Bundesregierung drückt bei Smart Metern aufs Gas

Bild Smartmeter: EVB Energie AG / CC-BY-SA-3.0 / Grafik: TP

"Deutschland eilt voraus": Die Bundesregierung will den Strommarkt schnell digitalisieren und bei der Flexibilisierung sogar Weltmarktführer werden.

Mit dem vorliegenden Entwurf des "Gesetzes zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende" (GNDEW) soll der deutsche Smart-Meter-Rollout als zentraler Baustein der Energiewende und der cybersicheren Energieversorgung in Deutschland beschleunigt werden.

Bereits im EU Aktionsplan zur "Digitalisierung des Energiesystems" vom Oktober 2022 wurde deutlich gemacht, dass in dieser Sache Handlungsbedarf besteht. Die Digitalisierung der Energiesysteme hat inzwischen eine hohe politische Priorität, bei der sich der europäische Green Deal und das europäische Programm "Weg in die digitale Dekade" für das Jahr 2030 ergänzen.

Die EU schätzt, dass bis zum Jahr 2030 170 Milliarden Euro in die Digitalisierung der Energiesysteme investiert werden müssen, um Daten bereitzustellen sowie Erzeugung, Speicherung und Verbrauch aktiv steuern zu können. Sie beschreibt den Aktionsplan als ein Ziel-System, das bislang in den meisten Ländern der EU noch nicht vorhanden ist.

Verbreitet sind zwar einfache Smart Meter, um den Verbrauch der Kunden zu Abrechnungszwecken fernauszulesen, aber ein dem deutschen Plattformansatz mit einer Echtzeitsteuerung über cybersichere Smart-Meter-Gateways entsprechendes System gibt es bislang noch nicht.

"Deutschland eilt voraus"

Deutschland ist hier mit seinem vorausschauenden Ansatz einer Smart-Grid-Lösung zur systemischen Integration der Erneuerbaren und der Bausteine aus der Sektorenkopplung "Wärme und Mobilität" deutlich vorausgeeilt. Aus der jahrelangen Kritik "Deutschland hinkt hinterher" soll im Sinne des Aktionsplans und der Anforderungen der Energiewende ein "Deutschland eilt voraus" werden.

Telepolis hat im Zusammenhang mit dem GNDEW Ingo Schönberg, einen der Gründer und heutigen Vorstandsvorsitzenden der Mannheimer Power Plus Communications (PPC) AG zum Thema Smart Metering befragt.

Anspruch auf umfangreiche Daten

Smart Meter sollen jetzt für den Endverbraucher nur noch 20 Euro pro Jahr kosten. Muss der Messstellenbetreiber jetzt in Vorlage gehen?

Ingo Schönberg: Die im Gesetz verankerte Preisobergrenze wird zukünftig auf zwei Rechnungen aufgeteilt, eine für den Endkunden und eine für den Netzbetreiber. Ohnehin rechnen Messstellenbetreiber (MSB) das Erbringen von Zusatzleistungen nach Messstellenbetriebsgesetz direkt mit dem Verteilnetzbetreiber ab. Der MSB geht insofern in Vorleistung und holt seine Forderungen meist über Dritte ein.

Netzbetreiber sollen jetzt große Teile der Smart Meter-Kosten übernehmen. Welchen Nutzen habe sie von den unterschiedlichen Smart Metern?

Ingo Schönberg: Nach Gesetz haben Verteilnetzbetreiber (VNB) zukünftig Anspruch auf umfangreiche Daten, die ihnen der MSB bereitstellen muss.

Hierzu zählen z.B. grundsätzlich die 15 Minuten-Messwerte, die Lastgänge bis hin zu Zustandsdaten in Minutentaktung. Damit trägt das Gesetz maßgeblich dazu bei, dass der "Blindflug" im Verteilnetz beendet wird und zukünftig ein Netzbetreiber benötigte Energiewendetechnologie auf Basis dieser Transparenz besser integrieren und Flexibilitätsbedarfe erkennen kann.

Können Netzbetreiber die Smart Meter-Kosten auf die Netzgebühren umlegen und sich das von der Bundesnetzagentur (BNetzA) genehmigen lassen?

Ingo Schönberg: Die Kostenanerkennung unterliegt stets der Freigabe durch die BNetzA. Wir gehen davon aus, dass diese Kosten als "dauerhaft nicht beeinflussbare Kosten" anerkannt werden und insofern eine Umlage möglich ist.

Müssen Smart Meter und Gateways jetzt nicht mehr vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) geprüft und genehmigt werden?

