Das PKK-Verbot in Deutschland und der lange Arm Erdogans

Demonstration für die Entkriminalisierung der Arbeiterpartei Kurdistans. Foto: ANF

Warum man kein Sympathisant sein muss, um für die Legalisierung der Arbeiterpartei Kurdistans zu sein

Ein zentraler Schritt zur friedlichen Lösung der kurdischen Frage in der Türkei und den Nachbarstaaten wäre die Wiederaufnahme von Friedensverhandlungen zwischen dem türkischen Staat und der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Doch davon ist die türkische Regierung weiter denn je entfernt: Die Repression wird auch gegen mutmaßlich der PKK nahestehende Organisationen der kurdischen Zivilgesellschaft weiter verschärft.

Im Schulterschluss mit der Türkei bedient auch die deutsche Regierung das Framing, die PKK sei eine terroristische Vereinigung und verschärft die Repression gegen die linke kurdische Bewegung und ihre Unterstützer in Deutschland. Die Initiative "Verbot aufheben" informiert nun mit einer bundesweiten Veranstaltungsreihe über das seit 28 Jahren geltende PKK-Verbot und ruft zu einer zentralen Demonstration am 27. November in Berlin auf.

Kritiker der deutschen und türkischen Repressionspolitik, egal ob Aktivisten oder Medienschaffende, werden von türkischen Nationalisten sofort als "PKK-Sympathisanten" etikettiert und nicht selten mit Hetze und Morddrohungen terrorisiert. Dabei muss man gar kein Sympathisant sein, um zu dem Urteil zu kommen, dass die PKK keine Terrororganisation ist: Am 15. November 2018 befand der Europäische Gerichtshof in Luxemburg, dass die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) zwischen 2014 und 2017 zu Unrecht auf der EU-Liste terroristischer Organisationen stand.

Zuletzt stellte der belgische Kassationshof im Januar 2020 höchstgerichtlich fest, dass die PKK keine terroristische Organisation ist, sondern eine bewaffnete Konfliktpartei im Sinne des internationalen Völkerrechts. Sind die dortigen Richter damit auch PKK-Sympathisanten?

Erdogans Türkei als "wichtiger Partner"

Eigentlich könnte die Bundesregierung diese Urteile zum Anlass nehmen, die Verfolgung kurdischer Aktivisten mittels Paragraf 129b im Strafgesetzbuch zu beenden und das PKK-Betätigungsverbot aufzuheben. Damit würde sie endlich den Weg für offene politische Diskussionen frei machen.

Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Positionen der PKK ist längst überfällig, denn von Anschlägen oder sonstigen Gewaltaktionen in Europa hat sich die PKK längst verabschiedet. Sie hat sich auch selbstkritisch zu Aktionsformen der 1990er-Jahre geäußert, für die einige ihrer Aktiven Gefängnisstrafen abgesessen hatten.

"Ich möchte mich im Namen der PKK beim deutschen Volk entschuldigen. So etwas wird nie wieder passieren", sagte 2015 der hochrangige Kommandeur und PKK-Mitgründer Cemil Bayık in einem Interview der Sender WDR und NDR. In den 1990er-Jahren hatte die PKK noch mit Brandanschlägen und Autobahnblockaden für ihre Ziele gekämpft, vereinzelt kam es auch zu Selbstverbrennungen.

Deutschland könnte heute am besten zu einer Lösung der kurdischen Frage beitragen, wenn die PKK wie der ANC in Südafrika oder die FLN in Algerien – in den 1960er-Jahren hatte der ehemalige Bundesgeschäftsführer der SPD und spätere Kanzleramtsminister Hans-Jürgen Wischnewski sogar deren Kriegskasse verwahrt – als Befreiungsbewegung anerkannt und die von ihr eingeräumten früheren Fehler nicht vergessen, aber verstanden würden.

Allerdings betrachtet die geschäftsführende Bundesregierung die Türkei unter Recep Tayyip Erdogan als "wichtigen Partner" im Rahmen der Nato. Und dessen Framing wird hierzulande von Politik und Sicherheitsbehörden zu großen Teilen ungeprüft übernommen.

