Bundestagswahl 2025: Die Kunst des schönen Versprechens

Björn Hendrig
Wahlplakate zur Bundestagswahl 2025

Wahlplakate im Landkreis München. Bild: TP

Plakate zieren wieder Deutschlands Straßen. Die Parteien überbieten sich mit Versprechungen für eine bessere Zukunft. Doch wer glaubt noch woran – und warum?

Jetzt grinsen sie wieder auf das Wahlvolk hernieder, versprechen das Blaue vom Himmel und behaupten, nur sie brächten Wohlstand, Frieden und so: die Kandidaten der zur Bundestagswahl antretenden Parteien. Social Media hin oder her – ein solches Wahlplakat bewährt sich auch heute als kommunikative Schrotflinte. Irgendeinen wird die Botschaft schon treffen. Da kann man sich noch so sehr wegducken, übersehen geht nicht.

Wählen = mitbestimmen? Eine Illusion!

Die Auswirkungen können daher verheerend sein. Die ahnungslosen Bürger nehmen die Plakate wahr – und glauben tatsächlich, mit ihrer Stimme für die richtige Partei würde es nun für sie in den nächsten vier Jahren wirklich besser laufen. Mit ihrer Wahl würden sie über die Politik mitbestimmen – eine Illusion. Und was heißt hier "richtige" Partei? Alle stoßen in das gleiche nationale Horn: Deutschland hat ein Problem – und wir lösen es!

Dass das nicht gleichbedeutend ist mit dem Wohl von etwa dem Großteil der arbeitenden und erwerbslosen Bevölkerung, von Alleinerziehenden, Rentnern oder Obdachlosen? Dass es um andere Sorgen geht, nämlich der Politiker, wie das schleppende Geschäft einiger Unternehmensbranchen, um die Staatseinnahmen und Schulden, um die Konkurrenz gegen USA und China, um Macht und Einfluss in aller Welt, um Krieg und Frieden?

Ja, schon – aber der mündige Bürger übersetzt diese Diagnose der herrschenden Politiker in die Erklärung, warum es auch in seinem Alltag nicht so gut läuft. Und vor allem: Dass es wieder besser liefe, wenn die (richtigen) Politiker erfolgreich die großen Probleme in den Griff bekämen.

Wer oft sympathisch wirkt, wirkt oft sympathisch

Also präsentieren sich die Parteien als die beste Adresse, um Deutschland wieder nach vorn zu bringen. Das verpacken sie in Sprüchen, die nüchtern betrachtet die Intelligenz der Betrachter beleidigen. Aber die Mehrheit der Wähler sieht das nicht nüchtern, sondern schwankt zwischen kennerischem Abwinken und untertänigem Handeln: Was die Politiker da schon auf den Plakaten schreiben – wissen wir doch, dass das alles nur Gerede ist!

Entscheidend ist, dass regiert wird! Und da traut man der einen Partei mit ihren Kandidaten halt mehr zu als den anderen und macht brav sein Kreuz auf dem Wahlzettel.

Sympathie für solche Typen auf den Plakaten kann da schon ausreichen, um das Kreuzchen an einer bestimmten Stelle zu machen. Die Psychologie hat das messerscharf erkannt: "Es gibt den sogenannten Mere-exposure-effect, der besagt: Je häufiger wir eine Person oder auch ein Objekt sehen, umso sympathischer wird das für uns in unserer Wahrnehmung." Natürlich nur, wenn diese Person sympathisch wirkt.

Und dann, so die bahnbrechende Erkenntnis, würden solche Menschen dann eher gewählt als – aha – unsympathische, sagt der Psychologe Dominic Henning. Merke: Der oft sympathisch wirkt, wirkt oft sympathisch. Und wird dann eher gewählt als der, der nicht so sympathisch wirkt. Wer hätte das gedacht?

Erst die knackige Wahlbotschaft macht die sympathische Figur komplett

Selbstverständlich kommen so ziemlich alle Politiker auf den Wahlplakaten sympathisch rüber. Da haben die PR-Agenturen wieder einmal alles gegeben. Jedem von ihnen würde man sicher einen Gebrauchtwagen ohne Inaugenscheinnahme abkaufen. Sie alle tragen Verantwortung, sprich haben die Macht, oder wollen sie ganz dringend übernehmen. Wie mutig diese Leute doch sind, und wie die schauen.

Bei so vielen sympathischen Herrschaften fällt die Wahl natürlich schwer. Deshalb muss noch etwas hinzukommen, was sie unterscheidet: die Wahlbotschaften. Die fallen bei der kommenden Bundestagswahl wieder so nationalistisch, ideologisch, dreist und dümmlich aus wie bei ihren zahlreichen Vorläufern. Eine zwar nicht vollständige, aber aussagekräftige Auswahl:

"Für ein Land, auf das wir wieder stolz sein können" (Friedrich Merz, CDU)

Und dafür bitte schön die CDU wählen, soll die Botschaft lauten. Das erfüllt den Tatbestand des Einseifens: Der Wähler soll sich eine Verbesserung seiner Situation dadurch vorstellen, dass Deutschland wieder "wer ist in der Welt".

