Chinesische Überwachung "made in Germany"

Bundesregierung unterstützt Politboykott der Olympischen Winterspiele. Über Export deutscher Überwachungstechnik und staatlicher Kooperation schweigt sie. Grund dafür dürften auch BND-Kontakte sein

Viel wird während der laufenden Olympischen Winterspiele in China über Überwachung in dem Land berichtet. Kaum bekannt aber ist: Als die Spiele am 4. Februar begannen, waren Deutsche bereits im Land. Allerdings nicht als Sportler, sondern als Überwachungsexperten.

Das Unternehmen Funkwerk aus dem thüringischen Kölleda betreibt seit 2004 mit der Vision-Team GmbH ein Überwachungssystem in Shenzhen.

Mehr als 500 Beobachtungsinstallationen betreibe die Firma im Rahmen des Projekts "Police Shenzhen", so die Eigendarstellung des Unternehmens.

Übergeordnet ist die Muttergesellschaft Funkwerk AG mit einem Bilanzgewinn von 3,1 Millionen Euro Ende 2020. Zum Gewinn beigetragen hatte Sicherheitstechnik für Stadt und Behörden in der Sonderwirtschaftszone Shenzhen.

Bereits bei den Olympischen Spielen 2008 in China sei das Unternehmen für Überwachung zuständig gewesen, teilt die Firma auf ihrer Homepage weiter mit. Neben der Überwachung von Bürgern in China durch hunderte Kameras betreibt das Unternehmen in Hamburg das Pilotprojekt der fahrerlosen S-Bahn sowie die Videoüberwachung des Hamburger Elbtunnels.

Auch das Atomkraftwerk Unterweser wird durch die Firma videoüberwacht. Tätig sei die weltumspannende Unternehmensgruppe auch in Saudi-Arabien und Marokko, in Ägypten und in der Türkei.

In China betreibe Funkwerk auch die Funkfernsteuerung der Hochgeschwindigkeitszüge.

Dies gilt auch für weitere Länder, wie Australien, Norwegen, die Niederlande, Südafrika, Belgien, Litauen, Algerien, Indien, Luxemburg, Schweden und Schweiz – für Vietnam, Österreich und weitere Nationen liefert die Firma Handfunkgeräte.

Funkwerk AG: Weitere Projekte in China geplant

Weitere Projekte seien in China geplant. Überwachungstechnik verkauft Funkwerk an Behörden, Bahnen, Industrieunternehmen und "öffentliche und private Einrichtungen jeder Art", so die Eigenwerbung.

Das Unternehmen ist Teil der Hörmann-Gruppe. Gegründet worden sei die Firma 1955 für "Blitzschutzanlagen". 1965 habe man begonnen, für das Bundesamt für Zivilschutz Sirenenanlagen zu liefern. 1972 sei man in "Schwimmbadtechnik" eingestiegen.

In Irland habe man Sicherheitstechnik gefertigt. "Mitte der 1980er-Jahre knüpft die Hörmann-Gruppe erste gute Geschäftsverbindungen in die DDR über die seit vielen Jahren zum Volkswagenkonzern bestehenden Kontakte", heißt es auf der Unternehmenshomepage.

Weiter meldet die Firmenwebsite: "Mit dem Fall der Mauer brechen für die Hörmann Gruppe Jahre besonderen Wachstums an." In Chemnitz sei 1989 die Hörmann Barkas GmbH gegründet worden. Die Funkwerk Kölleda Gmbh sei 1992 übernommen worden, als Spezialbetrieb für Bahnkommunikation:

Mit dem Beginn des neuen Jahrtausends beschreitet die Funkwerk AG mit dem ersten Börsengang einer Hörmann-Tochter neue Wege. Am 15.11.2000 kommt es zur ersten Notierung an der Frankfurt Wertpapierbörse "Neuer Markt". In den Folgejahren hat sich die Funkwerk AG durch den gelungenen Ausbau des Portfolios zum Geheimtipp unter Börsianern entwickelt.

Auf Nachfrage von Telepolis antwortete Funkwerk, es gebe keine negativen Folgen auf die Menschenrechte durch die Überwachung von Menschen, die sich in China aufhielten, Das Unternehmen verneinte auch eine etwaige Zusammenarbeit auf dem Gebiet mit dem Bundesnachrichtendienst (BND).

Für den Weilheimer Geheimdienstexperten Erich Schmidt-Eenboom bleiben dennoch Fragen offen. Die Lieferung von deutscher Überwachungstechnik in die Volksrepublik China habe schließlich eine lange Vorgeschichte.

BND-Aufklärungsstationen in China: eine Herzensangelegenheit

Die deutsch-chinesische Kooperation, bei der der BND deutsche Technik liefern lässt und im Gegenzug die Aufklärungsergebnisse bekommt, begann 1984 mit der Eröffnung einer funkelektronischen Aufklärungsstation im chinesischen Pamir-Gebirge nahe der Grenze zu Afghanistan, die auf die Tiefe der Sowjetunion zielte.

Als der dazu abgeschlossene Vertrag nach 15-jähriger Laufzeit erneuert werden musste, traf BND-Präsident August Hanning im Jahr 1999 in Peking eine neue Vereinbarung mit dem chinesischen Militärnachrichtendienst, die eine weitere, gegen Nordkorea gerichtete Station unmittelbar an der Grenze einschloss, und sagte dafür 15 Millionen D-Mark für die Abhörtechnik zu, während der chinesische Dienst die Kosten für die baulichen Maßnahmen übernahm.

Die langwierigen Verhandlungen führte der Leiter der Technikabteilung des BND, Brigadegeneral Werner Schowe, dem dieses Projekt eine Herzensangelegenheit war, während sein für die Partnerdienstbeziehungen zuständiger Unterabteilungsleiter das Geld lieber in den Ausbau der Kooperation mit der US-amerikanischen NSA investiert hätte.

Als die Verhandlungen zeitweise stockten, ließ der chinesische Dienst durchblicken, dass es auch andere westliche Nachrichtendienste gäbe, die die Rolle des BND übernehmen wollten. Obwohl der BND bei der Geräteausstattung auch preiswertere Lösungen anbot, bestanden die Chinesen auf der bewährten Technik des Münchner Elektronikkonzerns Rhode & Schwarz.

Der deutsche Auslandsnachrichtendienst erhielt im Zuge dieser Operation Fasan im Gegenzug Informationen über den zunehmend unberechenbarer werdenden Klienten Pekings. Dazu sendete der chinesische Militärnachrichtendienst das abgehörte Rohmaterial direkt nach Pullach.

Erich Schmidt-Eenboom

Den von der Funkwerk AG verwendeten Begriff "öffentlicher Einrichtungen jeder Art" bezeichnete der Geheimdienstexperte als Euphemismus für Lieferungen an Sicherheitsbehörden, also Nachrichtendienste und Polizeistellen.

Dies lasse auch der Verweis von Sicherheitstechnik zur "Ausstattung von Stadt und Behörden" in der Sonderwirtschaftszone Shenzhen vermuten. Dieser Schutz obliege schließlich dem chinesischen Ministerium für Staatssicherheit.

Wenn Robert Habeck als Wirtschaftsminister den Anspruch der Bündnisgrünen auf eine menschenrechtsorientierte Außenpolitik ernst nehme, "dann gehören solche Exportgenehmigungen für die Überwachungstechnik auf den Prüfstand", so Schmidt-Eenboom. Dies gelte nicht nur für China, "sondern auch für andere autokratische Regime wie das in Saudi-Arabien".