China-Politik: Deutsche Strategie ist gefährlich
Berliner Regierung stellt Forderungen an Peking, die man im Gegenzug nicht akzeptieren würde. Scholz und Baerbock täuschen sich bei der Einschätzung der Machtverhältnisse. Wie lange denkt die Maus noch, dass sie Katze ist? Kommentar.
Es gehört zu den Traditionen der Bundeshauptstadt, dass die große Mehrzahl ihrer Bewohner den eigenen Kiez ihr Leben lang nicht verlässt, weil es dort alles gibt, was man für das tägliche Leben benötigt. Da war Bonn-Bad Godesberg deutlich weltläufiger.
Die enge Berliner Weltsicht schlägt immer mehr in die aktuelle Politik durch. Getrieben von der nordamerikanischen Raubkatze glaubt man, man dürfe diese Erfahrungen mit dem Partner jenseits des Nordatlantiks einfach auf China übertragen. Das Ergebnis ist die nun veröffentliche neue China-Strategie.
Nach dem 11. September haben sich die USA auf die Rüstung fokussiert
Mit der militärischen Mobilisierung in den USA, die schon vor dem Krieg gegen den Terror, ausgerufen nach den Anschlägen von 9/11 begann, blieb offenbar zu wenig Energie für den zivilen Sektor. So war man im Zentrum des westlichen Kapitalismus hocherfreut, dass sich China als verlängerte Werkbank zu vermeintlich günstigen Konditionen anbot.
Die Zahlen stimmten. Dass man aber die chinesischen Reaktionen auf die US-amerikanischen Preisdrückereien nicht verstand, wird in Paul Midlers Buch Poorly Made in China: An Insider's Account of the China Production Game ziemlich treffend beschrieben.
Während die chinesischen Produzenten im Laufe der Jahre eine weitgehend perfekte Fertigungslogistik entwickelten, kam das Marketing lange Zeit weiter aus den USA. Beim Erfinden von Vermarktungsgeschichten waren die USA weit voraus und kaum aufzuholen. Chinesische Hersteller besorgten sich im nächsten Schritt westliche Marken wie ThinkPad von IBM oder Motorola für Smartphones.
Zuletzt übernahm Haier die ikonische Marke General Electric für Haushaltsgeräte. Damit erlangten die Investoren aus dem Reich der Mitte auch Zugang zum Marketing-Handwerkszeug.
Als dann die chinesische Marke Huawei bei Smartphones zum internationalen Höhenflug ansetzte, schob die US-Politik diesen Ambitionen einen Riegel vor und Huawei verlor drastisch Marktanteile. Konnte man die Abhängigkeit von US-Betriebssystemen noch vergleichsweise schnell durch ein eigenes Betriebssystem abfedern, dauerte der Ersatz der aufgrund des US-Verbots nicht mehr lieferbaren Prozessoren ein klein wenig länger.
Exportweltmeister und Binnenmarktentwicklung
Während sich Deutschland lange Zeit auf die Exportweltmeisterschaft fokussiert hat, wurde in China der Binnenmarkt immer wichtiger. Der Export machte zuletzt nur noch etwa 20 Prozent der nationalen Wertschöpfung aus, während Deutschland zu etwa 40 Prozent vom Export abhängt.
Dafür benötigt das Land der Techniker, Tüftler und des Know-hows jedoch zahlreiche Zulieferungen, nicht zuletzt aus China, für die es praktisch keine second source gibt.
Bislang reagiert China nur symbolisch, wenn es den Export von Gallium und Germanium reguliert. Die Anspielung auf die beiden größten Mitglieder der EU sind deutlich, werden vom politischen Personal hierzulande jedoch offensichtlich nicht verstanden.
Die politische Agenda der aktuellen Bundesregierung stellt letztendlich für den Wirtschaftsstandort ein beachtliches Risiko dar, weil man Forderungen an die chinesische Regierung stellt, die man im Gegenzug auch nicht akzeptieren wollte.
Stelle man sich doch einfach mal vor, aus China käme die Aufforderung den Braunkohleabbau in der Lausitz einzustellen, weil dort das Siedlungsgebiet der Sorben bedroht sei.
Chinas Wirtschaftspolitik unterscheidet sich grundlegend von der deutschen
In Deutschland darf die Forschungsförderung grundsätzlich nur Projekte unterstützen, die keine marktfähigen Produkte hervorbringen. Da die Finanzierungslücke bis zur Marktreife vielfach nicht zu schließen ist, wird das Ergebnis auf Eis gelegt und ein neues Forschungsprojekt begonnen. Die in Deutschland nicht marktreifen Ergebnisse werden in der Folge gerne nach Fernost verkauft und die Produkte mit viel Glück dann von dort importiert.
In China dagegen werden zum gleichen Thema verschiedene Entwicklungsansätze unterstützt und der Markt entscheidet dann, welcher Entwicklungsweg sich durchsetzt. Dass das in Deutschland nicht genauso gehandhabt wird, versteht man im Reich der Mitte nicht.
Was für Deutschland jedoch richtig gefährlich ist, dass ″Made in China″ qualitativ vielfach aufgeholt hat. Daraus folgt bei vielen Kunden im Umkehrschluss: Made in China muss bei gleichem Preis besser sein als Made in Germany, weil Deutschland ja traditionell viel teurer ist.
Entscheider in Deutschland verstehen nicht wie Asiaten denken
Während man im Westen für sein Anliegen mit Worten kämpft, also argumentiert, ist ein solches Vorgehen in vielen Ländern Ost- und Südostasiens ziemlich chancenlos. Es stehen letztlich nur drei Wege zum Erfolg zur Verfügung.
Man hat die Macht oder das Geld, sich die Zustimmung zu kaufen, oder man wird als gutes Vorbild betrachtet. Deutschland war lange Zeit in der dritten Rolle ziemlich erfolgreich, warf China jedoch dann immer häufiger vor, nur zu kopieren.
Inzwischen sind die anderen beiden Optionen für Deutschland reine Illusion. Wenn man in Fernost jemanden mit einer Idee begeistert hat, dann muss man auch liefern und das deutlich schneller, als dies in good old Germany Gewohnheit ist. Wenn man sich dann Bedenkzeit erbittet, hat man das Spiel verloren. Wenn man zuvor nicht knallhart kalkuliert hat, auch.
Wenn die deutsche Politik jetzt glaubt, China sei auf den Export nach Deutschland angewiesen und die Kunden könnten daher politische Forderungen stellen, hat sie das Spiel einfach nicht verstanden. Letztlich wird der immer aggressiver auftretenden Maus nur der Rückzug in ihr Mauseloch bleiben. Ob sie dort überleben kann, wird die Zukunft zeigen. Die einschlägigen Hoffnungen sind eher bescheiden.