Das kann dann so ziemlich alles sein – konkurrenzlose Wirtschaft, die besten Autos, furchterregende Bundeswehr, dichte Grenzen, intakte Brücken, keine Staus auf Straßen, in Ämtern und Gerichten und natürlich demnächst wieder Fußballweltmeister! Ein spannendes Angebot für alle, die sonst herzlich wenig zum und vom Leben haben. Wenigstens geht es Deutschland gut! Darauf darf dann wirklich jeder stolz sein, mit und ohne Kapital. Und mit und ohne man etwas davon hat.

Wobei "Fleiß muss man wieder im Geldbeutel spüren" auf einem anderen CDU-Plakat steht. Stimmt: Die Unternehmer, deren Manager, die Banker, Spekulanten und Immobilienhaie bekommen für ihren Fleiß, aus Geld mehr Geld zu machen, wirklich viel zu wenig. Das muss einfach mehr belohnt werden, also Steuern runter!

Ach ja, das gemeine Volk darf sich auch etwas darunter vorstellen: Wenn es sich noch mehr von diesen Leuten benutzen und ausnutzen lässt, verdient es sich – ein Fleißkärtchen, mit persönlichem Dank von Friedrich Merz.

"Mehr für Dich. Besser für Deutschland" (Olaf Scholz, SPD)

Die Konkurrenz von der SPD kann das mit dem Einseifen auch, dreht das allerdings um: Wenn "mehr" für den Wähler herausspringe in seinem täglichen Kampf ums Geld, sei das auch "besser" fürs Land. Eine ziemlich dreiste – nennen wir es mal vorsichtig – Behauptung: Denn "besser" fürs Land war es und wird es in dieser Sorte Gesellschaft bleiben, wenn die abhängig Beschäftigten möglichst wenig verdienen und möglichst viel arbeiten.

In weiteren Plakaten konkretisieren die Sozialdemokraten ihre Flunkerei: mehr Wirtschaftswachstum, stabile Rente, mehr Kitas und Schulen, mehr Netto. Wieder mehr Unternehmen mit einem größeren Gewinn – für wen ist das wohl eine gute Nachricht? Die Rente ist nicht in Gefahr, spürbar zu steigen? Na danke! Mehr Möglichkeiten, Kinder unterzubringen, damit beide Elternteile malochen können, so sie denn eine Arbeit finden?

Und "mehr Netto" ist bei einer SPD, die in jahrelanger Regierungsverantwortung bis heute die Verarmung weiter Teile der Bevölkerung zugelassen und betrieben hat sowie mit der "Zeitenwende" ihres Spitzenkandidaten und aktuellen Bundeskanzlers Scholz Hundert Milliarden Euro und mehr in die Aufrüstung steckt, ein schlechter Witz.

Aber das kann die SPD: Den Schein erzeugen, für die kleinen Leute da zu sein. Und sie dann – aus der Regierung heraus – über den Tisch ziehen. Zum Wohle Deutschlands freilich.

"Zeit für Deutschland / Zeit, wieder stolz zu sein" (Alice Weidel, AfD)

Was CDU und SPD können, kann die AfD schon lange: Um Deutschland steht es schlecht. Also muss alles getan werden, damit es mit der Nation wieder aufwärtsgeht. Schwarz-rot-goldenen Stolz kennt diese Partei auch und ganz besonders.

Die sozialdemokratische Verrenkung macht sie allerdings nicht mit. Das Volk ist Deutschland, also ist es besser für das Volk, für Deutschland zu sein. So einfach der Gedanke, so bedrohlich die Konsequenzen für die Untertanen: Ranklotzen, damit aus der Nation wieder was wird. Klappe halten, wer dagegen ist.

Im Gegensatz zu den "Altparteien" thematisiert die AfD aber den Schlager des aktuellen Wahlkampfs, die "Migration", auf weiteren Plakaten – "Zeit, Illegale abzuschieben / für sichere Grenzen". Damit ist zumindest ein möglicher Streitpunkt bei etwaigen Koalitionsverhandlungen ausgeräumt.

Und der gute Deutsche weiß: Hergelaufenen ohne deutschen Pass und ohne Geld und Arbeit ergeht es hier schlecht! Aber ein wenig muss man sich um den Wahlerfolg der AfD sorgen. Denn das mit den Grenzen und mit "Deutschland (wieder) über alles" wollen auch die Konkurrenten. Doch die AfD hat ein Plus: Ihre Alice Weidel kommt wirklich super sympathisch rüber!

