Bomben für Notkredite: Wie die USA Pakistan dazu brachten, der Ukraine Waffen zu liefern

Ukrainische Panzerhaubitze, die seit drei Monaten im Gebiet Donezk im Einsatz ist. Bild: АрміяInform

Was haben der Sturz von Imran Kahn und IWF-Kredite mit dem Ukraine-Krieg zu tun? The Intercept enthüllt einen geheimen US-Deal. Es geht um Erpressung und Demokratieverachtung.

Im April 2022 unterstützten die USA das pakistanische Militär bei dem Vorhaben, ein Misstrauensvotum zu organisieren, um Premierminister Imran Khan abzusetzen. Im Vorfeld der Absetzung äußerten Diplomaten des US-Außenministeriums gegenüber ihren pakistanischen Amtskollegen ihre Verärgerung über die, wie sie es nannten, "aggressiv neutrale" Haltung Pakistans zum Ukraine-Krieg unter Khan.

Als der Konflikt begann, befand sich Khan, der damals Premierminister war, auf dem Weg nach Moskau zu einem seit Langem geplanten bilateralen Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Der Besuch empörte Washington.

Die USA warnten vor schwerwiegenden Folgen, falls Khan an der Macht bleibe. Man versprach zugleich, dass im Falle seiner Absetzung "alles verziehen" würde.

Nachdem das Militär Khans Sturz vollzogen hatte, begann es, dessen Partei durch eine Welle an Morden und Massenverhaftungen zu eliminieren. Der ehemalige pakistanische Premierminister selbst ist derzeit wegen angeblichen Geheimdokumenten-Missbrauchs inhaftiert. Zudem werden weitere 150 Anschuldigungen gegen ihn vorgebracht – Anschuldigungen, die weithin als Vorwand angesehen werden, um ihn von der Teilnahme an künftigen Wahlen abzuhalten.

Seitdem stellt sich Pakistan im Ukraine-Krieg an die Seite der USA und der Ukraine. Diese Haltung drückt sich auch in Taten aus. Eine Recherche des US-Mediums The Intercept dokumentiert ausführlich, wie Washington geheime pakistanische Waffenverkäufe an die USA für das ukrainische Militär organisierte.

Die Bereitschaft, Waffen an die Ukraine zu liefern, wurde Pakistan von den USA dann "zurückgezahlt", indem ein existenziell wichtiger Kredit des Internationalen Währungsfonds (IWF) für Pakistan freigegeben wurde. Die Rolle der USA dabei bestätigte der demokratische Senator von Maryland, Chris Van Hollen. Van Hollen ist eine führende Stimme in Washington, wenn es um Außenpolitik geht. Er erklärte vor Journalisten: "Die Vereinigten Staaten haben maßgeblich dazu beigetragen, dass der IWF seine wirtschaftliche Nothilfe angeboten hat."

Der Notkredit – insgesamt ging es um eine Vereinbarung in Höhe von sechs Milliarden Dollar – ermöglichte es der neuen pakistanischen Regierung, eine sich abzeichnende wirtschaftliche Katastrophe zu verhindern und Wahlen auf unbestimmte Zeit zu verschieben – Zeit, die man nutzte, um landesweit gegen die Zivilgesellschaft vorzugehen und Khan ins Gefängnis zu stecken.

"Die pakistanische Demokratie könnte letztendlich ein Opfer der ukrainischen Gegenoffensive sein", sagt Arif Rafiq gegenüber The Intecept, ein Wissenschaftler, der am Middle East Institute forscht und Spezialist für Pakistan ist. "Die Prämisse ist, dass wir die Ukraine retten müssen, wir müssen diese Verteidigungslinie der Demokratie am östlichen Rand Europas sichern", betont Rafiq.

Und dann muss ein asiatisches, dunkelhäutiges Land den Preis dafür zahlen. Es darf zu einer Diktatur werden. Den Menschen werden die Freiheiten vorenthalten, von denen Prominente bei uns erklären, dass wir die Ukraine deswegen unterstützen müssen – die Möglichkeit, unsere Regierungen zu wählen, bürgerliche Freiheiten, Rechtsstaatlichkeit, all diese Dinge, die viele europäische Länder und Demokratien von Russland doch unterscheiden sollen.

Regime Change zur Demokratieverteidigung?

Pakistan ist ein Produktionszentrum für elementare Munition. Während die Ukraine mit einem chronischen Mangel an Munition und Ausrüstung zu kämpfen hat, wurde im Verlauf des Krieges zunehmend bekannt, dass in Pakistan hergestellte Geschosse und Waffen vom ukrainischen Militär verwendet werden, obwohl weder die USA noch Islamabad die Waffentransfers bestätigten.

Dokumente über die Waffentransaktionen, die The Intercept von Quellen aus dem pakistanischen Militär zugespielt wurden, belegen nun die Munitionsverkäufe für die Ukraine, die zwischen den USA und Pakistan vom Sommer 2022 bis zum Frühjahr 2023 vereinbart wurden.

Im Gegenzug zu den Waffenlieferungen für die Ukraine wurde Pakistan vor dem ökonomischen Kollaps bewahrt. Dem Intercept-Bericht zufolge setzte sich der pakistanische Botschafter in den USA, Masood Khan, einen Monat vor Ablauf der Frist für einen Kredit des IWF am 23. Mai mit dem stellvertretenden Außenminister Donald Lu im Außenministerium in Washington zu einem Treffen zusammen.

Es ging darum, wie pakistanische Waffenverkäufe an die Ukraine die Finanzlage des Landes in den Augen des IWF verbessern könnten. The Intercept berichtet: "Lu sagte Khan bei dem Treffen am 23. Mai, dass die USA die Zahlung für die pakistanische Munitionsproduktion freigegeben hätten und den IWF vertraulich über das Programm informieren würden."

Am 29. Juni, einen Tag vor dem Auslaufen des ursprünglichen IWF-Programms, kündigte der IWF an, dass die Bank anstelle einer Verlängerung der bisherigen Kreditserie eine "Bereitschaftskreditvereinbarung" abschließen würde – mit weniger Auflagen, günstigeren Bedingungen und einem Wert von drei Milliarden US-Dollar. Da der Waffenverkauf fast eine Milliarde Dollar einbrachte (900 Millionen) und die Lücke bei der Rückzahlung auf gut eine Milliarde reduziert wurde, konnte das Land vor dem finanziellen Desaster bewahrt werden.

Uzair Younus, Direktor der Pakistan-Initiative am Südasienzentrum des Atlantic Council, sagte zur IWF-Vereinbarung: "Wäre das nicht geschehen, hätte es einen vollständigen wirtschaftlichen Zusammenbruch in dem Land gegeben. Es war also ein Moment, in dem es um alles oder nichts ging."

Die USA bestreiten unterdessen weiterhin, dass sie Einfluss auf die pakistanische Demokratie genommen hätten – sei es wegen der Ukraine oder aus anderen Gründen.

Durch das Ausbleiben anderer ausländischer Unterstützung ist das umkämpfte pakistanische Militärregime weiter vom IWF, den Vereinigten Staaten und der Produktion von Munition für den Krieg in der Ukraine abhängig, um die wirtschaftliche Krise zu überstehen, bei der kein Ende abzusehen ist.