Das Versagen der mächtigen Staaten beim G20-Gipfel

G20-Gipfelfoto u.a. mit dem Gastgeber Modi (indischer Premier), dem brasilianischen Präsidenten Lula und dem US-Präsidenten Biden. Bild: Lula Oficial / CC BY-ND 2.0

Kanzler Scholz spricht von "großem Erfolg". Doch tatsächlich stellt das Treffen eine Bankrotterklärung dar. Was das für den Ukraine-Krieg, nukleare Gefahren und die globalen Krisen bedeutet.

Man kann sich Vieles schönreden. So feierte Peter Hornung, ARD-Korrespondent in Neu-Delhi, den Erfolg auf dem G20-Treffen in Indien. Der indische Premier Narenda Modi habe ein Scheitern verhindert und die großen Industriestaaten und Schwellenländer auf ein gemeinsames Abschlussdokument vereint. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht im ARD-Interview sogar von einem "großen Erfolg".

Sicherlich ist es zu begrüßen, dass die Gruppe um die Afrikanische Union erweitert wurde. Zu ihr zählen 55 Länder, also alle afrikanischen Staaten mit rund 1,4 Milliarden Menschen. Das stärkt den Globalen Süden auf dieser Plattform.

Aber angesichts der großen weltweiten Krisen hat das internationale Forum nicht viel zu bieten und versagt letztlich vor der Beantwortung der drängenden globalen Fragen. Und das liegt vor allem, wenn auch nicht ausschließlich an den G7-Staaten unter US-Führung.

Nehmen wir das mediale Top-Thema Ukraine-Krieg. Nach der Kompromissformulierung zum Krieg reklamieren sowohl Russland als auch der Westen einen diplomatischen Sieg. Der russische Außenminister Sergej Lawrow erklärte, dass man "die Versuche des Westens, die Themensetzung des Gipfels zu ‚ukrainisieren‘", verhindert habe. Russland werde im Abschlussdokument "überhaupt nicht erwähnt".

Auf der anderen Seite erklären die USA und Großbritannien, sich durchgesetzt zu haben. Auch Kanzler Scholz lobt den Kompromiss als klares Signal an Russland. Obwohl Dokumente, die Telepolis vorliegen, zeigen, dass EU und Bundesregierung eine deutlichere Verurteilung Russlands anstrebten, aber damit scheiterten.

Der französische Präsident Emmanuel Macron betont schließlich, dass die Erklärung der G20-Staats- und Regierungschefs die Isolierung Russlands wegen seines Angriffs auf die Ukraine "bestätigt" und sich die Gruppe für einen "gerechten und dauerhaften" Frieden in dem vom Krieg zerrissenen Land einsetzt. Währenddessen reagiert Kiew enttäuscht. So teilt das ukrainische Außenministerium mit, die gemeinsame Erklärung der G20 sei "nichts, worauf man stolz sein kann", und kritisiert, dass Russland darin nicht erwähnt werde.

Es stimmt, anders wie beim letzten G20-Gipfel in Bali vor einem Jahr, wird Russland nicht mehr wegen seines Angriffskriegs explizit verurteilt. Manche mögen darin eine Haltungsänderung der USA und ihrer westlichen Nato-Verbündeten sehen.

Aber die abgeschwächte Formulierung hat doch mehr mit der Dynamik der Gruppe, Gesichtswahrung und dem Wunsch des Westens zu tun, die rhetorischen Wellen abzuflachen, die durch einen offenen Streit über die Ukraine mit den Brics-Ländern aufgeschaukelt worden wären.

In der Realität ist keine Kursänderung zu erkennen. Der letzte Nato-Gipfel im litauischen Vilnius im Juli zeigt das deutlich: Offenhalten eines Nato-Beitritts für die Ukraine, Aufnahme von Schweden und Finnland als neue Nato-Mitglieder, Insistieren der USA und der Nato auf maximalistischen Forderungen und keinerlei Diplomatie zur Beruhigung des Kriegs.

Dazu kommen die ungebrochen schweren Waffenlieferungen an die Ukraine, inklusive der weithin geächteten Munition mit abgereichertem Uran und den bereits gelieferten Streubomben, während die Ukraine mit Drohnen Moskau weiter angreift und die polnisch-belarussische Grenze zunehmend zum Pulverfass wird.

Auch bei anderen wichtigen Punkten wie der Welternährung, dem Getreideabkommen mit Russland, der finanziellen Unterstützung von Entwicklungsländern wurden wieder einmal keine konkreten Schritte vereinbart oder irgendwelche Aufbruchssignale ausgesendet.