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Bayerische Polizeistatistik: Anstieg der Vergewaltigungen

Bayerischer Polizeiwagen im Einsatz. Foto: indeedous/Wikimedia Commons/Verwendung genehmigt

Gründe für die Steigerung sind laut Innenminister Hermann (CSU) "zunächst unklar". Offenbar ist aber, dass die Zahl der Taten, die von Zuwanderern verübt wurden, ebenfalls gestiegen ist. Das ist ein politisch heikles Thema

Es ist nicht so, dass die Kanzlerin von ihrer Einlasspolitik im September 2015, in deren Folge spektakulär viele Flüchtlinge und Migranten nach Deutschland kamen, nicht profitiert hat. Zwar sah sie sich seither einer massiven Kritik ausgesetzt.

Für alles, was mit negativen Auswirkungen der stark angestiegenen Zuwanderung in Zusammenhang gebracht wurde, wurde sie in einer von Emotionen und Polemik geprägten Engführung politischer Zusammenhänge persönlich verantwortlich gemacht. Alle Finger zeigten auf sie; ihre (zuvor getätigte) Aussage "Wir schaffen das" wurde zum Angriffsziel.

Das gute Image behält die Oberhand

Aber sie ließ sich eben auch - und augenscheinlich nicht ungern - zu Selfies mit Flüchtlingen oder Migranten überreden, die ihrem Image schmeichelten. Die humanistische Seite der von ihr mit verantworteten Aussetzung des Dublin-III-Abkommens im Herbst 2015, die für einige Monate eine Durchwinkpolitik an den Binnengrenzen der EU zur Konsequenz hatte, war für Merkel eine große Gelegenheit, politisches Kapital zu gewinnen.

In der europäischen Öffentlichkeit hat sie seither ein gutes Image, wie dies exemplarisch der aktuelle Aufmacher-Artikel im Economist zum deutschen Wahlkampf demonstriert. In Deutschland hat ihre Flüchtlingspolitik dazu geführt, dass sie auch in politischen Lagern außerhalb der Union, augenfällig bei den Grünen, viele Pluspunkte sammeln konnte. Dass nun eine schwarz-grüne Regierungskoalition als ernstzunehmende Möglichkeit ins Auge gefasst wird, liegt auch an Merkels Politik im Herbst 2015.

Im Wahlkampf verschont von unangenehmen Fragen

Bisher ist Merkel im Wahlkampf von den für sie unliebsamen Aspekten der Zuwanderung weitgehend verschont geblieben. In großen Interviews hakten die Fragesteller nicht intensiv nach, wenn sich die Kanzlerin bemühte, ihre wohl konzipierten strategischen Antworten unterzubringen. Wenn sie etwa zu den Ereignissen Anfang September 2015 erklärte [1], dass sie die Grenzen nicht geöffnet hat, da sie ja bereits offen waren.

Sie spielt damit ihre Rolle bei der Geschichte des "Kontrollverlusts" (siehe Chronik eines Staatsversagens, Die Zeit [2]) Anfang September 2015 herunter.

Dass die damalige Haltung der Bundesregierung für die nachfolgende Durchwinkpolitik an den innereuropäischen Grenzen und als Pull-Faktor für Migranten eine wichtige Rolle spielte, ist allerdings schon anzunehmen oder zumindest hartnäckiger zu hinterfragen, wie Artikel aus dieser Zeit zeigen [3].

Konfrontiert mit einem heiklen Aspekt der Zuwanderung

Bei einem Wahlkampf-Auftritt im bayerischen Rosenheim wurde die Kanzlerin nun mit einem der politisch heiklen und aufgeladenen Debatte über die Zuwanderung konfrontiert. In der Umgebung Rosenheims sorgt ein Vergewaltigungsfall für Aufsehen [4], bei dem ein abgelehnter Asylbewerber unter Tatverdacht steht. Er sitzt in U-Haft.