Das galt allerdings auch für die jeweiligen Vorgängerregierungen. Ein kurzer Blick zurück in die Geschichte der Entstehung der PKK und des PKK-Verbotes hilft verstehen, warum die Bundesregierung krampfhaft an ihrer Position festhält.

Die Vorgeschichte der Arbeiterpartei Kurdistans

Die Kurden sind heute mit ungefähr 40 Millionen Menschen weltweit die größte Ethnie, der das Recht auf politische Selbstbestimmung seit inzwischen seit fast 100 Jahren verwehrt und deren Existenz geleugnet wird.

Die Sprache, Kultur und traditionellen Feste wurden seither nicht nur in der Türkei, sondern in allen ihren Siedlungsgebieten mal stärker, mal weniger stark unterdrückt.

Sie sind damit in der gleichen Situation wie es die Polen im Europa des 19. Jahrhunderts waren. Die kurdische Frage begann, als die Siegermächte des Ersten Weltkriegs die neuen Staatsgrenzen mitten durch die kurdischen Siedlungsgebiete zogen, ohne die Hauptbetroffenen zu fragen. Damit wurden die Kurden in allen Nachfolgestaaten des aufgelösten Osmanischen Reiches zu Minderheiten.

Noch im türkischen Unabhängigkeitskrieg hatte Mustafa Kemal, der spätere Atatürk, den Kurden die Gründung eines gemeinsamen Staates der Türken und Kurden zugesagt. Auf der ersten Sitzung der Großen Nationalversammlung im April 1920 in Ankara waren rund siebzig kurdische Abgeordnete anwesend, die offiziell als "Abgeordnete Kurdistans" bezeichnet wurden.

Nachdem aber dieser Staat gegründet und im Lausanner Vertrag 1923 anerkannt worden war, brach Mustafa Kemal seine Versprechen für kurdische Autonomie und löste die Nationalversammlung auf. Er schloss kurdische Schulen und verbot jegliche Äußerung kurdischer Kultur.

Zwangsläufig wehrte sich die kurdische Bevölkerung dagegen mit immer neuen Aufständen, die mit brutalen Maßnahmen wie Bombenangriffen auf Dörfer und Einsatz von Giftgas auch gegen die kurdische Zivilbevölkerung niedergeschlagen wurden.

Nach dem vorerst letzten Aufstand Ende der 1930er-Jahre galt in den kurdischen Gebieten jahrzehntelang das Kriegsrecht. Es herrschte eine Friedhofsruhe, in der kurdische Kinder zwangstürkisiert wurden und bis heute jeden Morgen auf den Schulhöfen deklamieren müssen: "Wie glücklich bin ich, ein Türke zu sein!"

In den 1960er-Jahren wuchs in der Türkei der Unmut in der Bevölkerung ob der zunehmenden Kluft zwischen armen Bauern und Arbeitern einerseits und feudalen Großgrundbesitzern sowie reichen Städtern auf der anderen Seite. Die abgelegenen Dörfer in den kurdischen Gebieten im Südosten waren besonders davon betroffen.

Viele versuchten ihr Glück in den Städten und lebten in Armutsvierteln am Rande der Stadt, den sogenannten Gecekondus. Da viele der türkischen Sprache nicht mächtig waren, wurden sie zur besonderen Zielscheibe des türkischen Staates. Kurdische Kinder wurden in den Schulen misshandelt und gedemütigt, die Mütter konnten mangels Sprachkenntnissen nicht helfen, die Väter wurden in den Fabriken wegen ihrer kurdischen Herkunft diskriminiert.

Es war die Zeit, in der sich auch viele Kurden im Rahmen des Anwerbeabkommens nach Deutschland aufmachten und hier als "Türken" in den Fabriken schufteten. Kurden traten damals in der Öffentlichkeit kaum als solche in Erscheinung.

Nur wenige Deutsche wussten, dass sie kaum der türkischen Sprache mächtig waren und viele weder lesen noch schreiben konnten. Daher blieb in Deutschland das Problem dieser ethnischen Minderheit lange unbeachtet.

