Das Ende von New York, Bangkok, Hamburg und Co.
- Das Ende von New York, Bangkok, Hamburg und Co.
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Studien: Der Gürtel um die Gletscher der Westantarktis ist unwiederbringlich zerstört. Das wird den Meeresspiegel um mehrere Meter steigen lassen.
Die Situation muss verzweifelt sein, wenn man der Arbeit eines niederländisch-deutschen Forscherteams Glauben schenkt: Um den Kampf gegen den ansteigenden Meeresspiegel zu gewinnen, fordern sie, die Nordsee einzudeichen. Die Autoren greifen damit einen Vorschlag aus dem Jahr 2020 auf.
Damm: Baukosten von derzeit gut einer halben Billion Euro
Nötig wäre ein 161 Kilometer langer Damm von Frankreich nach Südengland und 476 Dammkilometer von Schottland nach Norwegen – dutzende Meter hoch und so tief wie die Nordsee eben ist, vor Norwegens Küste etwa mehr als 300 Meter tief.
Allerdings kämen die veranschlagten Baukosten von derzeit gut einer halben Billion Euro wesentlich billiger, als das, was die 15 Anrainerstaaten von Nord- und Ostsee in die Verteidigung ihrer Küsten investieren müssten, wenn jedes Land einzeln gegen den Anstieg der Ozeane kämpft.
Das Projekt trägt den Namen "Northern European Enclosure Dam". Allerdings müsste es zügig umgesetzt werden, denn erstens dauert der Bau einige Jahre. Zweitens steigt der Meeresspiegel ja bereits: In Cuxhaven steht der Pegel heute 40 Zentimeter höher als bei Messbeginn. Drittens hat sich der Anstieg in den letzten Jahren rasant beschleunigt, das Zeitfenster zu reagieren schließt sich also.
Der Schutzgürtel verschwindet
Wie aktuell das Problem ist, zeigt eine Studie, die gerade von Wissenschaftlern des britischen Polarforschungsprogramms in Cambridge im Fachjournal Nature Climate Change veröffentlicht wurde.
Demnach verliert der Westantarktische Eisschild seinen Schutzgürtel: Selbst, wenn es die Staatengemeinschaft schaffen würde, die globale Klimaerhitzung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, wird in der westantarktischen Amundsensee das Schelfeis trotzdem abschmelzen.
Schelfeis – das sind im Ozean schwimmende Eisplatten, die sich an die Gletscher des südlichen Kontinents schmiegen und diese wie ein Gürtel zusammenhalten. Tauen diese Eisplatten ab, dann sind die Gletscher gegen wärmeres Ozeanwasser ungeschützt und "ergießen" sich in den Ozean, was zum weiteren Anstieg des Meeresspiegels führt.
In diesem Jahr wurden neue Rekordtemperaturen in den Ozeanen gemessen, am Südpol gab es einen Zusammenbruch des Meereises. Allein die Gletscher des Westantarktischen Eisschilds lassen die weltweiten Ozeane um bis zu fünf Meter ansteigen, wenn sie vollständig abgeschmolzen sind. Emden liegt ein Meter hoch.
"Kontrolle über Abschmelzen des westantarktischen Eisschilds verloren"
Für ihre Arbeit nutzte das Team um Kaitlin Naughten ein räumlich viel höher aufgelöstes Modell dieser Ozeanregion als bisherige Arbeiten. In diesem Modell simulierten sie die Ozeanerwärmung in der Westantarktischen Amundsensee – einmal bei einer Globalerhitzung um 1,5 Grad, zudem bei zwei Grad oder drittens noch mehr.
Überraschenderweise verfügte das Wasser unterhalb des Schelfeises bereits bei einem Temperaturanstieg von 1,5 Grad über ausreichend Wärme, um die schwimmenden Eisplatten im Gletschergürtel zum Schmelzen zu bringen.
Das Auflösen dieses Gürtels bezeichnen die Forscher deshalb als "unvermeidlich". Leitautorin Kaitlin Naughten konstatiert:
Es sieht so aus, als hätten wir die Kontrolle über das Abschmelzen des westantarktischen Eisschildes verloren. Hätten wir es in seinem historischen Zustand erhalten wollen, wären schon vor Jahrzehnten Maßnahmen gegen den Klimawandel nötig gewesen.
Teil des globalen Schmelzprozesses
Es scheint also zu spät für Städte wie Hamburg, Basra, Bangkok, St. Petersburg, Tokyo und Co.: New York beispielsweise hat eine Küstenlinie, die 930 Kilometer lang ist. Wie soll die Stadt gegen einen fünf Meter höheren Ozean verteidigt werden?
Der Westantarktische Eisschild ist zudem nur ein Teil des globalen Schmelzprozesses. Im Fokus der Berichterstattung stand bislang der Grönländische Eispanzer, der 90 Prozent Grönlands bedeckt – das Land ist flächenmäßig viermal so groß wie die Bundesrepublik.
In seiner Spitze ist der Grönländische Eisschild 3.300 Meter hoch, beginnt er zu tauen, sinkt seine Oberkante nach unten in immer tiefere – und damit wärmere – Schichten. Wenn es einmal so angefangen hat, kann das Tauen nie wieder aufgehalten werden: Grönlands gefrorenes Eis hat das Potential, den globalen Meeresspiegel auf weitere sieben Meter ansteigen zu lassen.
Ende Juli 2021 wurden in Nerlerit Inaat im Nordosten Grönlands 23,4 Grad gemessen. Leicht auszurechnen, was bei solchen Temperaturen mit gefrorenem Wasser passiert: Bereits 2019 lag die grönländische Schmelzrate bei 550 Kubikkilometer Eis – ein Eisblock der Länge von Stuttgart nach Hamburg – 100 Meter breit, so lang wie ein Fußballfeld, und 10 Kilometer hoch – so hoch, wie die Flugzeuge fliegen.
2021 kam eine Studie zu dem Schluss, dass der Kipppunkt in Grönland unmittelbar bevorsteht.