Das Hersh-Bennett-Syndrom der Medien: "Kill The Message!"
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Verdrehungen und Schmutzkampagnen: Damit werden Aussagen vom israelischen Ex-Premier Bennett und US-Starreporter Hersh zum Ukraine-Krieg attackiert. Wenn ARD-Faktenfinder die Fakten nicht finden können. Ein Kommentar.
Es ist ein Kunststück, auf offener Bühne die Realität ins Gegenteil zu verdrehen. Der Faktenfinder der ARD hat es, erneut muss man sagen, fertiggebracht, und ist damit nicht allein. Man titelt auf Tagesschau.de: "Westen hat Waffenstillstand nicht verhindert".
Es geht dabei um die Aussagen vom ehemaligen israelischen Premierminister Naftali Bennett, der in einem Interview über die Waffenstillstands-Verhandlungen im Ukraine-Krieg berichtete. Er hatte als Moderator zwischen den Parteien Anfang März letzten Jahres vermittelt. Im Interview sagte er nun explizit, dass die westlichen Verbündeten die Initiative blockiert haben.
Pascal Siggelkow, Redakteur des ARD-Faktenfinder, spricht jedoch in seinem Faktencheck von "Gerüchten", dass die USA und Großbritannien die Verhandlungen torpediert hätten. Was erstaunlich ist. Denn auf die Frage, ob die westlichen Verbündeten die Initiative letztlich blockiert hätten, antwortete Bennett klipp und klar: "Im Grunde genommen, ja. Sie haben es blockiert, und ich dachte, sie hätten Unrecht."
Und Bennett legte nach: "Ich behaupte, dass es eine gute Chance auf einen Waffenstillstand gab, wenn sie ihn nicht verhindert hätten." Ob die Entscheidung des Westens, den Verhandlungsprozess zu beenden, langfristig richtig sei, könne er nicht beurteilen.
Der ARD-Faktenfinder scheint auch ein anderes Faktum, das offen zutage liegt, nicht finden zu können: Die Einschätzung Bennetts wird von Aussagen anderer Quellen bestätigt, über die sich Siggelkow aber ausschweigt.
Sowohl ukrainische Offizielle aus dem Umkreis von Präsident Wolodymyr Selenskyj als auch US-Beamte hatten schon früher auf die Blockade insbesondere Großbritanniens und der USA hingewiesen. Die Einschätzungen, dass die Verhandlungen von Nato-Verbündeten verhindert wurden, tätigten die Beamten gegenüber dem US-Fachmagazin Foreign Affairs und der westlich orientierten Nachrichtenseite Ukrainska Pravda.
Aber das ist nicht die einzige grobe Fehldarstellung. Der Faktenfinder verdreht auch noch eine andere Realität. Siggelkow behauptet nämlich, dass die These, der Westen habe laut Bennett blockiert, nicht nur im "Netz" zirkuliere, sondern "weltweit" von "Medien und Politikern" verbreitet worden sei. "Politiker wie Sahra Wagenknecht" hätten schon zuvor die "falsche Behauptung" aufgestellt, der Westen hätte sein Veto eingelegt.
Das mit Wagenknecht stimmt. Der Rest ist reine Fiktion. Tatsächlich haben die Leitmedien und politisch Verantwortlichen im Westen komplett dazu geschwiegen. Die Presse konnte zwar nicht ganz an der explosiven Nachricht des Bennett-Interviews vorbeigehen, hat dabei aber fast ausschließlich auf Irrelevantes abgehoben. Die Headlines lauteten: "Putin versprach, Selenskyj nicht zu töten".
Über die Top-News der westlichen Verhandlungsblockade, die Bennett auf Nachfrage ausdrücklich bestätigte, wurde stillschweigend hinweggegangen. Wie auch über dieselben Aussagen von ukrainischen und US-Offiziellen zuvor.
Die Faktenfinder-Schlagzeile bei Tagesschau.de "Westen hat Waffenstillstand nicht verhindert" verdreht also eine Realität, über die die Medien eisern schwiegen, einschließlich von ARD und Tagesschau, und sie damit zu einer Nicht-Realität machten. Willkommen bei Orwell.
Da die meinungsbildenden Mainstreammedien gerade gut im Schwung waren, eine politische, für die eigenen Regierung und deren Verbündete unangenehme Tatsache in bester Krisen-PR-Manier abzuwürgen, machten sie bei der kurz darauffolgenden Story gleich weiter.
Der investigative US-Journalist und Pulitzer-Preisträger, der seit über 50 Jahren auch für die New York Times und den New Yorker Aufdeckungen am Fließband produzierte, von My Lai bis Abu Ghraib, veröffentlichte einen neuen Scoop auf seinem Substack-Account. Er wirft darin den USA vor – wobei er sich auf die Schilderungen einer anonymen Quelle mit operativem Wissen stützt – die Nord-Stream-Pipelines in der Ostsee gesprengt zu haben. Jedes Medium wäre froh, solch einen Knüller bringen zu können.
Doch die mediale Resonanz darauf gleicht einem Komplettausfall. Einige kurze Meldungen bei Bloomberg, Agence France Press, The Times (UK) und der New York Post. Die Washington Times brachte darüber einen recht positiven Artikel. Auch Newsweek berichtete.
Die großen und einflussreichen US-Medien jedoch wie Washington Post, New York Times, Wall Street Journal, aber auch die BBC und der Guardian schwiegen und schweigen bis heute über den investigativen Bericht.
Auch in Deutschland war über die explosive Hersh-Story kaum etwas zu hören. Und wenn, dann ging es gegen die Reputation von Hersh, während man das, was herausgefunden wurde und im Artikel detailreich geschildert wird, als unglaubwürdige Behauptungen diskreditierte. Der ARD-Faktenfinder und Siggelkow mittendrin.