Merkel nahm laut einem Bericht [5] des Bayerischen Rundfunks das Thema auf. Die CSU-Politikerin Ilse Aigner habe sie "eben auf die traurigen Vorfälle(!) in der Region hingewiesen", wird Merkel zitiert. Die Kanzlerin spann den Faden weiter mit einer Absichtserklärung, die beruhigen soll: Ihre Regierung werde sich anspornen, "alles, aber auch alles Machbare zu tun, um Menschen das Gefühl und die Realität der Sicherheit zu geben".

Offene Fragen

Die offene, unbeantwortete Frage lautet, wie sie das konkret bewerkstelligen will. Da die Kanzler-Wahlkämpferin ein CSU-nahes Publikum vor sich hatte, griff sie zum Naheliegenden und sprach in allgemeiner und unverbindlicher Weise davon, dass sie sich nötigenfalls gebotenen Strafverschärfungen nicht in den Weg stellen wolle.

Und wo immer wir Strafen verschärfen müssen, werden wir das tun, wenn es geboten ist, um den Opfern zu helfen und Opfer vor Straftaten zu schützen. Damit es möglichst gar keine Opfer gibt.

Angela Merkel [6]

Einen bemerkenswerten Hintergrund zur Äußerung Merkels liefert die bayerische Polizeistatistik, von welcher Innenminister Joachim Herrmann am Dienstag im Landes-Kabinett berichtete. Der Merkur titelte mit "Schockzahlen" [7]:

In den ersten sechs Monaten des Jahres 2017 sind in Bayern fast 50 Prozent mehr Vergewaltigungen angezeigt worden als im Vorjahreszeitraum. Insgesamt tauchen in der Polizeistatistik 685 Fälle auf, ein Plus von 48 Prozent. Besonders auffällig: Die Zahl der Taten, die Zuwanderern zugeordnet wurden, stieg gar um 91 Prozent auf 126, sagte Innenminister Joachim Herrmann (CSU) am Dienstag im Kabinett. Damit lag der Gesamtanteil der Zuwanderer an allen sexuellen Vergehen bei 18 Prozent (2016: 14 Prozent).

Merkur [8]

Die Zahlen werden in ähnlichem Wortlaut auch in anderen Berichten [9] wiedergegeben.

Bereits in der Unterzeile beider Berichte erfährt der Leser auch, dass die Gründe für die Steigerung der Gesamtzahl "noch unklar" sind. An einer detaillierten Analyse werde noch gearbeitet, so Hermann, der versprach, dass Sexualstraftaten zukünftig noch gezielter bekämpft werden sollen, "auch in den Asylunterkünften".

Als Maßnahmen erwägt er eine erhöhte Polizeipräsenz sowie gezielte Präventionsmaßnahmen. Hermann fordert, bei der Registrierung von Flüchtlingen neben Fingerabdrücken auch DNA-Proben zu nehmen.

Bayern: "Sicherheitsland Nummer Eins"

Bemerkenswert dazu ist noch zu erwähnen, dass die besagte Kriminalstatistik in der Pressemeldung der Polizei mit einer positiven Überschrift präsentiert wird, weil man dort augenscheinlich die Gesamtsituation mit dem positiven Trend in den Blick nimmt: Bayern ist Sicherheitsland Nummer Eins [10].

Berichtet wird dort, dass die Gesamtzahl der Straftaten (ohne die vor allem durch illegale Grenzübertritte von Flüchtlingen verursachten ausländerrechtliche Verstöße) im Vergleich zum ersten Halbjahr 2016 gesunken ist (um knapp 20.500 auf 281.942). Die deutlich positiven Entwicklungen würden sich in vielen Deliktsbereichen zeigen: bei den Wohnungseinbrüchen (-14 Prozent), beim Diebstahl (-10,7 Prozent) und bei den Vermögens- und Fälschungsdelikten (-8,5 Prozent). Aber auch bei den Rohheitsdelikten (-6,6 Prozent), bei der Straßenkriminalität (-6,8 Prozent) wie auch im Bereich der Körperverletzung (-7,8 Prozent).

