Björn Höcke, Corona und die Aufmerksamkeitsökonomie der AfD

Björn Höcke muss inzwischen nicht mehr viel tun, um Aufmerksamkeit zu erregen. Im Zweifel reicht eine Virusinfektion. Archivbild: Vincent Eisfeld / nordhausen-wiki.de / CC-BY-SA-4.0

Alle Jahre wieder: Die Immunität des Thüringer AfD-Chefs Björn Höcke wurde aufgehoben. Ein Vorwand mehr für die Ultrarechten, sich als Vorkämpfer der Demokratie zu inszenieren

Björn Höcke muss wahrlich nicht viel tun, um mediale Aufmerksamkeit zu bekommen. Während Zehntausende in Deutschland jeden Tag positiv auf Covid-19 getestet werden, wird es zu einer Sensation aufgeblasen, wenn es einen AfD-Politiker erwischt. Nach Alice Weidel hat es nun offenbar Höcke erwischt, berichteten mehrere Medien übereinstimmend. Der MDR Thüringen beruft sich auf Informationen aus Landtags- und Sicherheitskreisen. Und das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) berichtete, ein Schnelltest Höckes sei positiv ausgefallen.

Bislang schien es, Höcke bräuchte das bewusste Übertreten von Grenzen, um diese Aufmerksamkeit zu bekommen. Wie im Mai bei einer Rede in Merseburg. Es war wohl eine gezielte Provokation, dass die Rede mit den Worten endete: "Alles für Deutschland", der Losung der Sturmabteilungen (SA) der Nationalsozialisten in der Weimarer Republik.

Dafür kassierte der Vorsitzende der Thüringer AfD eine Strafanzeige, gestellt von Sebastian Striegel, dem Vorsitzenden der Grünen in Sachsen-Anhalt. Höcke könnte mit dem Wortlaut Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verwendet haben, befand Striegel und er berief sich dabei auf eine Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags.

Im Rahmen einer Rede auf einer Versammlung sei die Sentenz strafbar, heißt es in dem Papier, "da es sich hierbei um die Losung der SA handelte". Dabei beruft sich der Wissenschaftliche Dienst auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Hamm aus dem Jahre 2006.

Kenntnis historischer Bezüge bestritten

Schon früher hatten AfD-Politiker den SA-Slogan benutzt. Kay-Uwe Ziegler, AfD-Landesvize in Sachsen-Anhalt und seit diesem Jahr Bundestagsabgeordneter, wurde bereits deswegen angezeigt. In Brandenburg brachte die Partei den Spruch auf ein Plakat. In beiden Fällen stritten die Urheber ab, die historischen Hintergründe gekannt zu haben. Für Striegel ist Höckes Wortwahl jedenfalls kein Zufall.

In seinem Strafantrag schrieb er: "Die Äußerung erfolgt als Abschluss einer durchorchestrierten Rede durch den Vertreter einer Partei, die in Thüringen Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes ist". Höcke dürfe zudem "gerichtsfest als ‚Faschist‘ bezeichnet werden, weil dieses Werturteil auf einer überprüfbaren Tatsachengrundlage beruhe".

Am Mittwoch hat der Thüringer Justizausschuss nun Höckes Immunität aufgehoben - einmal mehr. Die Staatsanwaltschaft darf nun wieder ermitteln - und das Ende ist abzusehen: Es wird wohl nichts geschehen.

Ein wunder Punkt

Höcke nutzt den Fall aber wieder und dreht die Anklage um. Er könne nur noch müde darüber lächeln, schreibt er auf Facebook. "Mehrfach wurde meine Immunität bereits aufgehoben, mehrfach wegen des Verdachts auf angebliche Volksverhetzung." In einem Land, das Kopf stehe, komme jemand wie er wohl nicht daran vorbei.

Damit trifft er einen wunden Punkt: Schützt die Immunität einen Oppositionspolitiker, wenn sie mit einfacher Mehrheit aufgehoben werden kann? Das Problem: Die Regierungsfraktionen haben im Justizausschuss auch immer die Mehrheit und könnten gegen jeden Oppositionspolitiker vorgehen. Das nutzt nun Höcke, um weitreichende Forderungen einem breiten Publikum vorzustellen.

Aber der Umgang mit der Immunität von Abgeordneten ist - zumindest in Thüringen - immer wieder eine Farce; wegen Bagatellen wurden Abgeordneten die Immunität aberkannt. Die von Bodo Ramelow wurde zum Beispiel aufgehoben, weil er einem AfD-Abgeordneten den Mittelfinger zeigte. Auch die Immunität der heutigen Linken-Vorsitzenden Susanne Hennig-Wellsow war schon Thema im Justizausschuss im Thüringer Landtag. Sie hatte zivilen Ungehorsam geleistet.

Dieser laxe und seit Jahren eingeübte Umgang mit den Rechten der Opposition in einem Parlament hat nun dem Thüringer Landesverband der AfD die Möglichkeit gegeben, sich als Vorkämpfer der Demokratie zu inszenieren. Und dieser Landesverband wird seit März dieses Jahres vom Thüringer Verfassungsschutz als "erwiesen rechtsextremistisch" eingestuft.

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