"Unser Land wünscht sich Frieden/weniger Migration" (Sahra Wagenknecht, BSW)

Woher das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) diese Erkenntnis hat? Egal. "Unser Land" steht dreist dafür, was das BSW als wichtig für Deutschland erachtet. Die "alten Parteien sind taub" beziehungsweise "haben versagt", heißt es unter den großen Schlagzeilen auf den Plakaten.

Da muss eben die extrem sympathische Sahra ran. Die weiß, welches Interesse die deutsche Nation wirklich vertreten sollte: die nach Frieden und Zusammenarbeit mit Russland, die nach mehr Macht Deutschlands in und für Europa, um gegen die Übermacht der USA zu bestehen.

Darin stimmt sie mit Kollegin Weidel von der AfD überein. Das Land schadet sich, indem es den US-Amerikanern bedingungslos folgt. Es schadet sich auch, zu viele Geflüchtete aufzunehmen. Die meisten kann man eben für das Erfolgsprojekt "Weltmacht Deutschland" nicht gebrauchen. Sie kosten nur und bringen den aufrechten Deutschen unnötig auf.

Anders als die AfD reitet Wagenknecht aber auf dem SPD-Wahlzugpferd: Rente und Wohnungen thematisieren die Plakate, Kitas, Lehrer und Ärzte ebenfalls. Allerdings steht beim BSW überall ein "mehr" davor. Das muss man einer Wahlanfängerin halt nachsehen – solche Versprechen sollte man lieber nicht machen.

Obwohl, in einer Koalition geht dann das doch irgendwie nicht. Und wie genau das "mehr" zu verstehen ist, hat das BSW auch nicht gesagt. Das hat sie von der SPD immerhin schon gelernt.

"Zuversicht. Ein Mensch. Ein Wort" (Robert Habeck, Bündnis 90/Die Grünen)

Schön. Der Mann hat Zuversicht. Er ist ein Mensch. Er kann reden, also mindestens ein Wort! Warum noch mal soll man ihn und seine Partei wählen? Vielleicht weil dieses Wort und das – selbstverständlich schwer sympathische – Antlitz auf den Betrachter in den zwei bis vier Sekunden ausstrahlen, in denen er das Plakat wahrnimmt. Sodass dieser auch "Zuversicht" empfindet, für sich, für Deutschland, die Welt und alles.

Und dass der Robert dann vollgepumpt mit seiner Zuversicht, der Richtige für Deutschland zu sein – der Mann ist schließlich Kanzlerkandidat – ans Werk gehen kann. Weil die Wahl auf ihn fällt, was sonst!

Die Methode setzt die "Das wird Russland ruinieren"-Außenministerin Annalena Baerbock mit "Zusammen. Ein Mensch. Ein Wort" fort. Möglichst alle Bürger für Russenhass und Israel-Liebe – kann es ein schöneres Zusammen geben? Das Plakat "Frieden in Freiheit: Sichern!" sekundiert dieser Sehnsucht vortrefflich.

Einen Frieden kann es nur zu den Bedingungen des Westens geben. Solange die nicht erfüllt sind, herrscht, leider, leider, Krieg in der Ukraine. Denn dort wird die "Freiheit" verteidigt. Sie ist offenbar mehr wert als das Leben zigtausender Menschen. Und diesen Zustand "sichern" die Grünen in der Bundesregierung guten Gewissens mit ihren Waffenlieferungen und der größten Aufrüstung seit Gründung der Bundesrepublik.

"Vater Staat ist nicht Dein Erziehungsberechtigter" (Christian Lindner, FDP)

Nicht? Schreibt "Vater Staat" nicht die Umgangsformen in der Gesellschaft vor? Gebietet und verbietet er nicht, mit Gesetzeswerken, zu deren Wissen und Anwendung es einen eigenen Berufsstand geben muss, so umfangreich sind die? Dass man nur mit Geld existieren kann, und man daran entweder mit Eigentum an Produktionsmitteln oder, weniger angenehm, mit dem Verkauf seiner Arbeitskraft gelangt?

Dass er empfindliche Strafen verhängt, wer sich an dieser Regel vergeht? Dass er auch dem privaten geschlechtlichen Miteinander der Bürger Vorschriften macht, mit Gesetzen zu Ehe und Lebensgemeinschaften, zu Abtreibung, Scheidung und Pflegerechten für Kinder? Und dass er gerade sein Volk zur Kriegstüchtigkeit erziehen will?

