Braunkohle: Hat Sachsen ein Milliarden-Problem?
Die Energie- und Klimawochenschau: Von tricksenden Automobilherstellern, dem Kohleausstieg bis 2030 und neuartigen Solarzellen mit Rekordwirkungsgrad
Die Auseinandersetzung um den Dieselskandal, um die zu hohen Stickoxidwerte in vielen Städten und um die wachsenden Treibhausgasemissionen des Straßenverkehrs werden uns wohl noch eine ganze Weile erhalten bleiben. Der Berliner Tagesspiegel fragte am Dienstag, ob die Autokonzern schon wieder tricksen. Die Brüsseler Nichtregierungsorganisation Transport$Environment, auf die sich das Blatt beruft, hatte berichtet, dass die Hersteller neue, emissionsärmere Modelle zurückhalten, um die alten so lange wie möglich zu verkaufen.
Nur vier vollständig überholte Pkw-Modelle seien 2017 in Europa auf den Markt gekommen, typisch seien hingegen sieben pro Jahr. Die Einführung von Elektroautos werde so lange wie möglich zurück gehalten. Erst wenn die Anforderungen für niedrigere Emissionen der verkauften Fahrzeugflotte anziehen, würden auch in den nächsten Jahren mehr E-Autos angeboten werden.
Der Verkehrssektor sei der einzige Bereich in der EU, dessen Kohlendioxidemissionen seit 1990 zugenommen haben, so die Brüsseler Organisation. Pkw und Kleintransporter seien für zwei Drittel dieser Emissionen verantwortlich. Die EU-Kommission diskutiert derzeit Reduktionsziele für den Verkehrssektor. Im Gespräch ist eine Minderung um 15 Prozent bis 2025 und um 30 Prozent bis 2030. Der NGO ist das zu wenig, da so die Klimaschutzziele kaum einzuhalten seien. Herstellerverbände würden aber hinter den Kulissen Druck machen, um diese unzureichenden Ziele ganz zu verhindern.
Eine Analyse von Transport&Environment hatte ergeben, dass der Marktanteil der sogenannten SUV von vier Prozent im Jahre 2001 auf 26 Prozent im Jahre 2016 gestiegen ist. Dies und die allgemein größeren Motoren seien im Wesentlichen für die steigenden Emissionen des Straßenverkehrs verantwortlich.
Hersteller gegen Nachrüstung
Derweil berichtet das Manager Magazin, dass die Bundesregierung überlegt, einen Milliarden schweren Fonds für die Nachrüstung der Diesel-Pkw einzurichten. Sollte dies tatsächlich umgesetzt werden, würden die Steuerzahler für die Versäumnisse der Industrie zahlen müssen. Näheres wird vermutlich nach der gerade stattfindenden Kabinettsklausur bekannt werden. Aus dem Verkehrsministerium wurden die Meldungen aber im Vorfeld der Gespräche dementiert.
Bei den Herstellern hält man allerdings nicht viel von Nachrüstung. Die Leute sollen lieber neue Autos kaufen. "Bestandserneuerung durch innovative und effiziente Modelle ist der beste Beitrag zum Klimaschutz und zur weiteren Verbesserung der Luftqualität", meint der Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) Bernhard Mattes. Nachrüstung sei "sehr, sehr komplex".
Der Verband der Kommunalen Unternehmen, in dem unter anderem viele öffentlichen Nahverkehrsunternehmen zusammengeschlossen sind, zeigt sich mit der schleppenden Bewältigung der Dieselkrise frustriert. Ihm waren unter anderem Beihilfen für Abgas arme Busse versprochen worden, doch bislang sei noch kein einziger Euro geflossen.
Kohleausstieg bis 2030
Das nächste Aufregerthema verspricht die von der neuen Bundesregierung geplante Strukturwandel-Kommission zu sein, in der über den Ausstieg aus der Kohle verhandelt werden soll. Die Koalitionäre wollen auch die Umweltverbände mit ins Boot holen, doch die stellen Vorbedingungen. Die Kommission müsse ausgewogen besetzt sein und es müsse eine gemeinsame Federführung von Wirtschafts- und Umweltministerium geben.
