Bundeswirtschaftsminister unter Druck: Plagiatsvorwürfe wegen Robert Habecks Dissertation
Hat er unsauber gearbeitet? Habeck wehrt sich. Bild: penofoto/ Shutterstock.com
Skandal im Wahlkampf? Plagiatsprüfer Stefan Weber erhebt Vorwürfe gegen Grünen-Politiker. Hat er getäuscht? Der Minister wehrt sich und bekommt Beistand.
Der österreichische Plagiatsprüfer Stefan Weber hat schwere Vorwürfe gegen die Doktorarbeit von Bundeswirtschaftsminister und Kanzlerkandidat Robert Habeck (Grüne) erhoben. In der Dissertation mit dem Titel Die Natur der Literatur habe Habeck auf "geradezu unglaubliche Weise eine Belesenheit vorgetäuscht, die er nicht hat", schrieb Weber am Montag in seinem Blog.
Der inzwischen zum bundespolitischen Spitzenpolitiker aufgestiegen habe "dutzende Werke, die er zitiert hat, aus anderen, an Ort und Stelle ungenannten Quellen abgeschrieben und damit gegen eine wichtige Grundregel der Buchwissenschaften verstoßen", so Weber weiter.
Der Plagiatsprüfer behauptete, Habeck habe "direkte Zitate mitplagiiert, und vor allem: Er hat auch Fließtext plagiiert". Eine Bestätigung eines Plagiierten, des deutschen Philosophen Günter Wohlfart, liege laut Weber vor.
In seinem fast 190-seitigen, detaillierten Bericht stellt Weber zahlreiche Stellen in Habecks Arbeit infrage. Insgesamt dokumentiert der Bericht auf 188 Seiten eine Vielzahl von Textstellen, bei denen Weber von Plagiaten ausgeht. Teilweise beziehen sich die Vorwürfe aber auch auf Flüchtigkeitsfehler.
Der Österreicher und sein Team führen in dem frei einsehbaren Bericht Dutzende Beispiele auf, die belegen sollen, wie Habeck systematisch Textpassagen und Quellenangaben von anderen Autoren übernommen hat, ohne dies kenntlich zu machen.
An einer Stelle schreibe Habeck "von Otto (Detlef Otto, Philosoph) ab, aber dreht das direkte Zitat von Hamann (Johann Georg Hamann, Philosoph) um", heißt es etwa auf eine Stelle auf den Seiten 58 und 59. Originaltext und übernommenes Zitat seien nahezu identisch. Auch Quellenverweise habe Habeck laut Weber oft fast wortgleich kopiert, ohne die Primärquellen selbst geprüft zu haben: "Zu den drei Zitierfehlern, die Habeck von Tilliette (Xavier Tilliette, Theologe) abschreibt, fügt er noch einen vierten Zitierfehler hinzu", so Weber auf Seite 76.
Auch leichte Umformulierung ohne Quelle
Der Bericht zeigt auch Fälle, in denen Habeck Textpassagen leicht umformuliert hat, ohne die eigentliche Quelle zu nennen: "Habeck hat die Idee übernommen und die über 1.000 Seiten der 2. Ausgabe von Hölderlin (Friedrich Hölderlin, Dichter) wohl nicht konsultiert, sondern die Quellenangaben von Bennholdt-Thomsen (Anke Bennholdt-Thomsen, Literaturwissenschaftlerin) abgeschrieben." (Weber, S. 89) Selbst aus der unveröffentlichten Dissertation eines Kommilitonen, Tobias Tunkel, soll Habeck abgeschrieben haben (Weber, S. 73).
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Insgesamt zeichnet der Bericht das Bild einer Doktorarbeit, die zu wesentlichen Teilen durch nicht gekennzeichnete Übernahmen fremder Leistungen zustande gekommen ist. Weber resümiert: "Es finden sich in der Dissertation von Robert Habeck mannigfaltige Quellen- und Zitatsplagiate sowie Textplagiate." Die Quellenarbeit von Robert Habeck ist in Summe als verfehlt und unwissenschaftlich zu bezeichnen."
Bezug auf Urteil aus Schavan-Prozess
Weber betonte, Habeck habe sich einer Zitierweise bedient, die laut einem Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf aus dem Jahr 2014 als Täuschung zu werten sei. Das Gericht hatte damals zur Aberkennung des Doktorgrads von Annette Schavan (CDU) geurteilt, dass die Übernahme von Inhalten aus Sekundärquellen immer einzeln belegt werden müsse. Dies sei bei Habeck nicht geschehen.
Weber geht davon aus, dass gegen ihn nun Vorwürfe der Beeinflussung des Bundestagswahlkampfes erhoben werden. Es hieße dann etwa, "wir publizieren das vor den Wahlen – also kann der Vorwurf nicht stimmen". Tatsächlich, so gesteht Weber ein, bekomme vor den Wahlen "maximal Aufmerksamkeit für das immer gleiche Problem bei Qualifikationsschriften". Mit der Recherche zu Habeck habe er und sein Team "nachweislich" begonnen, bevor die Neuwahlen beschlossen wurden.
Weber rechnet nach eigenen Aussagen mit Gegenargumenten; etwa, dass die Vorwürfe unzutreffend seien, weil sie einen Grünen-Politiker beträfen. Auch Beschwichtigungen, die kritisierte Zitierweise sei vor 25 Jahren normal gewesen, erwarte er.
Die Universität Hamburg soll, so Habeck, die Arbeit bereits geprüft und darin kein wissenschaftliches Fehlverhalten erkannt haben. Habeck selbst veröffentlichte ein Video, in dem er Webers Vorwürfe zurückwies. Die Prüfung durch die Uni habe ergeben, dass weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gegen Standards verstoßen worden sei. Tatsächlich heißt es in einer Stellungnahme der Universität Hamburg:
Im Ergebnis wurde festgestellt, dass gemäß den Regeln der UHH kein wissenschaftliches Fehlverhalten vorliegt, da weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gegen die Standards der guten wissenschaftlichen Praxis verstoßen wurde. Die Eigenständigkeit der Forschungsleistung, die die Dissertation von Dr. Robert Habeck darstellt, wurde durch dieses Prüfungsergebnis bestätigt.
Für die Grünen und Habeck persönlich sind die Anschuldigungen in jedem Fall unangenehm – zumal der Wahlkampf bereits begonnen hat. Die politischen Gegner könnten versucht sein, die Causa im Kampf um Stimmen zu instrumentalisieren.
Auch jetzt wurden die Vorwürfe von grünenkritischen Medien aufgegriffen, die oft der politischen Rechten angehören. Auf der anderen Seite positioniert sich etwa die Onlineredaktion der Tagesschau, die umgehend Habecks Dementi zum Thema machte und Weber wenig distanziert als "selbsternannten Plagiatsjäger" und "umstrittene österreichische Plagiatssucher" bezeichnete.