Negativ falle hingegen die Entwicklung der Vergewaltigungsfälle aus, so die Pressemeldung der Polizei. In den ersten sechs Monaten 2017 zählte man in absoluten Zahlen 222 Vergewaltigungen mehr als im Vergleichszeitraum 2016. Das entspreche einer Gesamtzunahme von fast 50 Prozent. Von den 685 Vergewaltigungsfällen im ersten Halbjahr seinen 126 von Zuwanderern begangen worden. Demgegenüber waren es im vergangenen Jahr 60.

Deutsche Tatverdächtige

Der bayerische Innenminister machte darauf aufmerksam, dass sich anhand dieser Zahlen "ganz eindeutig" [11]zeige, "dass die Mehrzahl der zusätzlichen Tatverdächtigen eindeutig auch deutsche Tatverdächtige sind. Also wir haben einen insgesamt schon erschreckenden Anstieg bei den Vergewaltigungen."

Kommentare zum Bericht des Merkur verweisen [12] demgegenüber darauf, dass dies nicht so ganz eindeutig sei, denn die Definition von Zuwanderern, wie sie in der Polizeistatistik verwendet werde, schließe anerkannte Asylbewerber aus. Sie misstrauen den Angaben des Innenministers.

Für sie scheint das Thema vor allem interessant, solange es um "importierte Kriminalität geht", die häusliche oder ortsansässige ist da eher unangenehm oder unpassend, wie sich an den Kommentarreaktionen auf die Aussage einer Grünen-Politikerin zeigt.

Die innenpolitische Sprecherin der Grünen im bayerischen Landtag, Katharina Schulze, erklärte nämlich, dass die CSU bei diesem Thema unverantwortlich agiere. Sie hob bei diesem Thema nicht auf das Problem der Kriminalität durch Zuwanderer ab, sondern auf das generelle Problem der Gefahr für Frauen. Ambulante Notrufe und Frauenhäuser seien seit Jahren chronisch unterfinanziert, brachte sie vor. Zudem gebe es in Bayern immer noch nicht genügend Plätze in Frauenhäusern.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-3830969

Links in diesem Artikel:
[1] http://www.sueddeutsche.de/politik/deutschland-asylpolitik-wird-doch-noch-wahlkampfthema-1.3642266
[2] http://www.zeit.de/2016/35/grenzoeffnung-fluechtlinge-september-2015-wochenende-angela-merkel-ungarn-oesterreich/komplettansicht
[3] http://www.zeit.de/politik/ausland/2015-09/dublin-verordnung-asylbewerber-europa
[4] https://www.merkur.de/bayern/joggerin-am-simssee-vergewaltigt-verdaechtiger-gefasst-8672189.html
[5] http://www.br.de/nachrichten/oberbayern/inhalt/merkel-in-rosenheim-zur-vergewaltigung-joggerin-am-simssee-100.html
[6] http://www.br.de/nachrichten/oberbayern/inhalt/merkel-in-rosenheim-zur-vergewaltigung-joggerin-am-simssee-100.html
[7] https://www.merkur.de/bayern/fast-50-prozent-mehr-vergewaltigungen-herrmanns-schock-zahlen-8678791.html
[8] https://www.merkur.de/bayern/fast-50-prozent-mehr-vergewaltigungen-herrmanns-schock-zahlen-8678791.html
[9] http://www.sueddeutsche.de/bayern/kriminalitaet-fast-prozent-mehr-angezeigte-vergewaltigungen-in-bayern-1.3664325
[10] http://www.innenministerium.bayern.de/med/aktuell/archiv/2017/sicherheit-in-bayern/
[11] http://www.br.de/nachrichten/oberbayern/inhalt/merkel-in-rosenheim-zur-vergewaltigung-joggerin-am-simssee-100.html
[12] https://www.merkur.de/bayern/fast-50-prozent-mehr-vergewaltigungen-herrmanns-schock-zahlen-8678791.html