Debatte in den USA: Soll die Ukraine mit US-Waffen russisches Territorium angreifen dürfen?

Kampfjet mit "Storm Shadow"-Marschflugkörpern

Auf dem Weg in Richtung Russland? Kampfjet bewaffnet mit "Storm Shadow"-Marschflugkörpern.

(Bild: Peter R Foster IDMA / Shutterstock.com)

US-Außenminister Blinken bringt Aufhebung von Verbot ins Spiel. Wenn die Ukraine aber Russland mit US-Waffen beschießt, könnte der Konflikt eskalieren.

Einem Bericht der New York Times (NYT) zufolge diskutiert die US-Regierung intern, ob das Verbot für die Ukraine, mit US-Waffen auf russisches Territorium zu schießen, gelockert werden soll. Dieses Verbot war von Anfang an Teil der Waffenlieferungen an die Ukraine, um "den Dritten Weltkrieg zu vermeiden", wie es Präsident Biden formulierte.

Neue Front eröffnet – neue Strategie gefordert?

Die Debatte sei von Außenminister Antony Blinken nach seiner Rückkehr aus Kiew angestoßen worden. Die Russen hätten eine neue Front im Krieg eröffnet und Waffen direkt jenseits der Grenze im Nordosten der Ukraine stationiert. Diese seien auf Charkiw gerichtet und die Ukrainer könnten nur mit nicht-amerikanischen Drohnen und anderen Waffen reagieren.

Ukrainische Truppen greifen seit Monaten russische Schiffe, Ölförderanlagen und Kraftwerke an, allerdings hauptsächlich mit ukrainischen Drohnen. Diese haben jedoch nicht die Leistungsfähigkeit und Geschwindigkeit der amerikanischen Waffen. Die Russen wiederum verbessern ihre elektronische Kampfführung und können ukrainische Drohnen und Raketen immer öfter abwehren oder ablenken.

Druck auf die USA wächst

Nachdem Großbritannien den Abschuss der gelieferten "Storm Shadow"-Marschflugkörper auf Ziele in Russland genehmigt hat, gerät das Weiße Haus zunehmend unter Druck. Zuletzt hatte die ehemalige Staatssekretärin im US-Außenministerium, Victoria Nuland, die britische Argumentation wiederholt: Die Ukraine habe "absolut das Recht, auf Russland zurückzuschlagen".

Auch eine Ausbildungsmission für ukrainische Truppen wird erwogen. Statt auf einem Truppenübungsplatz in Deutschland könnten US-Ausbilder die Soldaten in der Ukraine trainieren. Bislang hatte Präsident Biden dies untersagt, auch weil westliche Soldaten zum bevorzugten Ziel russischer Angriffe werden könnten. Eine weitere Eskalation wäre dann vorprogrammiert.

Luftoperationen könnten Ausnahme sein

Auch das US-Verteidigungsministerium hatte sich bisher gegen die Position der Hardliner um Nuland und Blinken ausgesprochen. Verteidigungsminister Lloyd Austin wiederholte kürzlich die übliche Position der Regierung, dass die von den USA gelieferten Waffen nur gegen Ziele innerhalb der Ukraine eingesetzt werden sollten.

Allerdings zeichnet sich auch bei ihm ein Positionswechsel ab. Austin deutete laut NYT an, dass es Ausnahmen für russische Flugzeuge geben könnte, die auf sicherem russischem Territorium direkt hinter der Grenze operieren und Gleitbomben in der Ostukraine abwerfen.

Russland nutzt Bedenken der USA aus

Aus Sicht der US-Regierung nutzt Russland die Sorge der USA vor einer Eskalation des Krieges aus. Moskau hat in dieser Woche öffentlichkeitswirksame Übungen mit Einheiten begonnen, die am Einsatz taktischer Atomwaffen beteiligt wären. Diese könnten gegen ukrainische Truppen eingesetzt werden.

Die US-Regierung scheint jedoch weniger empfindlich auf solche Drohungen zu reagieren als in den ersten Tagen des Krieges. Russland hatte in der Vergangenheit immer wieder mit einer Eskalation des Krieges gedroht, sollten westliche Truppen in den Krieg eingreifen oder russisches Territorium mit westlichen Waffen angreifen.

Zuletzt hatte der ehemalige russische Präsident Dimitri Medwedew Großbritannien gedroht. So schrieb er auf Telegram, wenn russisches Territorium mit britischen Waffen angegriffen werde, könnten britische Truppen in der Ukraine, aber auch außerhalb, Ziel von Angriffen werden. "In diesem Fall wird sich keiner von ihnen auf dem Capitol Hill, im Élysée-Palast oder in der Downing Street 10 verstecken können", Medwedew.

Da die russische Seite ihren Drohungen aber bisher kaum Taten folgen ließ, wird sie in den westlichen Hauptstädten kaum noch ernst genommen. Dies erhöht jedoch das Eskalationspotenzial in der aktuellen Situation, da der Kreml zunehmend zeigen muss, dass er es ernst meint.