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CDU-Spendenaffäre: Von schwarzen Kassen, Geheimnissen und dem Erbe Wolfgang Schäubles

Wolfgang Schäuble (1942-2023). Bild: Oliver Mark, CC BY-SA 4.0

Wolfgang Schäubles Karriere war auch von Machenschaften geprägt. Vor allem von der Spendenaffäre. Es gab noch andere Verantwortliche, wie ein Interview aus 2004 zeigt.

Wenig Negatives wurde über Wolfgang Schäuble nach seinem Tod am Dienstag dieser Woche geschrieben. Über Tote (fast) nur Gutes, galt auch hier. Ein wenig in Vergessenheit scheint das Motto des Verstorbenen und des ehemaligen Bundeskanzlers, Vorgesetzten und Parteifreund Helmut Kohl: "De donatoribus nil nisi bene. Über Spender nichts Schlechtes.

Eigentlich sogar überhaupt nichts: Nach der CDU-Parteispendenaffäre behielten beide Christdemokraten, allen voran Kohl, Details zu den Zuwendungen, Geldgebern und möglichen Deals für sich.

Die CDU-Spendenaffäre hatte Ende der 1990er-Jahre die deutsche politische Landschaft Deutschlands erschüttert. Der Skandal drehte sich um illegale Parteispenden, die die CDU in den Jahren 1991 bis 1999 entgegengenommen hatte. Eine Schlüsselfigur war Wolfgang Schäuble, damals Generalsekretär der CDU und später Bundesinnenminister. Schäuble ist nun im Alter von 81 Jahren gestorben.

Die Affäre nahm ihren Lauf, nachdem enthüllt wurde, dass die CDU erhebliche Geldsummen aus schwarzen Kassen erhalten hatte. Diese nicht deklarierten Gelder stammten von Unternehmen und Einzelpersonen, die ihre Identität verschleierte. Sie flossen unter anderem in den Wahlkampf der Partei. Der Vorwurf lautete auf Verstoß gegen das deutsche Parteispendengesetz, da die Herkunft der Spenden nicht offengelegt wurde.

Wolfgang Schäuble trug als Generalsekretär der CDU die politische Verantwortung für die Vorgänge in der Partei. Im Februar 2000 übernahm er die Konsequenzen und trat als CDU-Vorsitzender zurück. Schäuble betonte stets, erst nachträglich von den illegalen Spenden erfahren zu haben, und bestritt jegliches Wissen oder Beteiligung an unrechtmäßigen Machenschaften.

Die Affäre hatte weitreichende politische Folgen. Mehrere führende CDU-Politiker traten ebenfalls zurück, und es wurden Ermittlungen eingeleitet. Obwohl Wolfgang Schäuble selbst nicht strafrechtlich belangt wurde, prägte die Spendenaffäre sein politisches Erbe.

Sie trug dazu bei, die Diskussion über Transparenz in der Parteienfinanzierung zu intensivieren und führte zu verstärkten Bemühungen um Reformen in diesem Bereich. Insgesamt hatte die CDU-Spendenaffäre einen nachhaltigen Einfluss auf die deutsche politische Kultur und die Wahrnehmung von Parteienfinanzierung.

Journalisten und politische Beobachter gehen davon aus, dass die Spenden politische Entscheidungen der CDU beeinflussten. Die Gelder, die über Schweizer Konten flossen, wurden unter anderem für den Wahlkampf und andere politische Aktivitäten verwendet. Als die Affäre aufflog, führte sie zu politischen Konsequenzen, Rücktritten von führenden CDU-Politikern und Ermittlungen.

Im Dezember 2000 verlor die CDU aufgrund der illegalen Spenden 7,7 Millionen D-Mark aus der staatlichen Parteienfinanzierung. Kohl verweigerte sich trotz dieser Konsequenzen weiterhin, die Namen der Spender zu nennen.

Warum Helmut Kohl nicht in Beugehaft kam

Als Geschädigte hätte die CDU Kohl in Beugehaft nehmen lassen können, um ihn zur Namensnennung zu zwingen. Die Partei verzichtete jedoch auf diesen Schritt. Mitte Januar des Jahres 2000 trat Kohl als CDU-Ehrenvorsitzender zurück.

Zu der kriminellen Struktur um Kohl und Schäuble gehörte auch Holger Pfahls. Der CSU-Politiker war in den 1990er-Jahren auch für einige Zeit Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium unter Minister Volker Rühe.

Pfahls geriet ins Visier der Ermittlungen, weil er im Jahr 1991 von dem Waffenhändler Karlheinz Schreiber eine Million Mark erhalten hatte. Es wurde angenommen, dass dies als Gegenleistung für die Vermittlung von Rüstungsaufträgen gedacht war. Pfahls wurde deswegen im Zusammenhang mit Bestechlichkeit und Steuerhinterziehung angeklagt.

Staatssekretär Pfahls in Haft

Im Jahr 2001 wurde Pfahls in Paris festgenommen, nachdem er sich mehrere Jahre der Fahndung entzogen hatte. 2003 wurde er in Deutschland zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Seine Verurteilung trug dazu bei, die Verwicklungen der CDU in die Parteispendenaffäre zu beleuchten und legte einen Teil der fragwürdigen Finanzpraktiken offen, die zu einem Umdenken in der deutschen Parteienfinanzierung führten.

