Brüssel will entscheiden, wann Waschmaschine und Staubsauger laufen
Verbraucher können die Öko-Design-Vorstudie zur Einflussnahme auf den Stromverbrauch im Haushalt noch bis 15. Juli kommentieren
Hat man in den vergangenen Jahren schon den Verbrauch bei Haushaltsgeräten, Heizungen und Beleuchtungseinrichtungen auf dem Verordnungswege reduziert, versucht man in Brüssel jetzt mit einer Vorstudie zu den sogenannten Smart Appliances [1] Möglichkeiten zu finden, wie die EU künftig auch das Verhalten der Verbraucher technisch so beeinflussen kann, dass sich ihr Stromverbrauch an der jeweils bestehenden Stromangebotssituation ausrichtet.
Schon vor Jahren angekündigt, war der Start der Studie immer wieder verschoben worden. Nun mahlen die Mühlen in Brüssel bekanntlich langsam. Wie bei langsam laufenden Mühlen jedoch üblich, verfügen sie über ein beachtliches Drehmoment und sind dann kaum noch zu stoppen. Inzwischen liegt der Bericht zum ersten Schritt (Task 1) vor [2]. Die betroffenen Stakeholder (und das sind in diesem Falle neben den Geräteanbietern auch alle Endverbraucher) können bis zum 15. Juli 2015 ihre Kommentare zu den Vorschlägen abgeben.
Da der Strombedarf der privaten Haushalte nur für etwa 25 bis 30 Prozent des Gesamtstromverbrauchs verantwortlich ist, es sich in mehreren Feldversuchen der vergangenen Jahre gezeigt hat, dass die Flexibilität beim Stromverbrauch im Haushalt eher gering ist und man lediglich etwa 8 Prozent des Strombedarfs durch eine entsprechende Tarifgestaltung und spezifische Steuerbefehle von außen so verschieben konnte, dass sie in Zeiten mit preiswert verfügbarem Strom fallen, ist es durchaus fraglich, ob es Sinn macht, die Nutzungsgewohnheiten der Endverbraucher durch technische oder tarifliche Maßnahmen zu beeinflussen.
Bei den Versorgungsunternnehmen sieht man das wirtschaftlich erfolgreich nutzbare Potenzial für Lastverschiebungen eher bei industriellen Großkunden und die Möglichkeiten, die ein Smart Grid bieten könnte, eher bei der zeitnahen Erfassung aktueller Änderungen der Stromeinspeisung. Schiebt sich eine Wolke vor eine PV-Anlage, lässt sich der genaue Zeitpunkt kaum voraussagen. Eine schnelle Datenübermittlung ist für den Netzbetreiber daher durchaus sinnvoll.
Für die Übermittlung der Verbrauchsdaten der Haushaltskunden gibt es jedoch bei den Netzbetreibern kaum Interesse. Für die Messstellenbetreiber bieten sie immerhin die Möglichkeit, den Zähler aus der Ferne auszulesen. Mehr als eine Ablesung pro Monat macht da jedoch wenig Sinn. Lediglich für die Stromhändler ist eine kürzerfristige Datenübertragung nützlich, weil man daran zeitnah feststellen könnte, wenn der gemessene Stromverbrauch plötzlich auf Null reduziert würde, was einen Hinweis auf eine verbotene Überbrückung des Zählers sein könnte.
Eine externe Fernsteuerung von Haushaltsgeräten über Smartphones muss sich jenseits aller Nützlichkeitsüberlegungen auch mit der Tatsache auseinandersetzen, dass gerade technikaffine Nutzer ihre Smartphones selten länger als 24 Monate nutzen. Eine entsprechend am Nutzerverhalten ausgerichtete App müsste dann jeweils problemlos auf das Nachfolgegerät übertragbar sein.
Eine externe Fernsteuerung durch Dritte bringt mit höchster Wahrscheinlichkeit massiven Ärger mit den Kunden, aber keinen praktischen Nutzen für die Stromversorgung. Wer glaubt, er könne einem Verbraucher bespielsweise vorschreiben, wann er seine Waschmaschine oder seinen Geschirrspüler nutzen darf, kommt hier ganz schnell in Konflikt mit den einschlägigen Gesetzen und Vorschriften, welche den Betrieb dieser Geräte in Mehrfamilienhäusern zu Nachtzeiten oder zu Zeiten der Mittagsruhe untersagen und eine Anwesenheit des Nutzers zur Bedingung für den Betrieb machen.
