Benötigen Wasserhähne und Duschköpfe eine EU-Regulierung?
Eine entsprechende Vorstudie läuft seit vergangenem Jahr im spanischen Sevilla
"EU sagt Duschköpfen den Kampf an" titelte Spiegel Online am 6. Februar 2010 und zitierte den klimaskeptischen damaligen EU-Abgeordneten Holger Krahmer (FDP) mit der Aussage, eine entsprechende EU-Regulierung sei eine "Öko-Diktatur". Die EU-Kommission wollte auf ihrer Mythen-Seite dagegenhalten und konterte auf die vorgebliche Behauptung, demnächst würden "die Rohrleitungen in nordeuropäischen Städten verstopfen, weil die EU-Kommission nur noch wassersparende Duschköpfe und Wasserhähne erlauben will", mit dem Hinweis, sie habe lediglich "angeregt, wasserverbrauchende Geräte - wie Duschköpfe oder Wasserhähne - im Rahmen der Ökodesign-Richtline unter die Lupe zu nehmen."
Abgesehen davon, dass Wasserhähne kein Wasser verbrauchen, geben die weiteren Erläuterungen nur das übliche Prozedere bei der Vorbereitung von Verordnungen wieder, die auf der Ökodesign-Richtlinie basieren.
Es geht hierzulande auch nicht um die Wasserleitungen, sondern um die Abwassersysteme, die meist noch aus einer Zeit stammen, als die Haushalte ausreichend Wasser in den Ausguss schütteten, um die Kloake wegzuspülen. Heute muss die Kanalisation in vielen Kommunen regelmäßig mit Frischwasser gespült werden, um eine Verstopfung zu verhindern.
Nachdem eine Untersuchung von Duschköpfen hinsichtlich ihrer Energieeffizienz in den 2. Arbeitsplan im Rahmen der Ökodesign-Regulierung aufgenommen wurde, hat die EU-Generaldirektion Umwelt eine Vorstudie in Auftrag gegeben. Die bisherigen Vorstudien wurden von den Generaldirektionen Energie oder Industrie in Auftrag gegeben. Auftragnehmer ist das Institute for Prospective Technological Studies (IPTS) im spanischen Sevilla.
Das Institut ist eines von sieben Joint Research Centres (JRC) der EU-Kommission und beschäftigt sich seit 1994 nach eigener Aussage mit den Verknüpfungen zwischen Technik, Wirtschaft und Gesellschaft. Zu den Schwerpunkten dieser Arbeit zählten in der Vergangenheit die Entwicklung und Überprüfung der Kriterien für das EU-Umweltschutzzeichen, das in Deutschland aufgrund des hier vorgezogenen Blauen Engels weniger bekannt ist als in anderen EU-Mitgliedsstaaten. So hat man sich beispielsweise um das Label für Seifen, Shampoos und Haarpflegemittel gekümmert.
Die Studie hat im Frühjahr 2013 begonnen und sollte im Juli 2014 mit dem Abschlussbericht beendet werden. Im Gegensatz zu anderen Studien enthält sie nur sieben Teilschritte (Tasks) und verzichtet in der bisher vorliegenden Form auf detaillierte Empfehlungen für das weitere Vorgehen.
Bei der Untersuchung ging man im europäischen Durchschnitt (EU-27) von 4,5 Wasserhähnen und 1,5 Duschen pro Wohnung und 5,5 Wasserhähnen sowie 1,83 Duschen pro Haus aus. Auf der Basis der Eurostat-Zahlen leben 60 % aller Haushalte in einem (Eigen-)Heim und der Rest (40 %) in Wohnungen (Apartments). In dem Zusammenhang verblüfft es besonders, wie man den Energiemix für die Warmwasserbereitung angesetzt hat: 40 % Elektrizität, 40 % Erdgas und 20 % Heizöl. Eine solarthermische Wassererwärmung wurde nicht einmal als Option erwähnt, obwohl die Entscheidung beim Eigenheimbesitzer deutlich leichter fallen dürfte, als im Mietwohnungsbereich.
Auch in weiteren Punkten geht man von teilweise eigenwilligen Annahmen aus. So nimmt man an, dass jedes private Unternehmen (100 %) seinen Mitarbeitern jeweils eine Duschgelegenheit für die weiblichen und die männlichen Mitarbeiter (1 pro 100 Mitarbeiter) anbietet. Im Bildungsbereich nimmt man die gleiche Ausstattung an. Im Gesundheitsbereich rechnet man im EU-Durchschnitt mit einem Wasserhahn pro Bett und einer Dusche für vier Betten. Der gesamte Nicht-Haushalts-Bereich umfasst jedoch, so die Annahme, nur etwa 10 % der gesamten Installationen dieser Wasserarmaturen.