Ingo Schönberg: Das hohe Niveau für Datenschutz und Sicherheit wurde im Gesetz erneut bekräftig, um den Anspruch einer kritischen Infrastruktur in der Energiewende gerecht zu werden. Smart Meter Gateways werden daher wie bisher vom BSI zertifiziert.

Die sogenannte Markterklärung durch das BSI fällt weg und ist in einen gesetzlich verankerten, strukturierten Ausbaupfad für den Rollout überführt worden. Da mittlerweile alle Anwendungsfälle technisch umgesetzt werden können, bedarf es keiner gesonderten BSI-Freigabe mehr.

Umsetzungsfristen für Betreiber sind im nunmehr per Gesetz verankert und ermöglichen ein agiles Nachziehen der Backend-Systeme im Bereich Steuerung.

Warum unterliegt der Transport der Gateways jetzt keinen Sicherheitsvorkehrungen mehr und können auch beim Nachbarn abgegeben werden?

Ingo Schönberg: Im Rahmen der Common Criteria Zertifizierung wird auch weiterhin ein sicheres Handling im gesamten Lebenszyklus verpflichtend sein. Das Gesetz sieht Anregungen für Vereinfachungen vor, die vor allem bei kleineren Stückzahlen in den Montageprozessen Erleichterungen bringen sollen.

Das BSI ist dazu schon im Sommer 2022 in der Abstimmung mit den Smart Meter Gateway (SMGW) Herstellern aktiv geworden.

Es geht mehr um Smart Grid

Als Smart Meter werden in den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten völlig unterschiedliche Geräte bezeichnet. Dürfen die im Binnenmarkt auch völlig frei eingesetzt werden?

Ingo Schönberg: Natürlich dürfen Smart Meter frei eingesetzt werden. Dafür gibt es die europäische MID "Measurement Instruments Directive", auf deutsch "Messgeräterichtlinie" über Messgeräte Zulassung für Zähler.

Darüber hinaus gibt es nationale Anforderungen, die zusätzlich berücksichtigt werden müssen. In vielen europäischen Ländern werden nur Zählerdaten fernübertragen und diese Systeme als Smart Meter bezeichnet.

In Deutschland dient das SMGW primär der Steuerung von lokalen Energiewendetechnologien, der Erfassung von Netzzuständen und nur sekundär der Übertragung von Zählerdaten.

Als Teil einer kritischen Infrastruktur folgen hieraus auch hohe Cyber-Security-Anforderungen, deren Einhaltung via BSI-Zertifizierung nachzuweisen sind.

Es geht also mehr um Smart Grid als um Smart Meter, auch wenn der Name SMGW – Smart Meter Gateways anderes vermuten lässt. Auch in Europa wird Nachfrage entstehen, da das Thema cybersicheres Steuern mit der Energiewende international an Bedeutung gewinnen wird.

Wie viele Smart Meter müssen in einem Netz zum Einsatz kommen, dass die Flexibilitäten für den Netzbetreiber nutzbar sind?

Ingo Schönberg: Die Frage lässt sich nicht pauschal beantworten. Natürlich steigt der Nutzen mit höherer Durchdringung der SMGW, da so die Transparenz zu Netzzuständen zunimmt und damit auch der Nutzen für Flexibilität besser bewertet werden kann.

Aber auch mit einem einzelnen SMGW ist der Endkunde bereits in der Lage Anreize wie aus dem §14a EnWG (Energiewirtschaftsgesetz) zu nutzen oder für die Direktvermarktung von EEG-Strom bilanzierungskonform Daten zu liefern.

Welchen Nutzen hat der Kunde, wenn er seine Hauptverbraucher als Flexibilitäten zur Verfügung stellt?

Ingo Schönberg: Wenn Endkunden ihre Hauptverbraucher als Flexibilität zur Verfügung stellen, unterstützen sie damit direkt die Energiewende. Sie sorgen aktiv dafür, dass der Wechsel zu erneuerbaren Energien funktioniert. Dazu partizipieren sie auch finanziell.

Der aktuelle Entwurf des verpflichtenden §14a wird eine Basisentlastung von ca. 100 Euro pro Jahr ermöglichen. Zusätzliche Erträge lassen sich mit dem SMGW z.B. über Direktvermarktung oder marktliche Flex-Mechanismen erzielen.

Dazu kommt, dass durch die Anpassung der POG (Preisobergrenze)-Verteilung, der Endkunde zukünftig nur noch einen kleinen Anteil der POG für das SMGW zahlen muss, aber den gesamten Nutzen heben kann.