Clanbekämpfung: Zahnloser Tiger
Ein kriminelles Familiensyndikat tanzt Politik und Polizei auf der Nase herum. Am Donnerstag wurden zwei Söhne der Familie Al-Zein verhaftet. Mehr als eine Farce?
"Wir haben (…) ihm (…) sein Zuhause weggenommen", frohlockte Innenminister Herbert Reul (CDU) nach dem Schlag gegen den Al-Zein-Clan und sein 46-jähriges Oberhaupt Mitte Juni 2021. Man hatte in einer spektakulären Aktion den opulenten Leverkusener Wohnsitz des Clans gestürmt; flugs veröffentlichte Bilder zeigten den gesprengten Eingangsbereich.
Schon bald darauf, am 22. Juni, meldete die Presse: "Ärger um Clan-Immobilie: Leverkusener Villa gehört doch nicht dem Staat".
Inzwischen kommen einem Zweifel an der Durchsetzungskraft der Behörden.
"Bruchlandung"
"Was so spektakulär begann, ist (…) zur Bruchlandung geworden", schrieb der Kölner Stadt-Anzeiger diese Woche (KStA-Ausgabe vom 29.09.2021). Die Erklärung:
Einige Mitglieder der Großfamilie sind wieder in das Haus gezogen, der deutsche Staat zahlt sogar die Miete und eventuell kassieren die Clan-Angehörigen sogar noch Soziallleistungen (…).
KStA: https://www.ksta.de/koeln/kommentar-zur-clan-razzia-in-leverkusen-spektakulaere-stuermung-wird-zur-bruchlandung-39051066
Wie sich dem Blatt zufolge jetzt herausstellt, war das gestürmte Haus - heute als Millionenobjekt eingestuft - den Verdächtigten gar nicht weggenommen worden, sondern es wurde tatsächlich nur ein Verkaufsverbot für das Anwesen ins Grundbuch eingetragen. "Große Worte, nix dahinter", so der lakonische KStA-Kommentar.
Dass die Familie weiter Sozialhilfen kassiere, und dies trotz laufender Ermittlungen wegen Sozialleistungsbetrugs in sechsstelliger Höhe, wollte NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) in einem Bericht an den Rechtsausschuss Anfang der Woche zumindest nicht ausschließen.
Laut Justizministerium fließen weiter 2089,50 Euro im Monat an die Beschuldigten.
Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der gerade stattgefundenen Bundestagswahl streiten sich die Parteien nun um die Schuld an der Misere. Die SPD-Fraktion im NRW-Landtag spricht davon, der Innenminister gefährde "mit (…) falschen Versprechen die Erfolge des Rechtsstaats im Kampf gegen Clans".
Der angegriffene Minister wehrt sich und verweist auf die Agenda seit seinem Amtsantritt: Von Juli 2018 bis Dezember 2020 habe es allein im Bundesland Nordrhein-Westfalen (NRW) rund 1.600 Razzien gegeben, das seien "extrem viele". Dabei seien 4.000 Objekte, wie etwa Shisha-Bars oder Wettbüros, durchsucht und 335 davon sofort geschlossen worden.
Der "Pate aus Leverkusen"
Die Luxusvilla des Al-Zein-Clans, das Familien-Syndikat umfasst den Ermittlungen zufolge etwa 3.000 Mitglieder, wird sich in die Statistik durchsuchter Objekte einreihen. Allerdings mit einem Beigeschmack.
Da ist zum einen die Vorgeschichte: Badia Al-Zein ist eine führende Größe in der rheinischen Unterwelt. Zwei Jahre lang hatten Sonderkommissionen der Polizei Düsseldorf und des Landeskriminalamtes (LKA) NRW gegen den kurdisch-libanesischen Al-Zein-Clan und seine Familie ermittelt.
Der "Pate aus Leverkusen", wie Badia auch genannt wird, ist für seinen Hang zur Gewalt bekannt. Seit zwei Jahren steht der gebürtige Libanese im Visier der Polizei, in der speziellen Angelegenheit ging es um einen Raubüberfall.
Da ist zum anderen die Sache mit der Sozialhilfe. Offiziell von Zuwendungen aus dem Jobcenter abhängig, lebten die Al-Zein's in ihrem Domizil in Leverkusen-Rheindorf auf großem Fuß. Finanziert wurde das Haus LKA-Ermittlungen zufolge durch 15 verdeckte Zahlungen aus dem Familiennetzwerk an den jüngeren Sohn, der offiziell als Gebäudereiniger Einkünfte geltend machte.
Die Ermittlungen förderten Zug um Zug haarsträubende Einzelheiten zutage. Über die Jahre sind dem Clan offenbar rund 400.000 Euro (andere Berichte sprachen auch schon von 500.000 Euro) via Sozialleistungen zugeflossen. Allein 2020 soll der Clan laut überwachten Telefonaten zudem gut 1,5 Millionen Euro nur in bar eingenommen und bewegt haben.
Im Grundbuch gibt es dagegen bisher lediglich einen Sperrvermerk, der sicherstellen soll, dass die Familie das Haus nicht weiterverkaufen kann.
Die Zahlungen der AGL an die Familie summieren sich auf rund 400.000 Euro.
LKA-Ermittlungen
Die hier als verantwortlich genannte Stelle ist die Arbeits- und Grundsicherung Leverkusen (AGL). Kein Amt im eigentlichen Sinne, wohl aber eine öffentlich-rechtliche Gesellschaft mit einer Geschäftsführung.
Die AGL gibt sich zugeknöpft. Der Kölner Stadt-Anzeiger bat im Sommer Renate Helff, die Chefin der Gesellschaft, um ein Gespräch über die Schwierigkeiten, mit der ihre Verwaltung zurechtkommen müsse, erhielt jedoch eine Absage.
"Geldwäsche in Reinkultur"
Etlichen Presseberichten wie auch behördlichen Mitteilungen zufolge agierte der Clan wie ein Familienunternehmen. Die Frau des Clanchefs verwaltete den Geldtopf, in dem alle dubiosen Einnahmen landeten. Laut Staatsanwaltschaft war sie die "Kassenwartin". Die Vorwürfe summieren sich auf Drogenhandel, räuberische Erpressung, Entführung, Hehlerei, Zinswucher, Geldwäsche und Gewaltdelikte.
Zwei der Al-Zein-Söhne sind am Donnerstag in der Villa verhaftet worden. Die Anklagepunkte: Geldwäsche und gewerbsmäßiger Bandenbetrug. Thomas Jungbluth, leitender Ermittler beim LKA, nannte die Hausfinanzierung "Geldwäsche in Reinkultur".
Mohamed Al-Zein, einer der beiden Verhafteten, wurde schon einmal (bei der großangelegten Razzia im Juni) festgenommen. Der 24 Jahre alte Sohn des inhaftierten Clan-Bosses soll als Strohmann für die Familie agiert haben. Über Mohamed lief auch der Kauf der Leverkusener Villa.
Am Donnerstagnachmittag verschonte das Amtsgericht Mohamed gegen Zahlung einer Kaution von 30.000 Euro von der U-Haft. Woher dieser Betrag kommt - völlig unklar. Wann Anklage erhoben wird gegen Badia Al-Zein, den "Paten" und seine Mittäter, ist wohl noch immer nicht abzusehen, ergänzte der Staatsanwalt. Die Ermittlungen seien "noch nicht abgeschlossen."
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