Bauernproteste gegen Dumpingpreise

Seite 2: Billig-Preispolitik beim Schweinefleisch

Auch im Norden Bayerns und in Baden-Württemberg kam es im Dezember 2020 an diversen Orten zu Protesten, die sich vor allem gegen Aldis Billig-Preispolitik für Milch und Fleisch richteten. Hunderte Trecker verstellten die Aldi-Zentrallager an mehreren Orten im Landkreis Regensburg.

Einerseits verlange Aldi höchste Standards, andererseits werde billigstes Fleisch aus anderen Ländern importiert, lautete die Kritik. Diese Importe stünden im krassen Widerspruch zu dem Vorwurf an die Landwirtschaft, sie würde Überschüsse produzieren.

Milchbauern würden immer neue Auflagen gemacht, die sie dann zu Weltmarktpreisen erfüllen sollten. Man wolle sich an der inhaltlichen Ausgestaltung eines freiwilligen Verhaltenskodex für die gesamte Wertschöpfungskette beteiligen, gab Aldi bekannt.

Auch Lidl, Rewe und Kaufland kündigten im Dezember an, ihre Einkaufspreise für Schweinefleisch erhöhen zu wollen. Man wolle Preise zahlen, die dem Marktniveau vor Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest entsprechen und auf eine langfristige und nachhaltige Stärkung der heimischen Landwirtschaft setzen, kündigte Rewe an. Die Preiserhöhung kam, allerdings nur für wenige Wochen.

Anfang Februar machten Lidl und Kaufland die Preiserhöhungen wieder rückgängig. Der Markt sei dem Preissignal nicht gefolgt, argumentierte ein Lidl-Vertreter. Um Wettbewerbsnachteile zu vermeiden, müsse man sich im Schweinepreissegment wieder dem aktuellen Marktniveau anpassen, hieß es.

Nachdem der große "Schweinestau" zum Ende letzten Jahres die Bauern stark belastet hat, werden inzwischen nicht nur weniger deutsche Ferkel gezüchtet, auch die Importe von Ferkeln bzw. Schlachtschweinen aus Dänemark, Belgien und den Niederlanden haben sich reduziert: Sei September letzten Jahres kamen wöchentlich etwa 40.000 Ferkel weniger aus Dänemark und den Niederlanden nach Deutschland.

Hierzulande standen im Januar immer noch eine Million Schweine zu viel in den Mastställen. Zwar laufen die Schlachtbetriebe wieder auf vollen Touren, doch wegen der hohen Schlachtgewichte der Tiere werden die Schlachtlinien nicht nur stärker belastet als sonst, sie sind auch störungsanfälliger.

Eingeschränkte Absatzmöglichkeiten

Der Überhang werde allmählich abgebaut, erklärte die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN). Für bessere Preise fehlen allerdings die Exportmöglichkeiten. Wegen der Afrikanischen Schweinepest (ASP) und Corona gilt in China zwar immer noch ein Importstopp für Schweinefleisch. Dafür gelten Südkorea, Japan und Vietnam nun als vielversprechende Kandidaten für Absatzmärkte.

Unterdessen bauen die Chinesen mit Hilfe staatlicher Unterstützung ihre Schweinebestände schneller auf als erwartet. Neuerdings bauen chinesischen Mäster in der Nähe von Metropolen mehrstöckige Hochhäuser, in denen sie bis zu 150.000 Schweine unterbringen. Falls der Weltmarkt mit chinesischem Schweinefleisch überschwemmt werden sollte, wird sich dies entsprechend negativ auf die Preise auswirken.

In Deutschland haben sich die Preise für ein Kilogramm Schweinefleisch innerhalb eines Jahres auf 1,19 Euro pro Kilogramm halbiert. Je länger die Schweine in den Ställen stehen, desto weniger Geld bringen sie ihren Besitzern. Denn für Schweine, die zu schwer oder zu alt sind, gibt es dem Verband zu Folge zum Teil nur 80 Cent pro Kilogramm.

In Sachsen werde die Mehrheit der Schweinehalter in Existenznot geraten, befürchtet der Präsident des Landesbauernverbandes im Januar. Als Grund dafür nennt er den Mangel an Schlachtbetrieben. Um unabhängiger von Konzernen wie Tönnies zu werden, strebt der Verband den Aufbau eines eigenen Schlachthofs im Freistaat sowie mehrere mobile Schlachtstätten an. Es soll eine "enge Verzahnung zwischen den Landwirten als Erzeuger sowie Schlachtung und Weiterverarbeitung" geben.

Ziel sei der Aufbau einer sächsischen Wertschöpfungskette, neben mehr Tierwohl, weniger CO2-Ausstoß beim Transport und möglichst kurzen Wegen. So weit, so gut. Allerdings will der Landesbauernverband auch juristische Schritte gegen die sächsische Düngeverordnung prüfen - vermutlich, um den Weg für große Schweinemastanlagen frei zu machen.

Im vergangenen Jahr hatte der Bundesrat beschlossen, die Düngeregeln für deutsche Bauern zum Schutz des Grundwassers vor Nitratbelastung weiter zu verschärfen.

Weniger Tiere bei höheren Preisen

Ihre Probleme haben sich die Bauern zu einem großen Teil selber zuzuschreiben, kritisiert Foodwatch Deutschland. Ihre eigene einflussreiche Lobby habe sie in den ruinösen Preiswettbewerb getrieben, den sie jetzt beklagen.

Da ist was Wahres dran. Zum einen können Schweinemäster mit den geringen Erlösen ihre Kosten nicht annähernd decken. Zum anderen: Sind die Bestände zu groß, produzieren sie zu viel Gülle. Damit stehen die Mäster wieder vor der Frage: Wohin mit den nitrathaltigen Güllemengen? So lange Tierhaltung nicht mit dem Schutz der Umwelt vereinbart werden kann, sind Konflikte vorprogrammiert. Ein Lösungsansatz wäre, die Tierzahl zu verringern, weniger Gülle zu verursachen und gleichzeitig die Schlachtpreise je Kilo zu erhöhen.

Auf massives Betreiben der Agrarlobby werde die verfehlte Agrarpolitik der EU auch in den nächsten Jahren so weitergehen, befürchtet Andreas Winkler, Pressesprecher von Foodwatch. Mit Hilfe von Steuergeldern wird billig für den Weltmarkt produziert - ungeachtet dessen, wie groß die Umweltschäden sind, wie sehr Tiere leiden und wie viele bäuerliche Existenzen zerstört werden.

Mit Billig-Agrarexporten aber wird es niemals eine nachhaltige Landwirtschaft mit fairen Preisen geben. Höchste Zeit, dass die Bauern sich gegen die fehlgesteuerte Agrarpolitik effizient zur Wehr setzen.