CIA-Chef Burns: Ausgang Ukraine-Krieg entscheidet sich in nächsten sechs Monaten

Unterstützung der USA für einen langen Krieg ist nicht unbedingt garantiert. Angebliches Verhandlungsangebot an Moskau und Kiew. Gespaltene Lager in Washington, auch wenn es um die Krim geht.

Militärisch kommt es im Ukraine-Krieg auf das nächste halbe Jahr an, prophezeite CIA-Chef William Burns bei einer Diskussionsveranstaltung am gestrigen Donnerstag: "Der Schlüssel wird in den nächsten sechs Monaten auf dem Schlachtfeld liegen, so scheint es uns."

Das kann man als Bekräftigung dafür verstehen, dass für Burns an der militärischen Lösung des Konflikts kein Weg vorbeiführt. Zumal er nicht davon ausgehe, dass es der russische Präsident mit Verhandlungen ernst meine, "auch wenn man das manchmal hört". Auch schlägt der CIA-Chef einen entschiedenen Ton an, wenn es darum geht, Russland militärisch Grenzen aufzuzeigen:

Wir müssen Putins Hybris brechen und ihm klarmachen, dass er nicht nur nicht weiter in der Ukraine vordringen kann, sondern dass er mit jedem Monat mehr und mehr Gefahr läuft, das Gebiet zu verlieren, das er der Ukraine bisher unrechtmäßig entrissen hat. (…) Ich denke, die nächste Zeit wird absolut entscheidend sein.

William Burns

Wenn man seinen weiteren Ausführungen folgt, so deuten sich aber auch Begrenzungen auf Seiten der USA an und es kommt der Gedanke auf, dass der Zeitraum, den Burns auslegt, auch als Frist zu verstehen sein könnte. Sprich: Die Unterstützung der USA für einen langen Krieg ist nicht unbedingt garantiert?

So geht Burns auf Interessensfelder außerhalb der Ukraine ein, die für die USA von Bedeutung sind, um ihr geopolitisches Standing zu behaupten.

Das ist allen voran die Auseinandersetzung mit dem Großrivalen China ("die größte geopolitische Herausforderung in den kommenden Jahrzehnten"), dann Iran und der Nahen Osten, gerade bei letzterem Problemgelände beschreibt er sehr klar, dass es sich um eine wichtige, aber nicht einfache Einflusssphäre handelt:

Ich glaube, dass der Nahe Osten mit Blick auf das Jahr 2023 - und meine jüngste Reise hat dies bestätigt - auch für die amerikanischen Entscheidungsträger eine besonders komplizierte Herausforderung darstellen wird.

Walter Burns

Geht es nach Informationen der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ), so will US-Präsident Joe Biden einen "langwierigen Krieg in der Ukraine vermeiden", und Biden sei "mit seiner Haltung in Washington nicht allein".

Verhandlungsangebot

Als aussagekräftiges Indiz dafür berichtet die NZZ von einem Verhandlungsangebot, das CIA-Chef William Burns im Auftrag Bidens an Moskau und Kiew richtete:

Das Angebot an Kiew habe gelautet: Frieden gegen Land, das Angebot an Moskau: Land gegen Frieden. Bei dem "Land" soll es sich um ungefähr 20 Prozent des ukrainischen Territoriums gehandelt haben. Das ist etwa die Größe des Donbass.

NZZ

Beide Seiten hätten abgelehnt, so die Schweizer Zeitung. Als Quelle dieser Insider-Info nennt die NZZ zwei einflussreiche Außenpolitiker, "einer aus der Regierungskoalition, der andere aus der Opposition". Beide würden auf Anonymität bestehen, "weil das, was sie unabhängig voneinander sagen, brisant ist".

Kreml-Sprecher Peskow dementierte allerdings Berichte, wonach CIA-Direktor William Burns Russland 20 Prozent des ukrainischen Territoriums angeboten habe; es habe auch keinen Besuch Burns in Moskau gegeben, berichtet Ria Nowisti heute.