Für den Haushaltbereich erwartet man bei den Duschen und Wasserhähnen auf der Basis von 2010 einen Zuwachs von jeweils 14 % bis 2050 auf dann 1,36 Milliarden Einheiten. Im Nicht-Haushaltsbereich erwartet man hier im gleichen Zeitraum sogar einen Zuwachs von 24 % bei den Wasserhähnen und von 17 % bei den Duschen.
Da eine mögliche Regulierung durch die EU immer nur die neuen Produkte und nicht den Bestand erreicht, sind neben den angenommenen Wachstumszahlen beim Absatz der jeweiligen Produkte auch die spezifische Produktlebensdauer und die damit zusammenhängenden Austauschzyklen wichtig. Diese variieren innerhalb der EU jedoch je nach Einsatzbereich und Land gravierend zwischen 2 und 50 Jahren. Somit ist eine generelle Aussage zur typischen Lebenserwartung der Armaturen schlicht unmöglich.
Neben den möglichen Energieeinsparungen bei der Warmwasserbereitung wollte man auch generell nach Möglichkeiten zur Reduzierung des Wasserverbrauchs suchen. Von einer Verbrauchsreduzierung verspricht man sich auch eine Reduzierung der Verluste im Wasserverteilnetz, die im europäischen Durchschnitt 24 % und im Extremfall bis zu 50 % ausmachen.
Dass die Netz-Verluste jedoch proportional mit den Verbrauchsreduzierungen zurückgehen könnten, erscheint wenig glaubhaft. Gerade von deutschen Wasserversorgern wird immer wieder betont, dass Trinkwasser in Deutschland (im Gegensatz etwa zu Spanien) kein knappes Gut sei und dass im Gegenteil bei reduziertem Wasserverbrauch in zahlreichen Schwemmkanalisationssystemen der Fäkalientransport nur durch zusätzliches Spülen mit Frischwasser gesichert werden kann.
Die Studie geht davon aus, dass die Entwässerungssysteme durch einen reduzierten Wasserverbrauch bei Duschen und Wasserhähnen nicht beeinträchtigt würden, da solche Beeinträchtigungen durch die Toilettenspülungen und die Entsorgung von Toilettenpapier durch die Toiletten hervorgerufen würden. Mit technischen Maßnahmen in den Toiletten könnte man eine Beeinträchtigung zudem vermeiden.
Das sich mit dem Umstieg vom Wannenbad zur Dusche der Wasserverbrauch deutlich reduzieren lässt, sollte sich inzwischen bis in den hintersten Winkel der EU herumgesprochen haben. Das heute durch diese Änderung des Nutzerverhaltens noch realisierbare Einsparpotential dürfte sich in überschaubaren Grenzen bewegen. Und so schlägt man verschiedene schon weithin bekannte technische Maßnahmen vor: Vom Durchflussbegrenzer über den Luftsprudler und das Wasserstrahlendesign bis zu Druckknöpfen und IR-sensorgesteuerten Armaturen sowie Thermostatventilen reicht die Bandbreite der im Grunde hinreichend bekannten Möglichkeiten.
Als verpflichtende (mandatory) Maßnahmen, die noch hinsichtlich ihrer Auswirkungen zu untersuchen wären (impact assesment) schlägt man die folgenden Möglichkeiten vor:
- Ressourcen-Effizienz-Label
- Technische Begrenzung des Wasser- und Energieverbrauchs
- Wassermessgeräte in jedem Wasserhahn und jedem Duschkopf
- Durchflussbegrenzer für bestimmte Produkte.
Ausnahmen sind für solche Zapfstellen denkbar, an welchen üblicherweise eine bestimmte Wassermenge entnommen wird. Hier würde eine Reduzierung des Durchflusses nur zu einer Verlängerung des Zapfvorganges führen, ohne zu einer Verbrauchsreduzierung zu führen.
Eine Veröffentlichung möglicher Maßnahmen im EU-Amtsblatt wurde für den Sommer 2015 erwartet - die EU-weit verbindliche Gültigkeit bis Ende 2016. Da der Abschlussbericht bislang noch nicht veröffentlicht ist - in Brüssel gibt es eine ausgeprägte Sommerpause - könnte sich dieser Zeitplan jedoch noch einmal verschieben.
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