Außerdem fordern BUND, Nabu, WWF, Deutscher Naturschutzring, Umwelthilfe und Germanwatch einen "klaren Ausstiegspfad". Schließlich müsse es Sofortmaßnahmen geben, um das von der Koalition bereits stillschweigend aufgegeben deutsche Klimaziel für 2020 geben. Den Verbänden schwebt vor allem die schnelle Drosselung und Stilllegung von Kohlekraftwerken vor.
Unterstützung gibt es von der Seite der Medizin. In einer von Erklärung der Arbeitsgemeinschaft Klimawandel und Gesundheit der Kritischen Mediziner und Medizinerinnen Deutschlands wird der Ausstieg aus der Kohle bis 2030 gefordert. Argumentiert wird nicht nur mit dem großen Anteil der Kohlekraftwerke am Klimawandel, sondern auch mit den Gesundheitsproblemen durch Feinstaub, Stickoxide und Schwermetalle. Die Erklärung wird unter anderem unterstützt von Medico International, IPPNW Deutschland, Ärzte der Welt, Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte, Bundesverband der Medizinstudierenden in Deutschland und Deutscher Gesellschaft für Innere Medizin.
SPD: "Braunkohle unverzichtbar" (bis 2023)
Ganz anders sieht man dies hingegen bei der brandenburgischen SPD, die es einmal mehr vermeidet, auf die Umweltargumente einzugehen und lieber auf die vermeintlich bedrohte Versorgungssicherheit abhebt. "Die ostdeutschen Braunkohlekraftwerke liefern heute und mittelfristig einen unverzichtbaren Beitrag für eine stabile Stromversorgung in Deutschland", sagt das brandenburgische Ministerium für Wirtschaft und Energie. Geleitet wird es von Albrecht Gerber (SPD), der die Braunkohle als Brückentechnologie sieht. "Darüber sollte sich auch die Bundesregierung im Klaren sein." In Brandenburg wird die Landesregierung von Sozialdemokraten und der Linkspartei getragen.
Im äußersten Südosten des Landes, in der Lausitz, holt die Leag wie auch im sächsischen Teil der Lausitz große Mengen Braunkohle aus dem Boden,. Meist um sie vor Ort in Kraftwerken zu verfeuern. Der Wirkungsgrad dieser Anlagen liegt meist nicht viel höher als 30 Prozent. Im Durchschnitt haben alle deutschen Braunkohlekraftwerke laut Umweltbundesamt (UBA) einen Wirkungsrad von 39,1 Prozent. Pro erzeugter Kilowattstunde werden in ihnen mindestens 0,94 Kilogramm, in den älteren Anlagen sogar 1,26 Kilogramm pro erzeugter Kilowattstunde freigesetzt. Das sind mit Abstand die höchsten spezifischen Emissionen aller fossilen Brennstoffe.
Die Studie der Cottbusser Uni, auf die sich der brandenburgische Wirtschaftsminister beruft, bezieht sich allerdings nur auf die nächsten fünf Jahre, also bis 2023. Interessant ist an ihr unter anderem, dass sie sich ausführlich Gedanken über eine Flexibilisierung der Braunkohlekraftwerke macht.
Diese sind derart schwerfällig, dass sie nur vergleichsweise langsam hoch und runter gefahren werden können. Vor allem müssen sie aber aus technischen Gründen immer eine Mindestleistung in das Netz einspeisen. Diese könnte, wie die Autoren ausführen, abgesenkt werden, wenn interne oder externe "Lasten" eingebaut würden, wie es im Fachjargon heißt. Gemeint sind damit Verbraucher.
Als solcher komme zum Beispiel die elektrolytische Wasserstofferzeugung in Frage, Anlagen zur Trocknung von Kohle, größere Batterien oder auch die Umwandlung von Strom in Wärme. Letzteres scheint aber besonders unsinnig, das bereits bei der Verbrennung der Braunkohle sehr viel Wärme anfällt, die sich in den großen Kraftwerken bestenfalls nur teilweise in Fernwärmenetze eingespeist werden kann, oft aber gänzlich ungenutzt an die Umwelt abgegeben werden muss.
