kampfschiffen sowie Militärflugzeugen oder gar Raketensystemen kommen, sollte eine Gefahr für die baltische Flotte oder die Militärgebiete um Kaliningrad und Leningrad erkannt werden.
Einhaltung des Seerechts in Gefahr
Ferner ist einer der wichtigsten Grundsätze des Seerechts der Vereinten Nationen die Freiheit der Schifffahrt. Daher befindet sich die Nato-Operation rechtlich gesehen auf dünnem Eis. Neben dem UN-Seerecht regeln die Pariser (1856) sowie die Londoner Seerechtsdeklaration (1909) den Handel und Verkehr auf hoher See; und nicht die Nato.
Maßnahmen, die auf eine Seeblockade ausgerichtet sind, zielen in der Regel darauf ab, den Zugang zur gegnerischen Seeküste abzuschneiden, um dessen Häfen und Militärstützpunkte auszuschalten und seine Seeverbindungen zu unterbrechen.
Ziel ist die größtmögliche Schwächung der wirtschaftlichen und militärischen Mittel des Widerparts sowie das Unterbinden der Möglichkeit des Gegners mit anderen neutralen Ländern zu verkehren.
Dieses Mittel der Politik seitens der beteiligten Akteure beeinträchtigt daher ferner die Interessen nicht beteiligter Staaten und unterminiert die Aufrechterhaltung von Handelsbeziehungen mit und in blockierten Regionen.
Nach eigenen Angaben der an "Baltic Sentry" beteiligten Nato-Staaten soll noch geprüft werden mit welchen rechtlichen Mitteln vorgegangen werden kann und welche weiteren "Maßnahmen im Einklang mit dem internationalen Seerecht, einschließlich der Freiheit der Schifffahrt" festgelegt werden können.
Laut Bundesregierung werden gegebenenfalls auch zusätzliche Maßnahmen im Rahmen der EU und der nationalen Gesetzgebung nötig.