In der Türkei entstanden in dieser Zeit unter kurdischen Intellektuellen wieder neue oppositionelle Gruppen, wie etwa die "Arbeiterpartei der Türkei" (TIP). Darin entstand der revolutionäre Zirkel "Revolutionäre Kulturvereine des Ostens" (DDKO) aus jungen kurdischen Arbeitern und Studenten. Auch der spätere Gründer der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), Abdullah Öcalan gehörte dazu.

Sie machten die lokalen Großgrundbesitzer und den Staat für die schlechte ökonomische Lage und ihre kulturelle Unterdrückung verantwortlich. Die kurdische Bevölkerung traute sich wieder zu artikulieren, dass der türkische Staat sie wie ein Kolonialherr wirtschaftlich ausbeute und politisch unterdrücke. Die türkische Linke hatte in dieser Zeit noch kein Verständnis für die kurdischen Belange und stand dieser Entwicklung skeptisch bis feindlich gegenüber.

1971 gab es einen Militärputsch, der gegen demokratische Strukturen, aber vor allem gegen linke Bewegungen gerichtet war. Alle sozialistischen Parteien und Organisationen wurden verboten, aber die kurdischen Gruppen waren besonders von den Repressalien betroffen. Das war die Geburtsstunde der PKK. Eine Studentengruppe, der auch Öcalan angehörte, gründete 1975 die Bewegung "Revolutionäre Kurdistans", aus der 1978 im Dorf Fis in der Provinz Diyarbakir die kurdische Arbeiterpartei entstand.

Deren Gründungsmitglieder stammten meist aus ländlichen und ärmlichen Verhältnissen. In der ländlichen kurdischen Bevölkerung gewann die PKK schnell an Ansehen. Die Dörfler organisierten sich zunehmend gegen die Großgrundbesitzer.

Ein weiteres wichtiges Ereignis verlieh der PKK Bedeutung: im Dezember 1978 begingen in der Stadt Maraş Mitglieder der faschistischen Partei MHP und deren militanter Arm "Graue Wölfe" ein Massaker an kurdischen Aleviten, dem mehr als 100 Menschen zum Opfer fielen.

Die türkische Regierung sah den Ereignissen zunächst tatenlos zu. Kurz darauf wurde das Massaker zum Anlass genommen, um das Kriegsrecht über die gesamte Türkei zu verhängen. Dies geschah allerdings nicht, um die Täter zu finden und die Aleviten zu schützen.

1980 kam es erneut zu einem Militärputsch, der sich vor allem gegen die linke Bewegung in der Westtürkei richtete. 650.000 Menschen wurden festgenommen, gegen rund 200.000 ergingen Haftbefehle, darunter auch tausende Sympathisanten der PKK. In den Gefängnissen, besonders im berüchtigten Folterknast in Diyarbakir gab es großen Widerstand und Hungerstreiks gegen die schwere physische und psychische Folter.

Unter den damals Inhaftierten in Diyarbakir befand sich auch die Studentin und spätere HDP-Bürgermeisterin von Diyarbakir, Gültan Kışanak, die 2016 von der türkischen Regierung abgesetzt, durch einen Zwangsverwalter ersetzt und erneut inhaftiert wurde. Sie befindet sich bis heute wie tausende anderer Mitglieder der Demokratischen Partei der Völker (HDP) in Haft.

Das "Dorfschützer"-System

Öcalan war Anfang der 1980er-Jahre mit den verbliebenen PKK-Kadern in den Libanon gegangen. Dort war die Wiege der heutigen Guerilla-Armee, des militärischen Arms der PKK. 1984 begann die PKK den bewaffneten Kampf gegen das türkische Militär in den kurdischen Gebieten der Türkei. Die Regierung antwortete mit einem grausamen Krieg auch gegen die kurdische Zivilbevölkerung im eigenen Land: Sie setzte sogenannte Dorfschützer ein, kurdische Stämme, die staatskonformen Großgrundbesitzern unterstanden und vom Staat bewaffnet und besoldet wurden.

