China: Europäer wollen weniger Baerbock und mehr Macron

Menschen vor dem Rathaus in Krakau, Polen. Bild: Jacek Dylag / Unsplash Licence

Eine europaweite Umfrage bringt Erstaunliches hervor. Gefragt wurde nach der Sicht auf China, aber auch Russland. Warum die Politik dem folgen sollte.

Als sich die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) Mitte April in Beijing aufhielt und drei Wochen später ihren chinesischen Amtskollegen Qin Gang in Berlin empfing, ging sie die chinesische Regierung scharf an.

Sie kritisierte das 1,4 Milliarden Menschen umfassende Land, "eigene Regeln" zu schaffen. Über die Zustände in China zeigte sich die Außenministerin entsetzt.

Sie habe den Eindruck gewonnen, "dass der Aspekt systemischer Rivale immer stärker zunimmt, und zwar nicht nur, weil China stärker nach außen offensiver, man kann auch sagen aggressiver, auftritt, sondern vor allem nach innen repressiver", stellt Baerbock fest. Es sei "wirklich zum Teil mehr als schockierend" gewesen.

Sie warnte Beijing zudem vor einem militärischen Eingreifen in die Inselrepublik Taiwan. Deutschland und die G7 würden eine Eskalation nicht hinnehmen. Im März traf die deutsche Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) in Taiwan mit Politikern und Wissenschaftlern zusammen, was auf starke Kritik vonseiten Chinas stieß.

Beijing forderte die Bundesregierung auf, sich an die Ein-China-Politik zu halten und aufzuhören, mit den "separatistische Kräfte in Taiwan zu interagieren und ihnen falsche Signale zu senden".

Der französische Präsident Emmanuel Macron schlägt demgegenüber vermittelnde Töne an. In einem Interview mit der Zeitung Les Echos und dem Magazin Politico forderte er eine eigene europäische Strategie in der Taiwan-Frage.

Das Schlimmste wäre zu denken, dass wir Europäer bei diesem Thema zu Mitläufern werden und entweder dem amerikanischen Duktus oder einer chinesischen Überreaktion folgen müssen.

Man solle in Europa nicht zur Eskalation des Konflikts beitragen. Eine eigene Position müsse vielmehr ins Visier genommen werden, um als dritter Pol zwischen den USA und China zu vermitteln.

Das löste teils heftige Kritik in Deutschland aus. Das Konzept der "strategischen Autonomie", in dem Europa von den USA abrückt, erteilte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eine klare Absage. Die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen drängt die EU gleichzeitig dazu, entschlossenere Gegenmaßnahmen zu ergreifen, um auf Chinas zunehmendes internationales Selbstbewusstsein zu reagieren.

Fragt man nun die europäischen Bevölkerungen, dann wollen sie jedoch tatsächlich mehr Macron und weniger Baerbock, Scholz und von der Leyen.

So ergab eine repräsentative Umfrage, dass eine Mehrheit der Menschen in den Ländern der Europäischen Union der Auffassung ist, dass China ein "notwendiger Partner" für ihre Länder ist, im Gegensatz zu einem "Rivalen" oder "Gegner". Das ist das Ergebnis der letzte Woche veröffentlichten Untersuchung vom European Council on Foreign Relations über die außenpolitischen Einstellungen in Europa.

Die Umfrage, an der mehr als 16.000 Personen aus elf EU-Mitgliedstaaten teilnahmen, zeigt auch, dass eine solide Mehrheit der Befragten es vorziehen würde, dass ihr eigenes Land in einem möglichen Konflikt zwischen den Vereinigten Staaten und China über Taiwan neutral bleibt.

Die meisten Europäer sehen die Vereinigten Staaten zwar als "Verbündeten" oder "Partner" an, sind aber auch mehrheitlich der Meinung, dass Europa seine eigenen Sicherheits- und Verteidigungskapazitäten ausbauen sollte und sich bei der Gewährleistung seiner Sicherheit nicht immer auf Washington verlassen kann.

Für die im April dieses Jahres durchgeführte Umfrage wurden Menschen in Österreich, Bulgarien, Dänemark, Frankreich, Deutschland, Ungarn, Italien, den Niederlanden, Polen, Spanien und Schweden befragt.

Der Bericht stellt fest, dass die befragten Europäer China "nicht als eine Macht" ansehen, die "Europa herausfordert und untergraben will, und sie glauben nicht an den von der Biden-Regierung propagierten Rahmen 'Demokratie gegen Autokratie'".