Ist das Verhandlungsangebot also nur eine Fiktion? Oder will Moskau das Nein zum Angebot aus politischen Gründen nicht offiziell eingestehen, um weiter die Position zu halten, dass es von der anderen Seite keine Bewegung Richtung Verhandlungen gibt?

Die Lager im Weißen Haus

Die Aussagen der vertraulichen Quellen gegenüber der NZZ umfassen noch mehr als lediglich das Verhandlungsangebot, so zum Beispiel eine grobe Skizze der Lager in der US-Regierung:

Auf der einen Seite, so schildern es die beiden deutschen Abgeordneten, stünden der Sicherheitsberater Jake Sullivan und der CIA-Chef Burns. Sie wollten den Krieg schnell zu Ende bringen, um sich auf China fokussieren zu können. Auf der anderen Seite stünden Außenminister Antony Blinken und Verteidigungsminister Lloyd Austin. Sie wollten Russland nicht durchgehen lassen, die regelbasierte Friedensordnung zu zerstören, und plädierten für eine massive militärische Unterstützung der Ukraine.

NZZ

Auch die Washington Post stellt CIA-Chef William Burns ins Lager derjenigen, die auf Grenzen der US-Unterstützung pochen. So soll Burns laut ungenannten Quellen, die bei seinem Besuch in Kiew Mitte Januar zugegen waren, Selenskyj gegenüber die "Dringlichkeit des Augenblicks auf dem Schlachtfeld" betont haben und darauf verwiesen haben, dass es "irgendwann schwieriger werden würde, Hilfe zu bekommen".

Rückeroberung der Krim

Geht es nach Informationen der US-Publikation Responsible Statecraft, die USA-amerikanischen Interventionen kritisch auf den Zahn fühlt, so zeigen sich die Grenzen des US-amerikanischen Engagements insbesondere, wenn es um das Kriegsziel der Rückeroberung der Krim geht.

Erwähnt wird in diesem Zusammenhang auch ein Bericht des einflussreichen US-Thinktanks Rand mit den Titel "Avoiding a Long War". Darin heißt es: Dass es nicht nur um die Minimierung der Risiken einer größeren Eskalation gehe, sondern auch um Interessen der USA, denen "am besten gedient wäre, wenn ein langwieriger Konflikt vermieden würde".

Die Kosten und Risiken eines langen Krieges in der Ukraine sind erheblich und überwiegen die möglichen Vorteile einer solchen Entwicklung für die Vereinigten Staaten. Obwohl Washington die Dauer des Krieges nicht selbst bestimmen kann, kann es Schritte unternehmen, die ein Ende des Konflikts auf dem Verhandlungswege wahrscheinlicher machen.

Rand Corporation

Bei einem langen Krieg "könnte die Intensität der militärischen Unterstützungsbemühungen unhaltbar werden". Auch heißt es, dass es europäische und US-amerikanische Waffenbestände "Berichten zufolge zur Neige gehen".

Ein aktueller Tagesschau-Bericht zu Panzerlieferungen erwähnt Probleme bei der Munitionsbeschaffung, die offenbar durch die Weigerung des brasilianischen Präsidenten Lula hier auszuhelfen, noch deutlicher geworden sind.

Der Ausblick von Responsible Statecraft dazu lautet:

In all diesen Fragen könnte sich in aller Stille ein Konsens abzeichnen, dass die Krim militärisch nicht zurückerobert werden kann, dass es eine zeitliche Begrenzung für Waffenlieferungen des Westens geben könnte und dass nach einem ausgehandelten Ende des Krieges ein Frieden aufrechterhalten werden könnte, ohne dass die Ukraine der Nato beitritt. Die täglichen Entwicklungen können natürlich jederzeit eine andere Richtung einschlagen.

Responsible Statecraft

Mitte Januar hatte die New York Times noch berichtet, dass die Regierung Biden erwäge, dass Kiew die militärische Power brauche, um die Krim anzugreifen. Es scheint, als ob die derzeitige Entwicklung andere Auspizien befördert.