Viele Dörfer waren aus existenziellen Gründen dazu gezwungen, sich den Dorfschützern zu unterwerfen. Dörfer, deren Bewohner es ablehnten, gegen die Guerilla zu kämpfen, wurden dem Erdboden gleichgemacht. Zwischen 1988 und 1999 wurden auf diese Weise mehr als 3000 Dörfer entvölkert und teilweise zerstört. Mehr als zwei Millionen Menschen wurden im Zuge dieser Militäroperationen vertrieben.

Einheiten des Gendarmerie-Geheimdienstes JITEM ermordeten in den 1980er- und 1990er-Jahren zahlreiche Aktivisten, Intellektuelle, Journalisten und Politiker. Die Proteste gegen die Angriffe des türkischen Militärs auf Zivilbevölkerung weiteten sich unterdessen auf immer mehr Städte im Südosten aus. Die Nachrichten erreichten auch die Westtürkei - und in der Folge schlossen sich hunderte junger Frauen und Männer der PKK an. Die PKK wurde vor allem durch den anhaltenden Staatsterror von immer mehr Kurdinnen und Kurden als Befreiungsbewegung angesehen.

Der Riss ging durch alle Familien: Die einen versuchten sich mit der Regierung zu arrangieren, indem sie sich zu "guten Türken" assimilierten, die anderen gingen zur Guerilla in die Berge oder waren stolz, wenn Angehörige dies taten. Vor allem junge Frauen nutzten diese Möglichkeit aber oft auch, um der Zwangsverheiratung zu entgehen. Auch wenn die Vorläufergruppen der PKK vor allem aus Intellektuellen bestanden, kamen die meisten Mitglieder und Sympathisanten aus der Bauern- und Arbeiterschaft.

Anfangs gewann die PKK die Sympathie der traditionellen Bevölkerung nicht wegen ihrer ideologischen Standpunkte, sondern weil sie sich praktisch für die Rechte der kurdischen Landbevölkerung einsetzte. Sie war die einzige organisierte Kraft, die sich der Repression des türkischen Militärs und der Zerstörung des Lebensraumes entgegensetzten.

Die PKK verfolgte das Ziel, eine Lösung für das historische Siedlungsgebiet der Kurden in allen vier Ländern, Türkei, Iran, Irak und Syrien zu finden, anfangs mit der Idee eines unabhängigen kurdischen Staates. Ab 1993 modifizierte sie diese Forderung und entwickelte in den Folgejahren ein Modell der Autonomie und Selbstverwaltung jeweils innerhalb der mit dem Sykes -Picot-Abkommen beschlossenen Grenzen.

Transnationale Geheimdienstoperation: die Verschleppung Öcalans

Im Februar 1999 wurde der PKK-Vorsitzende Abdullah Öcalan vom türkischen Geheimdienst MIT aus Kenia in die Türkei verschleppt. Die Festnahme Öcalans löste in der kurdischen Community weltweit Wut, Enttäuschung und Ohnmacht aus. Es gab Mutmaßungen über die Verstrickung weiterer Staaten und Geheimdienste; die CIA betreffend ließ sich das später erhärten.

Im Februar 1999 wurde auch in Deutschland vor den Botschaften und Konsulaten verschiedener Staaten demonstriert, denen Teile der kurdischen Community eine Mitverantwortung für die Entführung Öcalans gaben. In Berlin versuchten kurdische Demonstranten das israelische Generalkonsulat zu besetzen. Israelische Sicherheitsleute schossen in die protestierende Menge. Drei Menschen wurden erschossen, etwa 16 verletzt.

Mit der Inhaftierung und Isolierung Öcalans dachten viele, sei das Ende der PKK gekommen. Aber es kam anders. Bei seinem Gerichtsprozess plädierte Öcalan für eine ‚Demokratische Republik Türkei‘ und rief dazu auf, den bewaffneten Kampf gegen die Türkei einzustellen. Dies wurde in der PKK und der türkischen Linken nicht von allen gutgeheißen. Viele warfen Öcalan Verrat oder Opportunismus vor. Trotzdem folgte die PKK am 1. September 1999 dem Aufruf Öcalans und zog sich in den Nordirak zurück.

