Beim Alkohol ist die Ampel lautlos gescheitert

Christoph Jehle
Ampel mit trinkenden Ampelmännchen

Die Alkohollobby hat sich auch in den vergangenen Jahren durchgesetzt und jeden Versuch, den Alkoholkonsum zu reduzieren, scheitern lassen. Kulturgut oder Wirtschaftsfaktor?

Nach Aussagen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist Deutschland ein Alkohol-Hochkonsumland. Rüdiger Krech, der WHO-Direktor für Gesundheitsförderung, bezeichnet Deutschland in diesem Zusammenhang als Problemkind. Es gibt neun Millionen Menschen in Deutschland, die ein wirkliches Alkoholproblem haben. Das sind etwa zehn Prozent der deutschen Bevölkerung.

Die vergangene Ampelregierung hatte sich zum Ziel gesetzt, dieses Problem grundlegend anzugehen und hatte im Koalitionsvertrag von 2021 formuliert:

Bei der Alkohol- und Nikotinprävention setzen wir auf verstärkte Aufklärung mit besonderem Fokus auf Kinder, Jugendliche und schwangere Frauen. Wir verschärfen die Regelungen für Marketing und Sponsoring bei Alkohol, Nikotin und Cannabis. Wir messen Regelungen immer wieder an neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen und richten daran Maßnahmen zum Gesundheitsschutz aus.

Die Ampel ist jetzt Geschichte und die Idee, die Werbung für Alkohol einzuschränken, ist damit auch beerdigt. Die kommende Bundesregierung wird keine Zeit mehr haben, sich um derartige Banalitäten zu kümmern, die letztlich Privatsache jedes Einzelnen sein sollten. Und zur Nachwuchsförderung bleibt man auch beim betreuten Trinken ab 14 Jahren.

Der gepflegte Rausch als Kulturgut?

Bier- und Weinkonsum hat in Deutschland eine lange Tradition und ist in der Gesellschaft fest verankert. Mit dem Trinken in Anwesenheit der Eltern soll sichergestellt werden, dass der Konsum in einem kontrollierten Umfeld stattfindet und somit den rechtlichen Vorschriften entspricht.

In der Gesellschaft herrscht eine weitgehend unkritische Einstellung zum Konsum von Alkohol vor, was die Implementierung und Effektivität präventiver Maßnahmen deutlich erschwert. Ja, Alkohol gilt als deutsches Kulturgut, wie man mit dem Münchner Oktoberfest und unzähligen Wein- und Volksfesten bis zu den Glühwein-geschwängerten Weihnachtsmärkten jedes Jahr augenfällig demonstriert. Alkohol ist für viele ein Stück Kultur und Lebensfreude, wobei sich die Frage stellt, ob man Deutschland wirklich nur noch im Rausch ertragen kann.

Alkohol ist in Deutschland rund um die Uhr zu niedrigen Preisen verfügbar:

Von März 2010 bis Anfang Dezember 2017 galt in Baden-Württemberg ein flächendeckendes Alkoholverkaufsverbotsgesetz (§3a LadÖG BW) für alle Ausgabestellen ohne Zapflizenz (Kiosk, Tankstelle, u.ä.) im Zeitraum von 22 Uhr bis 5 Uhr.

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Das Alkoholverkaufsverbotsgesetz, das unter dem damaligen CDU-Ministerpräsidenten Oettinger eingeführt wurde, führte dazu, dass Körperverletzungen abnahmen, hatte aber keinen signifikanten Einfluss auf Sexualstraftaten und Raub.

Für viele Tankstellen in Baden-Württemberg war jedoch mit dem nächtlichen Verkaufsverbot die Geschäftsgrundlage für eine 24-Stunden-Öffnung entfallen. Das Gesetz wurde unter dem wirtschaftsfreundlichen Grünen-Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann wieder aufgehoben. Offensichtlich hat man 2017 ein Gesetz abgeschafft, obwohl die erwünschten Wirkungen eingetreten sind.

Alkohol als Wirtschaftsfaktor

Die Einnahmen aus der Alkoholsteuer betrugen 3,125 Milliarden Euro für das Jahr 2023. Dazu kommt die nicht getrennt erfassten Umsatzsteuereinnahmen aus dem Verkauf von Speisen in der Gastronomie, die sich mit der kommenden Bundesregierung und der von ihr geplanten Absenkung der Umsatzsteuer auf Speisen in der Gastronomie wieder reduzieren dürften.

Was jedoch nicht zu übersehen ist, ist die Tatsache, dass der teilweise riskante Alkoholkonsum letztlich das deutsche Gesundheitswesen herausfordert, das nicht unter Beschäftigungsmangel leiden dürfte. In einer aktuellen Untersuchung beziffert der Gesundheitsökonom Tobias Effertz die direkten und indirekten Kosten des Alkoholkonsums in Deutschland auf rund 57,04 Milliarden Euro.

Damit stehen knapp 60 Milliarden Euro gesicherten Steuereinnahmen von gut 3 Milliarden Euro gegenüber, was die wirtschaftliche Bedeutung der Alkoholwirtschaft in einem anderen Licht erscheinen lässt.

Beispiel Irland

Während Deutschland offensichtlich zur Ruhigstellung seiner Bevölkerung den Alkoholkonsum nicht einschränken will, plant die Republik Irland an der Westkante der EU hinsichtlich der Alkoholregulierung in Europa gegen alle politischen Widerstände aus den Weinländern Frankreich und Italien inzwischen vorauszupreschen.

Alle Hilferufe der Alkohollobby in Richtung Brüssel waren jedoch am Ende vergeblich. Irland wird als weltweit erstes Land eine verpflichtende Gesundheitskennzeichnung für alkoholische Getränke einführen. Die neue Regelung soll zum 22. Mai 2026 in Kraft treten. Dann soll auf Verpackungen mit alkoholischen Getränken unter anderem über Risiken von Leber- und Krebserkrankungen informiert werden.

Zudem sollen die Hersteller dazu verpflichtet werden, vor den Folgen von Alkoholkonsum während der Schwangerschaft zu warnen. Die Anbieter von Alkoholika müssen auf der Grünen Insel künftig auch auf jeder Verpackung darüber informieren, wie viel reiner Alkohol in den jeweiligen Getränken steckt. Auch die Kalorienanzahl des Getränks muss dann angegeben werden.

Für die irischen Alkoholproduzenten hat sich die jüngere Geschichte offensichtlich zum Nachteil ausgewirkt. Ein Großteil der Produzenten der traditionellen irischen Getränke hat seinen Hauptsitz inzwischen in das Vereinigte Königreich verlegt, was den Einfluss in Brüssel eliminiert hat.

Bislang konnte sich die Alkohollobby aus Frankreich, Italien und Spanien in der EU noch dagegen behaupten, dass sich die irische Idee durchsetzt. Da sich ein beträchtlicher Teil der alkoholbedingten Erkrankungen jedoch eindeutig auf den Genuss von Alkohol zurückführen lassen, dürfte schon bald eine private Zusatzversicherung für die Alkoholfolgen im Raum stehen.