Christlicher Fundamentalismus ist bei jungen Menschen wieder angesagt

Christoph Jehle
KI-generierte Illsutration zeigt einen bärtigen Mann vor einer Amerika-Karte mit einem Kreuz in der Hand

KI-generierte Illustration

Ein neuer christlicher Fundamentalismus ist auch in Europa angekommen. Finanzstarke Thinktanks vernetzen rechte Politiker und fundamentalistische Christen.

Nachhaltigkeit hat keinen besonders guten Ruf bei Menschen, die sich lieber auf den Satz aus dem 1. Buch Mose, Kapitel 1, Vers 28 berufen, der da lautet: ″Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan″ und von diesen gerne als Freibrief Gottes ausgelegt wird, die Erde auszubeuten.

In der westlichen Welt, die aufgrund zunehmender wissenschaftlicher Erkenntnisse immer komplexer erscheint und deren globale Vernetzung kaum noch durchschaubar scheint, sind einfache Erklärungen gefragt.

Wenn den gewählten Autoritäten der entsprechende Anspruch aberkannt wird, müssen neue her, die über den menschlichen Vorstellungen stehen und nicht kritisch hinterfragt werden dürfen.

Nicht demokratisch legitimierte Autoritäten sind anziehend

In den USA formiert sich eine junge Generation, die von einem weißen christlichen Gottesstaat und männlicher Herrschaft träumt. Die Ideen ihrer christlichen Theokratie verbreiten sie beispielsweise auf der Seite Right Response Ministries.

Dort präsentiert sich der Pastor Joel Webbon als Präsident und Gründer. Webbon ist Senior Pastor der Covenant Bible Church, die im Norden von Austin, Texas angesiedelt ist.

In seinen Videos bemerkt er unter anderem ganz gelassen, dass die "Tugend Hass" dem Christentum abhandengekommen sei.

Was hierzulande noch vielen als radikale Auswüchse eines christlichen Nationalismus erscheinen mag, ist in den Vereinigten Staaten Teil eines einflussreichen Netzwerks, welches das US-Medium Mother Jones als die "Theo Bros" bezeichnet.

Aufgenommen hat das der österreichische Standard, der die Bewegung derart charakterisiert: ″überwiegend junge, erzkonservative Männer, die sich im Netz erfolgreiche Kanäle aufgebaut haben, Pornografie und andere sündhafte Versuchungen verurteilen und von einem weißen christlichen Gottesstaat träumen″.

Das Weltbild

Das Weltbild: Frauen werden in dieser christlichen Nation kein Wahlrecht haben, denn von einem solchen Frauenwahlrecht stehe kein Wort in der Bibel und das Frauenwahlrecht habe Familien gespalten. Daher sollten Frauen durch ihren Ehemann, den wohlmeinenden Beschützer und Ernährer, vertreten werden.

Wenn auch Frauen ihre Stimme abgeben dürften, würde eine ideale christliche Nation nicht lange Bestand haben. Der christliche Nationalismus erklärt nicht nur das Christentum US-amerikanischer Ausprägung zur Leitreligion, sondern sein Ziel ist eine hierarchisch organisierte Gesellschaft, angeführt von weißen Männern.

Der christliche Fundamentalismus, der unter Trump und Vance gerade aufblüht, hat in den Vereinigten Staaten eine lange Tradition und geht bis auf die europäischen Einwanderer zurück, die den Kontinent oft wegen abweichender Glaubensvorstellungen verlassen hatten.

Heute finden jedoch die Vertreter eines fundamentalistischen Katholizismus Gemeinsamkeiten mit dem Evangelikalismus unter dem Dach eines radikalen Christentums zusammen und wollen sich mit ihren theokratischen Vorstellungen nicht auf die USA beschränken.

Dieser neue christliche Fundamentalismus ist auch in Europa angekommen. Finanzstarke Thinktanks vernetzen rechte Politiker und fundamentalistische Christen und versuchen, ihre Vorstellungen über eingespielte Kontakte in die Öffentlichkeit zu tragen.

Je konservativer sich eine Gemeinschaft gibt, desto mehr junge Männer werden von diesen Strukturen angezogen, weil sie dort Bestätigung und Anerkennung bekommen, die ihnen in einem Umfeld, das auf Empathie und Fürsorge setzt, zu fehlen scheint. Es gibt sehr konservative Horte in Europa. Illustriert wird das etwa im Kanton Appenzell-Innerrhoden, wo Frauen erst im Jahre 1991 das kantonale Wahlrecht erhielten.

Katholisch fundierte Einschränkungen der Arbeitnehmerrechte in Deutschland

In der rechtskatholischen Tagespost hat Martin Nebeling, der Vorsitzende des Bundes Katholischer Unternehmer (BKU) Ende März seine Erwartungen an die kommende Bundesregierung formuliert.

Dazu zählte er die Flexibilisierung des Arbeitsmarkts, ohne die Deutschland seine Wettbewerbsfähigkeit langfristig weder sichern noch stärken könne. Im Interview stellt er fest:

Deutschland agiert auf dem Weltmarkt und steht zunehmend im Wettbewerb mit dynamischen Ländern wie Indien. Angesichts der dortigen Agilität und Leistungsbereitschaft kann sich Deutschland eine Verkürzung der Arbeitszeiten nicht leisten.

Unsere internationalen Konkurrenten haben oft niedrigere Produktionskosten und hohe Arbeitsbereitschaft. Kürzere Arbeitszeiten würden daher unsere Wettbewerbsfähigkeit weiter schwächen und den Wohlstand gefährden, gerade in Branchen, in denen wir technologisch nicht mehr führend sind.

Zudem forderte er, die bisherige Regelung mit elf Stunden Ruhepause zwischen zwei Arbeitsschichten zu streichen, denn dies sei nicht mehr zeitgemäß. Mit flexiblen Arbeitszeiten könnte man älteren Menschen helfen, länger im Beruf zu bleiben, später in Rente zu gehen und insgesamt die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Arbeitsmarkts zu erhöhen.

Mit der Aufhebung der Ruhepausenvorschrift greift er eine Errungenschaft des deutschen Arbeitsmarkts an, das Institut für angewandte Arbeitswissenschaft (ifaa) am 12. März 2019 wie folgt beschrieb:

Nach § 5 ArbZG müssen Arbeitnehmer nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden bis zur Wiederaufnahme der Arbeit haben.

In einem Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung kann zugelassen werden, abweichend von § 5 Abs. 1 die Ruhezeit um bis zu zwei Stunden zu kürzen, wenn die Art der Arbeit dies erfordert und die Kürzung der Ruhezeit innerhalb eines festzulegenden Ausgleichszeitraums ausgeglichen wird (§ 7 ArbZG).

ifaa