So meint die FDP das natürlich nicht. Das wären ja glatt Erkenntnisse, die die Wirklichkeit in Deutschland abbilden. Lieber bemühen die Liberalen ihren alten Kalauer aufs Neue: Wenn der Staat sich weniger in den täglichen Konkurrenzkampf im Volk einmischt, ist das immer besser. Am besten nur ganz geringe Sozialleistungen, und eine so tolle Wirtschaft wie in Deutschland braucht auch nicht so viele Subventionen wie aktuell. Spart dem Staat eine Menge Geld für die Erziehung.

Und diese Gedankenkette soll in ein paar Sekunden ausgelöst werden, wenn man das FDP-Plakat liest? Da funktioniert ein anderes Plakat der Liberalen besser: "Alles lässt sich ändern". Durch eine Bundestagswahl zwar sicher nicht. Da gibt es andere Mittel. So will die FDP ihren Spruch jedoch gewiss nicht verstanden wissen.

"Ist Dein Einkauf zu teuer, macht ein Konzern Kasse" (Die Linke)

Ach was, möchte man mit Loriot antworten. Und stell Dir vor, liebe Linke, das macht der Konzern auch, wenn der Einkauf nicht zu teuer ist! Das nennt sich Kapitalismus, und da zieht das Handelskapital à la Aldi, Lidl, Netto, Penny auch aus der Armut der Leute Gewinn. Von dieser trostlosen Sorte sind die weiteren Wahlbotschaften: "Ist Deine Miete zu hoch, freut sich der Vermieter."

Der freut sich grundsätzlich, weil die Wohnung Profit zu bringen hat und entsprechend die Miete kalkuliert ist. "Ist Deine Heizung zu teuer, macht jemand richtig Kohle" – der gleiche Fehler: Der Energielieferant preist seinen Gewinn immer ein. Augenscheinlich kann sich Die Linke mit Aldi, Vonovia, E.ON & Co anfreunden, wenn sie es nur mit den Preisen nicht übertreiben!

Aber Die Linke kann auch anders: "Ist Dein Dorf unter Wasser, steigen Reiche auf die Jacht." Was jetzt – mehr Hochwasserschutz und weniger Jachten? Oder mehr Dörfer und weniger Reiche? Ähnlich scharfsinnig zeigt sich Die Linke beim Thema Frieden: "Frieden kostet Mut, Krieg kostet Leben".

Also, liebe Nato einschließlich Deutschland: Nicht so ängstlich, der Frieden beißt nicht! Und wusstet ihr schon: Im Krieg sterben Menschen! Es ist zu befürchten, dass das nichts mit dem Überspringen der Fünf-Prozent-Hürde wird. Doch tröstet Euch, Linke: An Euren Wahlsprüchen liegt das nicht. Die sind ähnlich grauenvoll wie die der Konkurrenz. Euer Problem: Ihr seid einfach nicht sympathisch.

Das Beste zum Schluss: der Fall "Die Partei"

Auch "Die Partei" tritt bei der Bundestagswahl an. Einige Wahlbotschaften fallen aus dem Rahmen, zum Beispiel: "Kein Weltkrieg ohne Deutschland" oder, unter einem Foto von Christian Lindner, "Deutschlands frechster Arbeitsloser".

Dem Amt Peitz (Landkreis Spree-Neiße) platzte nun der Kragen. Es hängte nach Bürgerbeschwerden Plakate der "Partei" ab.

Konkret geht es um Plakate mit drei verschiedenen Motiven: einerseits ein Plakat mit der Aufschrift "Fickt euch doch alle!" vor einem Hintergrund aus Regenbogenfarben, ein weiteres Plakat mit der Darstellung eines Tampons und der Aufschrift "Feminismus, Ihr Fotzen" und ein Plakat, das ein Kleinkind an einem Gewehr zeigt und das mit "Kinder stark machen" überschrieben ist

RBB

Die Motive gefährdeten die öffentliche Ordnung, weil von diesen eine "unsittliche und verrohende Wirkung" auf die betrachtenden Personen ausgehen kann. Die Plakate seien geeignet

das moralische Empfinden weiter Teile der Bevölkerung drastisch zu verletzen (…) Besonderen Anstoß nimmt das Amt offenbar an dem Plakatmotiv, das ein Kleinkind mit Waffe zeigt. Dieses Plakat vermittele Kindern und Jugendlichen die Botschaft, dass Stärke nur durch Waffenbesitz und Gewaltbereitschaft erlangt werden könne (…) Dass ein möglicherweise beabsichtigter Satire-Ansatz erkannt würde, sei dagegen eher zu bezweifeln.

Amt Peitz, RBB

Da hat das Amt schon recht: "Kinder stark machen an einem Gewehr" ist keine Satire. Sondern ein wichtiger Beitrag zur Kriegstüchtigkeit, an der es laut Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) den Deutschen fehlt. Dass sich der Minister in Peitz soeben eingeschaltet hat, ist bisher nicht bekannt – aber dringend nötig! .