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Beobachten statt löschen

Eine neue Plattform vernetzt europäische Strafverfolger und Internetfirmen. Neben der Herausgabe von Daten geht es um die Löschung strafbarer Inhalte. Manchmal sollen die aber auch online bleiben

Die Polizeiagentur Europol hat eine Internetplattform zur Unterstützung der Mitgliedstaaten bei Online-Ermittlungen eingerichtet [1]. Das Portal trägt die Bezeichnung "Shaping Internet Research Investigations Unified System" (SIRIUS) und soll zunächst nur im Bereich der Terrorismusbekämpfung zum Einsatz kommen. Außer den Strafverfolgungsbehörden nehmen auch größere Internetdienstleister an SIRIUS teil. Zum Start der Plattform hatten die Konzerne Facebook, Google, Microsoft, Twitter und Uber ihre Mitarbeiter nach Den Haag entsandt.

In zahlreichen Beschlüssen und Gesetzgebungsmaßnahmen verschärfen die Europäische Union, die G20- und die G7-Staaten ihren Druck auf die Anbieter Sozialer Netzwerke. Sie sollen Technologien und Verfahren entwickeln, um "zu terroristischen Handlungen anstiftenden Inhalte" beim Hochladen automatisch zu erkennen und zu entfernen.

Facebook, Microsoft, Twitter und YouTube haben hierzu eine Datenbank mit Hashwerten gestartet [2], die "terroristische und radikalisierende" Inhalte automatisch erkennen und entfernen soll. Der neue Uploadfilter sucht aber nicht nach Dateien, die bereits online verfügbar sind. Auch können Uploads durch den Filter schlüpfen, indem die Hashwerte minimal verändert werden.

Herausgabe von Daten soll vereinfacht werden

Erfolgreich hochgeladene Inhalte, die aus Sicht der Strafverfolgungsbehörden gegen die Kriterien verstoßen, werden unter anderem von der "Meldestelle für Internetinhalte" (EU IRU) aufgestöbert (Europäische Union lässt Internetinhalte von Fluchthelfern entfernen [3]). Sie wurde vor zwei Jahren bei Europol eingerichtet und sucht entweder selbst nach inkriminierten Dateien und Nutzerkonten oder nimmt entsprechende Meldungen von den Polizeien und Geheimdiensten der Mitgliedstaaten entgegen. Diese werden dann an die Internetdienstleister zur Entfernung gemeldet. Den mittlerweile über 30.000 Ersuchen zur Löschung sind die Internetfirmen zu rund 90% nachgekommen.

SIRIUS enthält auch Angaben darüber, wo genau die "Meldestelle für Internetinhalte" bei den Internetfirmen ihre Anfrage zur Entfernung von Inhalten stellen kann und welche Regelungen dabei zu beachten sind. Manche Anbieter geben beispielsweise unbürokratisch Verkehrs- oder Nutzerdaten an die anfragenden Behörden heraus, andere verlangen dafür die Einhaltung der Verfahren zur internationalen Rechtshilfe. Zwar existieren bereits Listen solcher Kontaktstellen [4], diese sollen jedoch nun bei Europol gebündelt werden.

Doppelarbeit mit Europarat

Damit würde SIRIUS auch den Forderungen des Cybercrime-Komitees des Europarates entsprechen, das derzeit an einem zweiten Zusatzprotokoll zum Übereinkommen über Computerkriminalität arbeitet. Es soll Regelungen zur Zusammenarbeit von Internetanbietern und Behörden zur Herausgabe elektronischer Daten definieren.

Allerdings ist der Mehrwert von SIRIUS in diesem Fall unklar, denn auch das Cybercrime-Komitee hat bereits einen Leitfaden zur Kooperation [5] erarbeitet. Das Papier wurde kurz darauf von der Europäischen Kommission aufgegriffen [6] und zum Ausgangspunkt für die Arbeit an SIRIUS gemacht. Im Vorfeld hatte sich das deutsche Bundeskriminalamt (BKA) in dem von ihm geleiteten EU-Projekt "Internetauswertungskoordinierungsgruppe" mit den Firmen Facebook, Google, eBay und Microsoft getroffen [7], um Möglichkeiten des Zugriffs auf Cloud-Daten auszuloten.

Strafbare Inhalte sollen zur Beobachtung online bleiben

Häufig erhält die "Meldestelle für Internetinhalte" gleichlautende Aufforderungen zur Entfernung aus mehreren Mitgliedstaaten. Um mehrfache Meldungen bei den Internetfirmen zu vermeiden, sollen sie deshalb in der neuen SIRIUS-Plattform zunächst mit bereits erfolgten Ersuchen abgeglichen werden.

Bei der Speicherung in SIRIUS soll es sich laut Ankündigung [8] von Europol nur um öffentlich verfügbare Informationen und keine personenbezogenen Daten handeln, wie sie von Europol seit 2007 in der vom BKA eingerichteten Datei "Check the Web" gespeichert werden.

Die vorschnelle Entfernung von Nutzerdaten birgt für die Behörden jedoch auch Nachteile. Vielfach werden Accounts in Sozialen Netzwerken von Polizeien und Geheimdiensten beobachtet, um weitere Erkenntnisse zur Strafverfolgung oder Gefahrenabwehr zu sammeln. Würde eine andere Stelle die Löschung beantragen, verlören die Behörden wichtige Erkenntnisquellen.

Deshalb soll in SIRIUS vermerkt werden, wenn ein Mitgliedstaat bestimmte Nutzer weiter online ausforschen will. Die Internetdienstleister würden dann von Europol darüber informiert. Jedoch ist unklar, in welchem Umfang die Firmen die Accounts tatsächlich online belassen, auch wenn deren Inhalte nach europäischem Recht strafbar sind.

Auch Angebote in Onlineshops könnten verarbeitet werden

Schließlich soll SIRIUS auch die Forderung nach mehr direkter Kooperation mit Online-Plattformen umsetzen. Diese sollen stets die Strafverfolgungsbehörden einschalten, wenn sie Hinweise auf Straftaten oder sonstige Verstöße erhalten.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-3888042

Links in diesem Artikel:
[1] http://www.europol.europa.eu/newsroom/news/europol-launches-sirius-platform-to-facilitate-online-investigations
[2] http://netzpolitik.org/2017/facebook-twitter-co-upload-filter-gegen-terrorismus-und-extremismus-gestartet
[3] http://www.heise.de/tp/features/Europaeische-Union-laesst-Internetinhalte-von-Fluchthelfern-entfernen-3303742.html
[4] http://www.search.org/resources/isp-list
[5] https://rm.coe.int/16806a495e
[6] http://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-15072-2016-INIT/en/pdf
[7] http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/133/1813310.pdf
[8] http://statewatch.org/news/2015/may/eu-council-internet-referral-unit-7266-15.pdf