Beefsteak und Pommes sind jetzt "politisch rechts"

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Ernährungs-Kulturkampf in Frankreich vor der Präsidentschaftswahl

Neue Mythen des Alltags: Wer Steak Frites isst, der gibt damit ein politisches Statement ab? Wird es bald heißen, hier kauft oder kaut eine Wählerin oder ein Wähler der Parteien weit rechts von der Mitte? Zeigt der Kühlschrank die neue Rechts-Linksordnung? Links Algen, Sojakeime, Tofu, Bulgur, Quinoa, Dinkel und japanische Nudeln, rechts das "Proletenfraß"?

Die Aufzählung stammt aus dem jüngst erschienen Roman von Michel Houellebecq "Vernichten". In einer Passage geht es um den "totalen Ernährungskrieg" zwischen einem Paar, ausgelöst durch die Wandlung der Frau zu einer Veganerin, "dessen Folgen sie auch elf Jahre später noch immer nicht verwunden hatten".

Die Etikettierung der "Steak Frites" als rechts hat einen aktuellen Anlass. Der Kandidat der Kommunistischen Partei Frankreichs für die im April anstehende Präsidentschaftswahl, Fabien Roussel, wollte kürzlich im Radio Wählerstimmen ködern. In einem Radio-Interview erklärte er, was die gute französische Gastronomie ausmacht: "Un bon vin, une bonne viande, un bon fromage …" Auf Deutsch: "Ein guter Wein, gutes Fleisch und guter Käse."

Die Aussage war nicht wirklich auf der Höhe der Zeit, wie Roussel zu spüren bekam. Nicht nur, dass er Alkohol banalisiere und Werbung für eine desaströse Tierhaltung und Tierzucht mache, sondern er würde damit auch "Fußzeichen" unter dem Tisch an die extreme Rechte geben, so die Reaktionen, die France info übermittelt.

Gut möglich, dass in sozialen Medien die Reaktionen noch schärfer ausfielen; jedenfalls waren es die Reaktionen und nicht der veraltete Werbeeinwurf zur französischen Lebenskunst des kommunistischen Kandidaten, die die Gesellschaftsanalyse von Le Monde beschäftigte. Dort verwies der Journalist und Essayist Jean-Laurent Cassely auf Brüche in der Gesellschaft, die sich der Kulturkampf der Rechten zunutze mache.

Das Steak mit Pommes frites sei jetzt Sache der Rechte, lautet Casselys Beobachtung. Und das habe mit einer Ausrichtung der Linken an einem progressiven Lebensstil zu tun, der den Rechten dabei helfe, Anhänger zu rekrutieren. Man könnte, worauf Casselys Beobachtungen hinauslaufen, auch "Faschisierung des Alltags" nennen. Wer Fleisch isst, zeigt sich als Rechtsausleger und steht unter Rechtfertigungsdruck, was in der Folge ein leichtes Spiel für rechtsextreme "Kulturkämpfer" bedeutet, um Anhänger zu gewinnen.

Tatsächlich kamen die wütenden Repliken auf Roussel allesamt von Vertretern der Linken bzw. der Grünen, wie in dem Artikel von Le Monde herausgestellt wird – "von ökologischen Aktivisten und der moralischen Linken".

Für die rechten Medien, vom Figaro bis zu CNews sei es dagegen ein Ergötzen gewesen, was sich an der Polemik zu Roussels Äußerungen gezeigt habe. Man tat sich dort leicht, wieder einmal das "Gespenst der Woke-Kultur" heraufzubeschwören, "die uns am Essen hindern und unsere Teller überwachen", meint Cassely und beschwört folgendes Szenario:

Wenn Menschen das Gefühl haben, dass ihre Lebensweise in Frage gestellt wird, neigen sie dazu, sich als Reaktion darauf zu politisieren, nach dem Motto: "Ah, man wirft mir vor, ein Steak- und Pommes-Identitärer zu sein? Na, dann geben Sie mir nochmal ein Rindersteak!" Die Rechte hat das sehr wohl verstanden und sich deshalb der Gastronomie bemächtigt.

In Frankreich hat die Rechte lange Zeit die Kaviar-Linke verspottet, was eine Art zu sagen war: "Ihr nehmt für euch in Anspruch, für Gleichheit und soziale Gerechtigkeit einzutreten, aber ihr esst die Speisen der Bourgeoisie." Heute entwickeln wir uns in Richtung dessen, was man als "Quinoa-Linke" bezeichnen könnte. Dies ist eine andere Form der Disqualifizierung: Während die Quinoa-Linke die bürgerlichen Bezugssysteme ablehnt, wird ihr nun vorgeworfen, nicht das Volk, sondern nur die gebildeten städtischen Klassen zu vertreten.

Jean-Laurent Cassely

Die Belehrungen führen zum Gegenteil dessen, was diejenigen erreichen wollen, die sich als fortschrittlich verstehen. Sollte auf Seiten der Linken nach wie vor Konvergenz der Kämpfe die Maxime sein, so zeige sich gegenwärtig vor allem eine " Divergenz der Lebensstile". Aus der Betonung kultureller Unterschiede komm es zu einer Verlagerung der politischen Diskussionen, von der Linke nicht profitieren, weil sie weg führe von sozioökonomischen Themen.

Gerade beim Essen sei das gefährlich: "Sobald das, was du isst oder nicht isst, zum wichtigsten politischen Thema wird, wird es kompliziert, einen gemeinsamen Tisch zu decken."

Roland Barthes, früher verehrt von vielen linken Akademikern und Intellektuellen, nahm "Beefsteak und Pommes" in seine Sammlung der "Mythen des Alltags" auf. Damals schrieb Barthes, dass das Beefsteak – wie der Wein – ein Grundelement sei: "Mehr noch nationalisiert als sozialisiert". Es komme in billigen Restaurants vor wie in der Hohen Küche und gehöre zur "ausgiebigen bürgerlichen Mahlzeit" wie auch zum "Boheme-Imbiß(!) des Junggesellen".

Das ist, wie die Sprache schon anzeigt, lange her. Die deutsche Ausgabe der Mythen des Alltags ist nun fast 60 Jahre alt.