Mitte August 2004, sprach Telepolis mit dem damaligen grünen Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele. Ströbele, der Ende August vergangenen Jahres verstorben ist, gehörte zu den vehementesten Aufklärern der CDU-Parteispendenaffäre. Im Interview mit Telepolis sprach er über die Auslieferung von Pfahls und die Position der damaligen CDU-Generalsekretärin, Angela Merkel. Merkel übernahm im Jahr darauf das Amt der Bundeskanzlerin.

Hans-Christian Ströbele im August 2004 zur CDU-Spendenaffäre

CDU-Generalsekretärin Angela Merkel wirkt vor der Auslieferung des ehemaligen Staatssekretärs Holger Pfahls nach Deutschland recht gelassen. Seine Aussagen würden nichts Neues in Bezug auf die Parteispendenaffäre der CDU/CSU erwarten lassen, sagt Frau Merkel. Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie diese Einschätzung nicht teilen?
Absolut. Ein solches Urteil ist Unsinn, weil Frau Merkel die Aussagen von Herrn Pfahls doch wohl bisher nicht kennen kann. Tatsache ist, dass es sich bei Herrn Pfahls um ein CSU-Mitglied und einen Mitarbeiter der damaligen Unions-Bundesregierung handelt, der Anfang der Neunzigerjahre in höchstem Maße in den Panzerdeal der Firma Thyssen mit Saudi-Arabien verstrickt war. Bei diesem Geschäft sind nachweislich 220 Millionen D-Mark (112,5 Mio. Euro) an "nützlichen Aufwendungen" geflossen.
Schmiergelder?
So ist es auch; für Bestechung, Schmieren und Provisionen. Und auch Frau Merkel wird nicht bestreiten, dass aus diesen Aufwendungen der Betrag von einer Million D-Mark (511.000 Euro) auf die Schwarzkonten der CDU geflossen sind. Dies wurde im Laufe des inzwischen abgeschlossenen parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Spendenaffäre festgestellt.
Es besteht also eine direkte Verbindung zwischen Pfahls' Strafsache und der Spendenaffäre?
Das ist richtig.
Auch der frühere Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, Volker Neumann (SPD), geht von neuen Erkenntnissen durch die Aussagen von Holger Pfahls aus, weil dieser umgerechnet nur 1,9 Millionen Euro erhalten habe, "und niemand für diese Summe untertaucht". Ist eine solche Hypothese nicht etwas dünn, um einen neuen Untersuchungsausschuss zu fordern?
Ich bin mir mit eigentlich allen Kennern aus der SPD- und meiner Fraktion einig, unter welcher Voraussetzung ein neuer Untersuchungsausschuss eingerichtet werden sollte. Der alte Ausschuss hat auf der damaligen Faktenbasis seine Untersuchungen abgeschlossen und konnte, wie allgemein bekannt sein dürfte, in einigen wichtigen Fragen zu keinem Ergebnis kommen.

Es müsste also ein neuer Ausschuss eingerichtet werden, unter Umständen auch mit neuen Mitgliedern. Das kommt aber nur dann in Betracht - wird dann aber auch zwingend notwendig -, wenn Herr Pfahl eine umfassende Aussage macht. Es würde nicht genügen, wenn er nur seine Schuld eingesteht oder seine Unschuld beteuert. Im Falle einer Aussage aber kämen wir an einem neuen Untersuchungsausschuss gar nicht vorbei, denn Herr Pfahl gehört unbestritten zu den Leuten, die über wesentliche Fragen Auskunft geben können, an denen der alte Ausschuss gescheitert ist.
Mal konkreter: Um welche neuen Erkenntnisse geht es?
Vor allem um den angesprochenen Panzerdeal mit Saudi-Arabien. Herr Pfahl war in diesen Geschäftsvorgang von Anfang an involviert. Er weiß um die Kenntnisse der anderen Regierungsstellen, von Ministern der damaligen Regierung und vor allem des Kanzleramts. Herr Pfahls spielt aber auch in der Affäre um Schmiergeldzahlungen bei der Privatisierung der Leuna-Raffinerien eine Rolle. Auch dort soll er vermittelnd tätig gewesen sein.
Was aber, wenn Herr Pfahls trotz all dieser nachgewiesenen Verbindungen von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht - so wie Helmut Kohl und andere?
Das kann er natürlich. Herr Pfahls wird sich nach seiner bevorstehenden Auslieferung aber einer bereits zugelassenen Anklage vor der Staatsanwaltschaft Augsburg stellen müssen. Er braucht dort auch keine Silbe zu sagen. Allerdings gehe ich davon aus, dass er selbst ein Interesse hat auszusagen. Würde er der Anklage entsprechend verurteilt, drohte ihm eine erhebliche Freiheitsstrafe. Allen Erfahrungen nach fördert eine solche Perspektive die Auskunftsbereitschaft.
Aus der Union, aber auch aus der FDP-Bundestagsfraktion wurden Sie wegen der Forderung nach einem neuen Ausschuss als "unseriös" bezeichnet. Müssten Sie nicht tatsächlich zunächst die Aussagen von Holger Pfahls abwarten?
Die Forderung aus den Fraktionen der Grünen und der SPD nach einem neuen Untersuchungsausschuss war immer an die Bedingung geknüpft, dass Herr Pfahls eine Aussage macht. Ich habe aber volles Verständnis, dass keine der Parteien, die an der damaligen Bundesregierung beteiligt waren, heute ein Interesse daran haben, die Untersuchungen neu aufzurollen – wenn neue Erkenntnisquellen zur Verfügung stehen.

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