Aufgeräumt wird nur, wenn der Profit stimmt
Die ostdeutschen Tagebau waren 2016 unter den wohlwollenden Augen der Landesregierungen in Potsdam und Dresden von Vattenfall an die Energetický a Průmyslový Holding (EPH) ein hochgradig verschachteltes Unternehmen mit Firmensitzen unter anderem auf der als Steuer-Oase berüchtigten britischen Kanalinsel Jersey. Betrieben werden sie jetzt von deren Töchtern Lausitz Energie Bergbau AG und der Lausitz Energie Kraftwerke AG, die zusammen als Leag firmieren. Der EPH gehört auch die schon zuvor erworbene Mibrag in Sachsen-Anhalt.
Die Umweltorganisation Greenpeace hatte 2016 während der Verkaufsverhandlungen kritisiert, dass hinter EPH Offshore-Gesellschaften steckten, deren Geschäftsmodell vor allem aus dem Aufkauf von Unternehmen bestehe, mit dem Zweck diese auszupressen.
Vollkommen offen ist, ob diese Unternehmen noch genug Geld erwirtschaften können, um für die Folgekosten des Braunkohleabbaus aufkommen zu können. Immerhin hatte die EPF die Kraftwerke und Kohlegruben von Vattenfall faktisch geschenkt bekommen. Der schwedische Konzern zahlte sogar noch 1,8 Milliarden Euro drauf, um das Braunkohlegeschäft endlich los zu werden. Mal sehen, ob diese Gelder zur Verfügung stehen, wenn man sie dereinst für die Aufräumarbeiten benötigen wird.
Einigen kommen da inzwischen Zweifel. Die Leipziger Internetzeitung fragte letzten Monat, ob da ein neuer Milliardenschuldenberg auf den Freistaat zukommt. Die sächsische Landtagsabgeordnete der Linkspartei Jana Pinka hat nach monatelangen Tauziehen kürzlich Einblick in das Vorsorgekonzept erhalten. Sie kommt zu dem Schluss, dass dies nur funktionieren kann, wenn die Energiewende ausfällt.
Aus den Unterlagen geht hervor, dass das geplante Sicherungskonstrukt für die Tagebaunachsorge nur funktionieren wird, wenn die Kraftwerke weiter wie bisher laufen und die Energiewende praktisch ausfällt. Das Geld für die Wiedernutzbarmachung muss aus Geldanlagen in irgendwelchen Fonds generiert werden. Das Risiko, wenn etwas schief geht, lastet auf der Allgemeinheit. Die LEAG will die zerstörte Landschaft im Grunde nur dann wieder herstellen, wenn von ihrem Gewinn dafür noch was übrig ist. Das ist inakzeptabel.
Jana Pinka, umweltpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Sächsischen Landtag
Rekord-Wirkungsgrad für Solarzellen
Und zu guter Letzt die gute Nachricht der der Woche. Wie der Fachinformationsdienst IWR berichtet, ist Freiburger Entwicklern ein imposanter Schritt beim Erzielen eines besseren Wirkungsgrades von Solarzellen gelungen. Mit einer neuartigen Mehrfachzelle konnte am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme genau ein Drittel der einstrahlenden Sonnenenergie eingefangen werden.
Das wurde mit Hilfe einer Mehrfachsolarzelle erreicht, wie die Forscher mitteilen. Dafür seien 0.002 Millimeter dünne Halbleiterschichten aus sogenannten III-V-Verbindungshalbleitern auf eine Siliciumsolarzelle aufgebracht wurden.
Das sichtbare Licht werde effizient in einer ersten Solarzelle aus Gallium-Indium-Phosphid absorbiert, das nahe Infrarotlicht in Galliumarsenid und längerwelliges Licht schließlich in Silicium. So könnten die Wirkungsgrade heutiger Siliciumsolarzellen signifikant gesteigert werden.
Der Solarzelle sehe man die komplexe innere Struktur nicht an. Sie besitze wie herkömmliche Siliciumsolarzellen einen einfachen Vorder- und Rückseitenkontakt und kann wie diese in PV-Module integriert werden. Bisher wurde neue Technik allerdings nur im Labor getestet. Ob sie ökonomisch sinnvoll ist, wird in Zukunft vor allem von Kosten und Energieaufwand in der Herstellung abhängen.
Die Plattform Photovoltaik.org gibt die Wirkungsgrade neuer monokristalliner Solarzellen mit 20 bis 22 Prozent und die polykristalliner Zellen mit 15 bis 20 Prozent an. Monokristalline Zellen sind aufwendiger in der Herstellung und daher teurer, weshalb ihr Einsatz nicht immer sinnvoller ist.