Deutschland verliert Wettlauf um Rechenzentren
Deutschland verliert an Rechenleistung: Seit 2015 sank Anteil an globaler Serverkapazität auf 2,5 Prozent. Auswirkungen auf Zukunft des Wirtschaftsstandorts?
Rechenzentren bilden das Rückgrat der Digitalisierung. Mit der rasanten Entwicklung von Künstlicher Intelligenz (KI) und Cloud-Computing steigt der Bedarf. Doch Deutschland hinkt beim Ausbau der digitalen Infrastruktur hinterher, stellt der Digitalverband Bitkom fest. Gegenüber den USA und China drohe die Bundesrepublik, den Anschluss zu verlieren.
Mit dem Ausbau explodiert aber auch der Strombedarf der Datentempel, was die Branche vor Herausforderungen beim Klimaschutz stellt.
Deutschland fällt im internationalen Vergleich zurück
Laut einer aktuellen Studie des Digitalverbands Bitkom sinkt der Anteil deutscher Rechenzentren am weltweiten Serverbestand. Machten deutsche Server 2015 noch 3,5 Prozent der weltweiten Kapazitäten aus, sind es aktuell nur noch 2,5 Prozent.
"In den USA werden jedes Jahr zwei- bis dreimal so viele Kapazitäten neu zugebaut, wie in Deutschland überhaupt installiert sind", warnt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder. "Es ist höchste Zeit, gegenzusteuern. Ohne Rechenzentren keine digitale Souveränität."
Zwar wächst der deutsche Markt für Rechenzentren, doch die Investitionen von knapp dreizehn Milliarden Euro pro Jahr reichen nicht aus, um international Schritt zu halten. Gemessen an der Wirtschaftskraft ist die Rechenleistung deutscher Rechenzentren mit 610 Kilowatt pro Milliarde Euro BIP deutlich geringer als etwa in Großbritannien (670), den Niederlanden (930) oder den USA (1700).
Den Spitzenwert in Europa belegt Irland mit 2.310 Kilowatt Anschlussleistung pro Milliarde Euro BIP. China liegt laut Bitkom bei 2.100.
Hohe Stromkosten als Wettbewerbsnachteil
Ein wesentlicher Wachstumstreiber ist der Einsatz von Künstlicher Intelligenz. Laut Bitkom-Studie beanspruchen KI-Anwendungen derzeit 15 Prozent der Rechenzentrumskapazitäten in Deutschland, 2030 könnten es bereits 40 Prozent sein. "Deutschland und Europa müssen mehr in spezielle Hardware für KI investieren", betont Rohleder.
Der KI-Boom bringt aber auch Herausforderungen mit sich. 80 Prozent der befragten Rechenzentrumsbetreiber erwarten, dass der Stromverbrauch durch KI steigen wird. Aber auch der Wasserverbrauch dürfte demnach durch eine stärkere Kühlung deutlich ansteigen.
Schon heute liegt der Stromverbrauch bei 20 Milliarden Kilowattstunden pro Jahr. Bis 2030 könnte er – je nach Entwicklungspfad – auf bis zu 37 Milliarden Kilowattstunden steigen. Damit bleibt Deutschland hinter dem erwarteten Anstieg zurück: Das Bankhaus Goldman Sachs geht in einer Prognose von einer Verdreifachung des Stromverbrauchs durch Rechenzentren bis 2030 aus.
Wermutstropfen für eine schnellere Entwicklung sind die Energiepreise. Die im europäischen Vergleich sehr hohen Stromkosten sind laut Bitkom ein entscheidender Standortnachteil für deutsche Rechenzentren. Aber auch langwierige Genehmigungsverfahren und der Fachkräftemangel belasten die Branche.
Bitkom fordert "Aktionsplan Rechenzentren"
Um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können, fordert der Bitkom von der Bundesregierung einen "Aktionsplan Rechenzentren". Dazu gehören laut Rohleder "die richtigen regulatorischen Voraussetzungen, niedrigere Stromkosten, eine aktive Standortpolitik und optimierte Planungs- und Genehmigungsprozesse".
Notwendig sei auch eine Novellierung des Energieeffizienzgesetzes, um die Vorgaben mit den EU-Regeln zu harmonisieren. Zudem müssten die Genehmigungsverfahren vereinfacht und beschleunigt werden. "Der Rechenzentrumsstandort braucht einen Boost – und zwar schnell", mahnt Rohleder. "Eine erfolgreiche digitale Transformation von Wirtschaft und Verwaltung ist ohne leistungsfähige Rechenzentren nicht zu machen."