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Bundesregierung zur Berg-Karabach-Blockade: Mal drüber geredet

Checkpoint am Lachin-Korridor. Bild: Benoît Prieur, CC0 1.0

Armenische Exklave Berg-Karabach nach wie vor von Aserbaidschan isoliert. Zivilisten ohne Versorgung, Bundesregierung ohne klare Position.

Im Schatten des Ukraine-Krieges zeichnet sich im Kaukasus eine weitere humanitäre Katastrophe ab, nachdem Aserbaidschan die armenisch dominierte Exklave Berg-Karabach abgeriegelt hat. Die Bundesregierung verspricht nun zwar, auf Aserbaidschan einzuwirken. Offiziell ist davon aber kaum etwas zu merken.

Die Blockade wird nun auch den Internationalen Strafgerichtshof beschäftigen. Sowohl Armenien als auch Aserbaidschan haben das Gericht angerufen.

Armeniens Anwalt Lawrence Martin vor Richtern des Obersten Gerichtshofs der Vereinten Nationen, Aserbaidschan habe die überwiegend armenische Bevölkerung Berg-Karabachs von der Außenwelt abgeschnitten, indem es den sogenannten Lachin-Korridor zwischen Armenien und der Region blockiert habe.

Lebensmittel, Medikamente und andere humanitäre Hilfsgüter können das Gebiet von 120.000 Menschen nicht erreichen.

Aserbaidschan hat die Vorwürfe zurückgewiesen. Nach Darstellung Bakus haben Umweltschützer Ende 2022 damit begonnen, eine als Lachin-Korridor bekannte Bergstraße zu blockieren, die einzige Verbindung zwischen Armenien und Berg-Karabach.

Der stellvertretende Außenminister Elnur Mammadov sagte vor Gericht, es handele sich um eine legitime zivile Demonstration gegen die von dem Bergbauunternehmen verursachten Umweltschäden, und seine Regierung habe nichts damit zu tun.

Armenien wolle politischen Druck auf die laufenden Gespräche zwischen den beiden Regierungen ausüben, "nicht um das Problem zu lösen, sondern um Hass und Angst gegen Aserbaidschaner und Aserbaidschaner zu schüren".

Die Bewegungsfreiheit auf dem sogenannten Latschin-Korridor sei für die Menschen in der Region "von existenzieller Bedeutung", erkennt nun auch die Bundesregierung an. So werde die Region über den Pass mit Nahrungsmitteln und Medikamenten versorgt.

Schlingerkurs der Bundesregierung

Die Bundesregierung habe seit Beginn der Behinderung der Durchfahrt durch Aserbaidschan "dazu aufgerufen, die Bewegungsfreiheit umgehend und vollständig wiederherzustellen", heißt es in der Antwort auf eine Frage aus dem Bundestag, die Telepolis vorliegt:

"Dies tat sie sowohl im Gespräch mit Vertreterinnen und Vertretern Aserbaidschans als auch öffentlich, zuletzt durch die Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und humanitäre Hilfe im Auswärtigen Amt, Luise Amtsberg, am 16. Dezember 2022."

Baku scheint davon nicht besonders beeindruckt zu sein. Der Rechtsvertreter Armeniens beim Internationalen Strafgerichtshof, Egizhe Kirakosyan, sagte, Aserbaidschan habe den Lachin-Korridor in eine Einbahnstraße verwandelt.

"Armenier dürfen Berg-Karabach nicht betreten, aber sie können es verlassen. Es handele sich um "eklatante Akte ethnischer Säuberung", sein Land fordere, dass Aserbaidschan angewiesen wird, die Blockade zu beenden.

Die Bundestagsabgeordnete der Linken, Zaklin Nastic, verweist darauf, dass unter anderem 30.000 Kinder von der Blockade betroffen und unterversorgt sind. Die Bundesregierung müsse sich daher "zu den wiederholten Angriffen der aserbaidschanischen Diktatur auf den demokratischen Staat Armenien endlich deutlich positionieren".

Nastic verwies gegenüber Telepolis darauf, dass die Ampel-Koalition auf eine frühere Anfrage zum Berg-Karabach-Konflikt keinen Aggressor benennen wollte.

Anders als etwa die damalige Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi. Sie habe den aserbaidschanischen Überfall auf Armenien vom vergangenen September als "illegalen und tödlichen Angriffen durch Aserbaidschan auf armenisches Gebiet" scharf verurteilt.

"Es ist ein Skandal, dass die Bundesregierung, weil sie weiter Gas und Öl aus Aserbaidschan beziehen will, beide Augen vor der aggressiven und völkerrechtswidrigen Kriegspolitik Alijews und des Nato-Partners Türkei verschließt und beim Völkerrecht mit zweierlei Maß misst", urteilt Nastic.


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