CO2-Mangel: Jetzt werden auch Bier, Käse und Joghurt knapp
Steigende Preise für Lebensmittel und Mangellagen in Deutschland. Ein Grund dafür: Es fehlt an Kohlendioxid. Bayerns Wirtschaftsminister fordert Bund auf, endlich zu handeln und wichtige Branchen am Laufen zu halten.
Die extreme Inflation in Deutschland ist kein vorübergehendes Phänomen. Das lässt sich an den Erzeugerpreisen ablesen, die in den nächsten Wochen und Monaten auch an der Ladentheke ankommen dürften.
Im Schnitt stiegen die Erzeugerpreise im August um 45,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Das ist der höchste Anstieg seit Beginn der Erhebung im Jahre 1949, erklärte das Statistische Bundesamt am Dienstag.
Preistreiber waren primär Strom und Gas. Die Strompreise stiegen um bis zu 278,3 Prozent, die Gaspreise um bis zu 269,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Bei den Lebensmitteln macht sicher dieser Anstieg längst bemerkbar. Im Schnitt waren sie 22,3 Prozent teurer als im Vorjahr. Besonders hoch war die Teuerung bei Butter (+74,6 Prozent), pflanzliche Öle (+51,4 Prozent), Milch (+35,3 Prozent) und Kaffee (+32,5 Prozent).
In den letzten Monaten hatten sich Politiker darum bemüht, den Menschen in der Bundesrepublik Tipps zu geben, wie man Energie sparen kann. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann hatte den Leuten zum Beispiel in seiner "Cleverländ"- Kampagne erklärt, dass man abends auch die Heizung abdrehen könne.
Hatte man sich davon schon veralbert gefühlt, wird dieses Rad jetzt weitergedreht: Der Norddeutsche Rundfunk (NDR) erklärt, wie man beim Einkaufen von Lebensmitteln und beim Kochen sparen kann.
Lebensmittelindustrie auf knappes Kohlendioxid angewiesen
Doch die Menschen in Deutschland sind nicht nur mit hohen Preisen bei Lebensmitteln konfrontiert, es könnte auch sein, dass sie bald ein Mangel hinzugesellt. Ein Grund dafür ist Kohlendioxid, das in zahlreichen Bereichen der Nahrungsproduktion notwendig ist:
[…] als Betäubungsgas für Schweine, fürs Haltbarmachen von Frischware, für das Zapfen von Getränken in der Gastronomie, für die Kühlung mit Trockeneis oder zur Reifung von Gemüse in Gewächshäusern.
Handelsblatt, 19.09.2022
Der CO₂-Mangel ist eine Folge der Gaskrise: Kohlendioxid fällt bei der Produktion von Kunstdünger als Abfallprodukt an, für die allerdings Erdgas benötigt wird. Weltweit hätten einige Düngerhersteller die Produktion gedrosselt oder ganz eingestellt, heißt es im Handelsblatt, weil die hohen Gaspreise die Produktion unwirtschaftlich machen.
Mindestens 70 Prozent der Kapazitäten für Stickstoffdünger in Europa sind inzwischen gedrosselt oder komplett heruntergefahren, wie aktuelle Werte des Branchenverbands Fertilizers Europe (FE) und des Marktforschers ICIS zeigen. Der größte deutsche Ammoniakhersteller SKW Piesteritz aus Wittenberg hatte den Betrieb für mehrere Wochen gestoppt, BASF fährt die Produktion ebenfalls herunter.
Handelsblatt
Nur noch etwa 30 bis 40 Prozent des benötigten Kohlendioxids sei auf dem Markt erhältlich, heißt es in einem Brandbrief des Bundesverbands des Deutschen Getränkefachgroßhandels. Und die vorhandenen Mengen seien nur zu enormen Preisen zu bekommen. Und viele mittelständische Brauereien und Abfüller würden gar nicht mehr beliefert.
Ohne Kohlendioxid kein Bier, kein sprudelndes Mineralwasser und keine Limonaden. Erste Brauereien haben schon ihre Produktion eingestellt.
Kohlendioxid wird auch in der Fleischindustrie zur Betäubung von Schlachttieren benötigt. Der Verband der Fleischwirtschaft hat laut Handelsblatt bereits vor Versorgungsengpässen unter anderem bei Schweinefleisch gewarnt, weil nicht mehr geschlachtet werden könne. Auch der Zentralverband der Geflügelwirtschaft warnte, dass ein Schlachtstopp zu einem Rückstau in den Ställen führen könnte und damit auch zu Tierschutzproblemen.
Probleme zeichnen sich aber auch bei der Haltbarkeit von Produkten ab. Ob Käse, Wurst, Frischfleisch, Joghurt oder Aufbackbrötchen: CO₂ verdrängt den Sauerstoff und sorgt dafür, dass Lebensmittel deutlich später schimmeln.
Bayerns Wirtschaftsminister: Bundesregierung muss endlich handeln
Auch Gemüsebauern sind auf das Treibhausgas angewiesen: Die Zufuhr von Kohlendioxid lässt Obst und Gemüse in Gewächshäusern schneller reifen.
Angesichts dieser Entwicklung fordert Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) die Bundesregierung auf, möglichst schnell Maßnahmen zu ergreifen.
Die Bundesregierung kann die Dinge nicht mehr einfach laufen lassen, sondern muss endlich in eine gezieltere Bewirtschaftung dieser Mangellage einsteigen und die Branchen am Laufen halten, die unverzichtbar sind. Wir können weder auf Düngemittel noch auf CO2 im Lebensmittelbereich verzichten
Alt-Neuöttinger Anzeiger, 17.09.2022
Aiwanger schlug jüngst auch vor, das Kohlendioxid aus Zementwerken für Brauereien und Lebensmittelproduktion zu verwenden. Es gebe auch in Bayern Werke, die jährlich hunderttausende Tonnen CO₂ über Schornsteine in die Luft abgäben, erklärte er nach der Kabinettssitzung am Montag. Wie das Gas in großem Maßstab abgeschieden und nutzbar gemacht werden kann, soll jetzt geklärt werden.
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