China: Partner, Konkurrent oder Rivale?

Seite 2: Belt-and-Road-Initiative

Die chinesische BRI gilt seit ihrem offiziellen Start 2013 als Ausweis von Chinas globalen Ambitionen. Während das Projekt ursprünglich als reine Infrastrukturmaßnahme galt und vor allem durch das enorme Volumen darunter veranschlagter Investitionen hervorstach, kommt ihm in der öffentlichen Wahrnehmung inzwischen eine weit größere Rolle zu: Vor allem amerikanische Analysen interpretieren die BRI überwiegend als geopolitisches Projekt, mit dem China beabsichtigt, die beteiligten Staaten wirtschaftlich zu durchdringen, in seinen politischen Orbit zu ziehen und schlussendlich eine sinozentrische Weltordnung wiederherzustellen.8

In der Umsetzung bleiben chinesische Infrastrukturprojekte oft weit hinter etablierten internationalen Standards für Nachhaltigkeit, Transparenz, Umweltverträglichkeit und Konfliktsensitivität zurück. Zuletzt wurde häufig der Vorwurf laut, Peking betreibe eine "Schuldenfallen-Diplomatie" und vergebe gezielt Kredite an Staaten, die diese langfristig nicht bedienen können, um sich im Rahmen einer Restrukturierung politischen Einfluss zu sichern.

Vor allem das letzte Argument stützt sich auf eine sehr begrenzte empirische Basis und ignoriert, wie sehr die Implementierung der BRI in lokalen Kontexten von örtlichen politischen Eliten, die eigene Interessen verfolgen und häufig auch durchsetzen können, mitgeprägt wird. Zudem gerät außer Acht, dass zahlreiche BRI-Mitgliedsländer ein herausforderndes Umfeld darstellen, politisch wie wirtschaftlich sehr fragil sind und entsprechend große Risiken für Investitionen bergen.

Unter diesen Umständen ist chinesisches Kapital oft die einzige Möglichkeit, ambitionierte nationale Entwicklungsziele umzusetzen. Schließlich punkten chinesische Offerten mit ihrem expliziten Verzicht auf daran geknüpfte politische Reformbedingungen, was in souveränitätsorientierten postkolonialen Staaten auf reges Interesse stößt. Betrachtet man die BRI von der Nachfrageseite, also aus lokaler Perspektive, so müssen sich auch europäische Akteure fragen, ob die eigenen Entwicklungshilfe-Angebote diese Lücke nicht erst offengelassen haben.

Welchen Einfluss die BRI letztlich auf die Welt haben wird, wird demnach nicht nur von Strategen in Peking entschieden, sondern ergibt sich aus komplexen und lokal spezifischen Wechselwirkungen. Durch chinesische Investitionen fließen erhebliche Ressourcen in tief gespaltene Gesellschaften und eröffnen ihnen im besten Fall neue, gemeinsame Entwicklungsperspektiven - bergen aber auch das Potenzial, existierende Konflikte zu verschärfen, wenn Kosten und Nutzen sehr ungleich verteilt sind

Der Umgang mit solchen Herausforderungen ist für chinesische Unternehmen Neuland, wie auch für viele der betroffenen Länder selbst. Entsprechend mangelt es an Kapazitäten zur Konfliktanalyse, Stakeholder-Einbindung oder der Wahrnehmung sozialer Verantwortung. Wo in China selbst ein mächtiger Zentralstaat Entwicklungsziele festlegt und Infrastrukturprojekte durchführt, bietet sich in vielen BRI-Mitgliedsländern ein schwer zu durchdringendes Dickicht instabiler Institutionen, miteinander verfeindeter Gruppen und häufig wechselnder politischer Führungen.

Diese Tatsachen sollen die bislang verbesserungsfähige Implementierung der BRI nicht entschuldigen, zeichnen jedoch ein differenzierteres Bild als die verbreitete Darstellung eines chinesischen Masterplans zur Erringung globaler Vorherrschaft. Politische Risiken werden auch in China zunehmend erkannt und haben bereits dazu geführt, dass Auslandsinvestitionen in besonders gefährdete Staaten gedrosselt wurden.

Das eigene finanzielle Risiko bedingt zudem ein chinesisches Interesse an der Stabilisierung dieser Länder und macht Peking ebenfalls zum Stakeholder. Vor Ort wird mit politischen Strategien zur Einbindung verschiedener politischer Gruppen experimentiert, wenngleich meist auf nationaler Ebene. Als Zukunftsziele wurden eine "grünere", nachhaltigere BRI und höhere Umweltstandards bei der Projektgestaltung versprochen, was einige der prominentesten Ursachen für lokale Beschwerden aufgreift.

Damit bietet sich zudem ein bislang wenig genutztes Potenzial, internationale Expertise insbesondere in den Bereichen Konfliktsensitivität und Nachhaltigkeit einzubinden. Idealerweise könnte dies in eine umfassende Kooperation münden, welche die europäische Entwicklungshilfe, Wissenschaft und auch Zivilgesellschaft einbezieht, die auf diesem Gebiet komplementäre Stärken haben.

Entsprechende Angebote sollten daher gemacht werden, von der Mitarbeit in bereits existierenden Kooperationsplattformen wie der "BRI International Green Development Coalition" bis hin zur aktiven Etablierung neuer Formate, wie sie im Bereich Konfliktsensitivität noch fehlen. Die chinesische Seite müsste jedoch eine größere Bereitschaft zur Öffnung der BRI und Akzeptanz für konstruktive Kritik zeigen.