"Davos-Cluster" blockiert weiter Klimalösung

Beim Klimaschutz gibt es beim Weltwirtschaftsgipfel in Davos Worte statt Taten. Bild: Benedikt von Loebell / CC BY-NC-SA 2.0

In Davos trifft sich die globale Elite. Die Klimakrise wird dort seit Jahren als eine der größten Bedrohungen diskutiert. Doch es folgen keine Taten. Tatsächlich blockieren die Spitzen aus Politik und Wirtschaft Klimaschutz in ihren Ländern, sagt eine Studie. Die Wende muss von unten kommen, wie die Klimawahl in Australien zeigt.

Der Risikobericht des Weltwirtschaftsforums (WEF) in Davos warnt vor einer ganzen Reihe von Bedrohungen, die den Fortbestand der Menschheit gefährden. Dazu zählen die Effekte der Corona-Pandemie, von denen sich die Länder wirtschaftlich sehr unterschiedlich erholen (vor allem Indien ist sehr schwer getroffen), die wachsende soziale und globale Ungleichheit sowie Cyberrisiken. Ganz oben auf der Liste steht aber erneut die eskalierende Klimakrise.

Für den Bericht wurden rund 1.000 Experten und Führungspersönlichkeiten aus der Wirtschaft, Regierungen und der Zivilgesellschaft befragt. Sie haben das Versagen bei der Klimaschutzpolitik, extreme Wetterereignisse, Biodiversitätsverlust und Kollaps von Ökosystemen an Position drei der Top-10-Liste der globalen Risiken gemessen am Gefährdungspotential für die nächsten zehn Jahre gesetzt.

Dem Klimaschutz-Versagen der Staatengemeinschaft wird sogar das größte Potential zugesprochen, die Gesellschaften, Ökonomien und den Planeten schwer zu schädigen. Die Autoren des Berichts beklagen, dass die auf dem Klimagipfel in Glasgow letztes Jahr beschlossenen Maßnahmen nicht ausreichten, das in Paris anvisierte Ziel, die Erdeerhitzung nicht über 1,5 Grad Celsius steigen zu lassen, einzuhalten. Es sei aber noch nicht zu spät. Es müsse jetzt aber "entschlossen und integrativ" der Übergang gestaltet werden.

Die Klimakrise ist keineswegs das erste Mal auf die Agenda des Weltwirtschaftsforums im Schweizer Davos gerutscht, wo sich die globale Führungselite jedes Jahr trifft. Immer wieder stand die Krise im Fokus. Greta Thunberg hielt vor zwei Jahren eine Rede auf dem Gipfel und mahnte: "Unser Haus brennt". Doch seitdem geschieht wie zuvor nichts Entscheidendes, um die Klimawende einzuleiten.

Nach der Rezession im Zuge der Corona-Pandemie und ihrem dämpfenden Effekt auf die Emissionen steigen die globalen Treibhausgase sogar wieder an. Durch den Ukrainekrieg wird der Run auf die fossilen Energien zusätzlich angeheizt. Von Afrika bis zur Nordsee wird nach Öl und Gas gesucht und gebohrt. So kündigt der britische Öl- und Gaskonzern BP jetzt an, ein neues Ölfeld im britischen Teil der Nordsee zu erschließen. Erstes Öl könnte dort ab 2025 fließen. Auch in Deutschland wird über Ölbohrungen nachgedacht.

Während bei den jährlichen Treffen in Davos das Klimarisiko seit Jahren hoch eingeschätzt wird und ein Topthema in den Diskussionen ist, fehlt es an echten Taten der politisch und wirtschaftlich Verantwortlichen. Den Worten folgen keine Taten, nicht selten wird das Gegenteil getan und das Klima weiter geschädigt.

Das Davos-Cluster in Blockadehaltung

Eine Studie von 23 Fachautoren verschiedener Disziplinen kommt sogar zu dem Ergebnis, dass die sich in Davos versammelnden Eliten der Welt nicht nur nicht Teil der Lösung, sondern Hindernis für echten Klimaschutz und damit Teil des Problems sind. Die Autor:innen der Untersuchung stellen fest, dass sie eine zentrale Rolle bei der jahrzehntelangen Blockade der Energiewende gespielt haben. Kevin Anderson, renommierter britischer Klimaforscher und ehemaliger Direktor des Tyndall Center for Climate Change Research, fasst den Befund so zusammen:

Es ist die Machtstruktur, dominiert von einer relativ kleinen Gruppe, die wir in der Studie das Davos-Cluster nennen. Wir sprechen von relativ wenigen Menschen, die man als die globalen mobilen Eliten bezeichnen könnte. Es sind die Direktoren großer Unternehmen, Chefs mächtiger Regierungen, die Vorstände von Finanzinstitutionen und auch einige einflussreiche Wissenschaftler. Und diese exklusive Gruppe hat viel Macht in der Gesellschaft. Ihr Interesse besteht nun darin, diese Macht zu erhalten. Es geht ihnen nicht darum, auf ökologische oder soziale Herausforderungen zu reagieren. Diese Gruppe ist auch gar nicht dazu fähig. Sie können nicht aus ihrer Haut, um bei der Bewältigung des Klimawandels zu helfen. Und doch reden sie so, als ob sie es könnten.