Das türkische Militär ließ die PKK-Guerilla allerdings nicht einfach abziehen. "Beim Rückzug in den Nordirak kam es zu einem mörderischen Nachsetzen der türkischen Armee, teilweise in Kooperation mit Milizen der irakischen Kurdischen Demokratischen Partei (KDP). Viele PKK-Kämpferinnen und Kämpfer wurden getötet oder gefangen genommen", so Karin Leukefeld im Neuen Deutschland am 5. Februar 2002.

Das PKK-Verbot als Ausdruck einer langen Kumpanei

Im Juni 1993 war Tansu Çiller zur türkischen Ministerpräsidentin gewählt worden. Sie hatte den berüchtigten Gouverneur von Erzurum, Mehmet Ağar, zum Justizminister ernannt und damit zu einer weiteren Eskalation im Krieg gegen die kurdische Bevölkerung beigetragen. Ağar, der später wegen seiner Mafia-Verstrickungen im Gefängnis landete, hetzte damals seine JITEM- Todesschwadrone auf türkische und kurdische Linke, Gewerkschafter und Menschenrechtsaktivisten.

In Deutschland waren seit den 1980er-Jahren viele linke türkische und kurdische Kulturvereine entstanden, in denen sich geflüchtete Menschen aus der Türkei engagierten. Sie machten in Deutschland auf die Praxis des "Verschwindenlassens" von Oppositionellen, die systematische Folter in den türkischen Gefängnissen und die Unterdrückung des kurdischen Volkes aufmerksam.

Im Oktober 1993 wurde der Provinzchef der Gendarmerie in Lice von Unbekannten erschossen. Die türkischen Medien beschuldigten die PKK, während diese eine Beteiligung mit der Begründung, sie habe keine Vergeltungsschläge provozieren wollen, zurückwies. Einen Tag später übte das türkische Militär dann erwartungsgemäß Vergeltung: 16 Menschen fielen dem Massaker zum Opfer, weitere 36 Personen wurden zum Teil schwer verletzt. Insgesamt 402 Häuser und 285 Arbeitsstätten wurden vom Militär in Brand gesetzt, unzählige Menschen vertrieben.

In Deutschland gingen viele Kurdinnen und Kurden verschiedenster Organisationen empört auf die Straße. Bei den Protestaktionen wurden auch türkische Konsulate, Reisebüros und türkische Banken ins Visier genommen. Es kam teilweise zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen türkischen Nationalisten und kurdischen Demonstranten. Bei einem Brand in einem Lokal in Wiesbaden kam eine Person ums Leben.

Dem türkischen Ministerpräsidenten waren die Aktivitäten der linken Kurden im Ausland ein Dorn im Auge. Obwohl die linke kurdische Bewegung keine homogene Gruppe ist, sondern sich aus den unterschiedlichsten ideologischen Richtungen zusammensetzt, fokussierte Çiller alles auf die PKK und setzte sich vehement für ein Verbot insbesondere der PKK in Deutschland ein. Dieses wurde dann am 26. November 1993 auf Antrag des damaligen Innenministers Manfred Kanther (CDU) erlassen.

Mit der Begründung, man könne es nicht dulden, dass Konflikte aus den Herkunftsländern ausländischer Mitbürger gewalttätig in Deutschland ausgetragen werden, begann die bis heute andauernde Repressionswelle gegen linke kurdische Organisationen und Aktivisten. Für eine Verurteilung genügt in Deutschland, dass ihnen pauschal eine Unterstützung oder Mitgliedschaft in der PKK vorgeworfen wird. Noch am selben Tag der Verkündung des PKK-Verbotes startete eine bundesweite Razzia gegen kurdische Kulturvereine, kurdische Verlage, einer Nachrichtenagentur und des Kölner "Kurdistan-Komitees e.V."

In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, dass gewalttätige Angriffe der faschistischen "Grauen Wölfe" bis heute nicht unter den Terrorparagrafen fallen und deren Organisationen nicht verboten werden. Vergeblich sucht man bis heute nach rechten oder faschistischen türkischen Organisationen auf den Listen sogenannter "terroristischer Organisationen", obwohl diese nachweislich immer wieder Kritiker der türkischen Regierungen mit Morddrohungen, Hassmails und Mordplanungen gegen die linke kurdische Bewegung terrorisieren.