Zudem dürfte der Nutzer wenig Interesse daran haben, nicht abschätzen zu können, wann seine Wäsche ihr Ende gefunden hat und die Wäsche in den Trockner oder auf die Wäscheleine befördert werden kann. Bei Stromkosten, die selbst im Stromhochpreisland Deutschland kaum 50 Cent pro Waschgang erreichen, wird kein Verbraucher für den Vorteil weniger Cent seinen Waschvorgang an der jeweilgen Netzsituation ausrichten wollen.
Richtig ägerlich für den Verbraucher wird es jedoch dann, wenn selbst solche nur kurzfristig genutzte Geräte wie Staubsauger oder Wasserkocher per Fernsteuerbefehl blockiert oder freigegeben werden können. Endkunden würden sich wohl auf solche an Glückspiel erinnernde Verfahren nur dann begeistern können, wenn sie ihren Haushaltsstrom grundsätzlich ohne Berechnung erhalten würden.
Selbst die Idee, Haushaltskühlschränke so auszurüsten, dass sie sich nicht nur am Kühlungsbedarf orientieren, sondern auch an der aktuellen Netzfrequenz und sich zu ihrer Stabilisierung entsprechend ein- oder ausschalten, dürfte lediglich den Kaufpreis für entsprechend ausgestattete Geräte nach oben treiben, aber Kunden und Stromwirtschaft keinen praktischen Mehrwert bieten. Dafür könnte der Mehrverbrauch solcher technischer Gimmicks Stromerzeuger erfreuen.
Verbrauchsregelung sinnvoll für autonome Netze
Ist der Nutzen der in der Studie betrachteten Optionen zur Beeinflussung des Geräteverhaltens bei Kunden, die ihren Strom aus dem öffentlichen Netz beziehen eher zu vernachlässigen, werden Geräte, die dafür sorgen, dass der selbst erzeugte Strom vorrangig benutzt wird, in erster Linie für sogenannte Energie-Prosumer interessant.
Prosumer sind Endverbraucher, neben ihrem Energiekonsum auch Energie produzieren. Hauptzielgruppe dürften dabei die Besitzer von selbst genutzten Einfamilienhäusern sein, die sich autonom und ohne Netzanbindung versorgen wollen. Für diese Nutzergruppe ist es sinnvoll, einerseits große Verbraucher so gegeneinander zu verriegeln (damit das Hausnetz nicht unter einer Überlast kollabiert), anderseits aber auch verfügbaren Strom möglichst effizient zu nutzen.
Nichtsdestotrotz glauben die Autoren der Studie zu wissen, dass die Akzeptanz der Endverbraucher für eine Fernsteuerung seiner Elektrogeräte hoch sei, auch wenn man annerkennt, dass nicht alle Nutzer mit den möglichen Nebenwirkungen einverstanden seien. So könnte beispielsweise Wäsche in einem vielfach unterbrochenen Waschgang ausbluten und zahlreiche abgebrochene Aufheizphasen würden den Gesamtstromverbrauch erhöhen.
Wie bei vorhergegangenen Öko-Design-Vorbereitungsstudien ist auch bei dieser Studie damit zu rechnen, dass sich weder betroffene Gerätehersteller, noch Endverbraucher rechtzeitig in Position bringen, um den gerade eingeschlagegen Irrweg rechtzeitig zu beenden. Je später der Zeitpunkt einer zielgerichteten Intervention, desto schwerer wird ein Umsteuern werden.
Falls sich jetzt doch jemand bemüßigt fühlen sollte, sich gegenüber den Autoren der Studie zu äußern, findet er auf der Projektseite ein entsprechendes Formular. Bei den vergangenen Studien hat es sich gezeigt, dass knappe Kommentare, die im entsprechenden Formular eingereicht wurden, es leichter hatten, unverkürzt berücksichtigt zu werden.
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