Die Forscher betonen zugleich, dass an der gesellschaftlichen Basis orientierte Gruppen sich den Forderungen der Wissenschaft sehr wohl anschließen. Sie besäßen auch Macht, mehr tatsächlich, als die relativ kleine Gruppe in Davos. Sie müssten diese Macht aber nutzen, um die elitäre Top-Down-Politik überwinden zu können und eine andere Machtstruktur zu schaffen, die offener sei sowie Veränderung von unten ermögliche. Führungspersönlichkeiten seien zwar nicht gänzlich unwichtig für Klimaschutz. Aber, so Anderson:

Die Eliten versagen, sie sind ungeeignet, auf die Klimakrise zu reagieren. Sie sind einer Denkweise und einem Modell verhaftet, die das Problem verursacht haben und einer Lösung im Weg stehen. Wir brauchen also eine Mobilisierung von unten, die uns aus dieser Sackgasse, in der wir stecken, herausführen kann.

Australien und NRW: Klimaschutz könnte zum Machtfaktor werden

In Australien konnte man bei den Wahlen am Wochenende sehen, dass eine Mischung aus politischen Klimakampagnen und die Erfahrung der Klimaerhitzung zu Machtverschiebungen führen kann. Die konservative Regierung unter Scott Morisson, eng verknüpft mit der Kohlelobby, wurde im Zuge eines offen geführten Klimawahlkampfs aus der Regierung gespült. Die Labor Party gewann die Wahlen mit großem Abstand.

Der Kandidat der Labor Party Anthony Albanese hatte im Wahlkampf immer wieder betont, Klimaschutz energisch angehen zu wollen. Er betonte, dass man "zusammen die Klimakriege beenden könne. Zusammen können wir die Vorteile nutzen, Australien zu einer Supermacht der erneuerbaren Energien zu transformieren". Auch die australischen Grünen konnten entscheidend zulegen. Noch ist unklar, ob Albanese allein mit absoluter Mehrheit regieren kann oder mit den Grünen in eine Koalition gehen muss.

Umweltgruppen und Aktivist:innen sehen in dem Wahlergebnis einen wichtigen Sieg der Klimabewegung. Amanda McKenzie, Vorsitzende der Forschungsgruppe Climate Council, erklärte Klimaschutz zum eigentlichen Gewinner der Wahlen am Samstag.

Millionen Australier haben Klima an erste Stelle gesetzt. Jetzt ist die Zeit gekommen, den Reset-Knopf zu drücken und die Art zu ändern, wie unser Land mit der Klimaherausforderung umgeht.

Australien hatte in den letzten drei Jahren schwere Dürren und Waldbrände erlebt. Viele Australier:innen sind sehr besorgt über die klimatische Schädigungen auf ihrem Kontinent.

In Deutschland nimmt der Druck auf die politisch Verantwortlichen im Zuge der voranschreitenden Klimakrise ebenfalls zu. Auch hier sind die Auswirkungen der Erhitzung in den letzten Jahren immer deutlicher zu spüren: Hitzestress, Überschwemmungen und immer wieder schwere Stürme.

Am Freitagabend verwüsteten Tornados in Nordrhein-Westfalen Städte wie Lippstadt und Paderborn. Dutzende wurden verletzt. In Rheinland-Pfalz kam ein Mensch bei Unwettern ums Leben. Der Sachschaden geht in die Millionen. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) besuchte am Wochenende das stark vom Sturm getroffene Paderborn und betonte:

Dieses Unglück hier zeigt auch einmal mehr, dass wir uns auf solche Extrem-Wetterereignisse immer häufiger werden einrichten müssen. Dass wir darauf vorbereitet sein müssen. Und es zeigt natürlich auch die Bedeutung des Klimaschutzes. Das sieht man auch an einem solchen Unglück.

Nordrhein-Westfalen wurde bereits beim Hochwasser im letzten Jahr stark geschädigt. Das hat auch die Landtagswahlen vor einer Woche beeinflusst. Die Grünen konnten ihren Stimmenanteil verdreifachen. Heute trifft sich Hendrik Wüst mit ihnen zu ersten Sondierungsgesprächen, um eine mögliche Koalition auszuloten.

Allerdings zeigt ein Blick auf die Bundesebene auch, dass eine grüne Beteiligung an der Regierung nicht automatisch bedeutet, dass der Klimakurs entscheidend geändert wird. Die deutschen Klimaziele und Maßnahmen sind weiter nicht vereinbar mit dem Pariser Vertrag, die globale Erderhitzung bei 1,5- bis 2-Grad zu halten. Daher ist, wie der Bericht zum Davos-Cluster feststellt, weiter Druck aus der Gesellschaft entscheidend, um die schnelle und tiefgreifende Transformation weg von den fossilen Energien in den nächsten Jahren bzw. Jahrzehnten hinbekommen zu können.