Damals kritisierten viele deutsche Medien das Verbot scharf: Die Bundesregierung unterstütze die Türkei bei der Unterdrückung der Kurden und kopiere in einer Allianz mit Ankara das Vorgehen des türkischen Nationalen Sicherheitsrats. Kurden, die sich assimilieren und ihre kurdische Identität verleugnen, würden akzeptiert und gefördert.

Diejenigen, die auf ihrer Identität beharren und sich weiterhin politisch engagieren, würden keinen Aufenthaltsstatus erhalten und würden kriminalisiert und abgeschoben. Inzwischen hat sich allerdings eine Mehrheit der deutschen Medien dem Framing von der "Terrororganisation PKK" unterworfen.

28 Jahre danach

Im Rahmen der seit 2015 stattfindenden kritischen Orientierungswochen für Erstsemester an der Universität Kassel referierte vergangene Woche die Initiative "Verbot aufheben" über die deutsche Repressionspolitik unter dem Titel: "Zwischen Kriminalisierung und Freiheitskampf: 30 verbotene Fahnen und immer noch kein Frieden".

Auf der Veranstaltung wurde auch auf eine bundesweite Demonstration am 27. November in Berlin hingewiesen. Deren Ziel sei es, "die kurdische Bewegung aus der politischen Isolation in Deutschland herauszuholen, um somit zumindest die Möglichkeit eines neuen Dialoges zwischen der internationalen Öffentlichkeit und der PKK zu ermöglichen und so vielleicht langfristig auch auf die Politik in der Türkei positiv einzuwirken". Dieser Dialog hätte nach Meinung der Initiatoren das Potenzial für weitreichende positive Veränderungen im gesamten Mittleren Osten.

Die deutsche Politik scheint daran allerdings kein Interesse zu haben. Die geplante Demonstration wird nun schon im Vorfeld massiv behindert: Die Internetseite, die seit Monaten für die Demonstration mobilisiert, hat der Provider vom Netz genommen.

Soziale Medien blockieren den Demonstrationsaufruf. Instagram löschte unter anderem Veranstaltungshinweise der Linksjugend Solid Berlin sowie der Kampagnen "RiseUp4Rojava" und "Women Defend Rojava". Man darf vermuten, dass die deutschen Sicherheitsbehörden entsprechenden Druck auf die Unternehmen ausüben, obwohl die Mobilisierung zu Demonstrationen durch das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit gedeckt ist.

Generell ist zu beobachten, dass Demonstrationen und Veranstaltungen, die sich mit dem Thema "Kurdistan" (gemeint sind die kurdischen Gebiete in den Ländern Türkei, Syrien, Irak und Iran, nicht ein potenzieller Staat "Kurdistan") befassen, zunehmend behindert werden, indem ein ‚PKK-Bezug‘ hergestellt wird. Immer häufiger wird im Vorfeld von den Sicherheitsbehörden Druck auf private Unternehmen, Provider oder Vermieter von Veranstaltungsräumen ausgeübt.

Letztlich trägt diese Repressionspolitik der Bundesregierung zur weiteren Verschärfung der Situation bei. Vor allem die jüngere Generation der politisch aktiven Kurdinnen und Kurden hat die Nase voll von den polizeilichen Übergriffen, für die unliebsame, aber nicht eindeutig verbotene Fahnen oder Parolen auf ihren Demonstrationen zum Anlass genommen werden.

Dies betrifft etwa die Wimpel der international für ihren Kampf gegen die "Islamischen Staat" (IS) gelobten syrisch-kurdischen Milizen YPG und YPJ, die mitunter als Ersatz für PKK-Fahnen gewertet werden und dann wieder nicht.

Viele Eltern dieser Jugendlichen sind in den 1980er- und 1990er-Jahren aus der Türkei vor Folter, Mord und Inhaftierung geflohen. Nun erlebt die in Deutschland geborene Generation auch hier Ausgrenzung und Repression gegen die kurdische Bevölkerung. Eine sehr gelungene Integrationsleistung der Bundesregierung.

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