Boycott, Divestment and Sanctions bald völkerrechtlich verbindlich?

Seite 2: Unternehmen verletzen Menschenrechte auch ganz direkt

Doch wenn es ihren Interessen nutzt, verletzen Unternehmen Menschenrechte auch ganz direkt. Das europapolitische Onlineportal Euraktiv listet drei solche Fälle aus dem Südsudan, aus der Zentralafrikanischen Republik und aus Syrien auf. Ermittlungen bzw. Klagen laufen, weil Unternehmen nachweislich an Menschenrechtsverletzungen und sogar Kriegsverbrechen beteiligt waren.

Ein Urteil wurde bereits verhängt, weil der französische multinationale Baukonzern Lafarge Zahlungen an bewaffnete Gruppen geleistet hat, darunter den Islamischen Staat. Frankreichs höchstes Gericht bestätigte die Mitschuld des Unternehmens an Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Hinzu kommt, dass:

  1. die Nachfrage nach bestimmten Produkten bewaffnete Konflikte erst ermöglicht oder sie zumindest anheizt und perpetuiert.
  2. Aufträge von Konfliktparteien für international agierende Unternehmen, die im Kontext des Konfliktgeschehens stehen, menschenrechtlich kaum als unbedenklich gelten können.

Das wohl bekannteste Beispiel für die Schwierigkeiten, die eine menschenrechtskonforme Beschaffung aus Krisengebieten bereitet, ist das Beispiel Coltan/Tantal, das aus der DR Kongo zu uns gelangt (Stichwort: "Bluthandys").

Die EU-Konfliktmineralienverordnung sieht hier sogar eine Beendigung der Beziehungen zu Lieferanten vor (Art.5 (1) b) ii), wenn das menschenrechtliche Risikomanagement der Einkaufsabteilung nicht fruchtet. Die Verordnung gilt übrigens für Zinn, Tantal, Wolfram sowie deren Erze und Gold.

Wenn Unternehmen in völkerrechtswidrig besetzten Gebieten arbeiten

Was aber passiert, wenn Unternehmen in völkerrechtswidrig besetzten Gebieten tätig werden? Dürften deutsche Unternehmen in einer völkerrechtswidrig dauerhaft russisch besetzten Provinz – zum Beispiel im Donbass – aktiv werden?

Wer diese Frage rundweg verneint, sollte zumindest berücksichtigen, dass es auch außerhalb der Ukraine völkerrechtswidrig besetzte Gebiete gibt.

Dazu gehört etwa die Westsahara, wo bedeutende Phosphatvorkommen abgebaut werden.

Dazu gehören auch weite Gebiete Syriens mit erheblichen Ölvorkommen, die gegen den Willen von Damaskus von Kurden, Türken oder von den USA kontrolliert werden.

Und dazu gehören Gaza, Ostjerusalem sowie vor allem die Westbank und die Golanhöhen, die von Israel besetzt sind oder kontrolliert werden.

Karolin Seitz, Programmleiterin beim Global Policy Forum hat die Verhandlungen über das internationale Abkommen bei den Vereinten Nationen genauestens verfolgt. Sie berichtet, dass die palästinensische Vertreterin das Thema immer wieder in die Verhandlungen eingebracht hat.

"Praktisch sieht das dann so aus, dass sie immer wieder darauf hinweist, dass sich Unternehmen gerade auch in 'occupied or conflict affected areas', also besetzten und von Konflikten betroffenen Gebieten, an Menschenrechte und die Bestimmungen aus dem Abkommen halten müssen", sagt Seitz und fährt fort: "Für die Menschen in diesen Gebieten ist es natürlich essenziell, dass im Abschlussdokument möglichst starke Regelungen zum Thema Wirtschaft und Menschenrechten in Konfliktgebieten enthalten sind."

Die palästinensische Menschenrechtsorganisation Al Haq arbeitet sehr intensiv zu diesem Thema und hat kürzlich zusammen mit dem irisch-britischen Global Legal Action Network (Glan) einen Bericht herausgegeben, der die Situation auf der Krim, in der Westsahara und in den palästinensischen Gebieten analysiert.

"Wichtig zu wissen, ist", betont Seitz, "dass bei der Debatte um Wirtschaftsaktivitäten in den von Israel besetzten Gebieten auch ein deutsches Unternehmen im Fokus steht. Menschenrechtsorganisationen werfen HeidelbergCement vor, am israelischen Siedlungsbau in der Westbank und damit (über ein Tochterunternehmen) an der Verletzung geltenden Völkerrechts beteiligt zu sein".

Damit bezieht Seitz sich auf mehrere, völkerrechtlich verbindliche Normen, die auch die schleichende Annexion von besetzten Gebieten untersagen.

Erhöhter Standard menschenrechtlicher und konfliktsensitiver Sorgfaltspflicht nötig

In Konfliktgebieten besteht ein erhöhtes Risiko von schweren Menschenrechtsverletzungen im Wirtschaftskontext. "Für Unternehmen, die in diesen Gebieten tätig sind, sollte daher ein erhöhter Standard menschenrechtlicher und konflikt-sensitiver Sorgfaltspflicht gelten.

Das sollte in dem internationalen Abkommen festgelegt werden. Zudem sollten Unternehmen zur Achtung des humanitären Völkerrechts verpflichtet werden", fordert Seitz. Sowohl das deutsche Lieferkettengesetz als auch der Richtlinienentwurf des EU-Rats versäumen das bislang.

Es ist wohl kaum zu erwarten, dass die UN-Regelungen irgendwann einmal einen Freibrief für die Boycott, Divest and Sanctions-Aktivist:innen hergeben werden. Aber das Abkommen könnte einen wichtigen Hebel bieten, die menschen- und völkerrechtswidrigen Aktivitäten großer Unternehmen zumindest einzuhegen. Und wer einmal einen Einblick in das aktuelle UN-Verhandlungsdokument zu diesem Thema gewinnen möchte, kann das hier tun.

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