Demokratie vs. Autokratie: Letztes Aufbäumen des Westens um globale Dominanz
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Mit Freund-Feind-Denken geht es gegen China, Russland, Iran. Das ist gefährlich. Denn der Westen ist zunehmend ohnmächtig auf der Weltbühne. Gastbeitrag.
Eine Besonderheit politischen Denkens im Westen ist die erstaunliche Fähigkeit, sich selbst zu rechtfertigen und zu entschuldigen, wenn man Gräueltaten begeht oder solche toleriert, die von Verbündeten begangen werden.
Diese Haltung ist verbunden mit der eigenartigen Tendenz, überall Feinde zu sehen, die angeblich entschlossen sind, Freiheit und Demokratie zu zerstören.
Negative Identität des Westens
Das ist nichts Neues. Es ist weder ein Nebenprodukt der Ära des Kalten Krieges noch der Zeit nach dem Kalten Krieg.
Seine Wurzeln reichen Tausende von Jahren zurück, zumindest bis zu den alten Griechen, die den Persern gegenüberstanden. Es stimmt mit Edward Saids Beobachtung überein, dass moderne Gesellschaften dazu neigen, "ihre Identität auf negative Weise zu definieren".
Mit anderen Worten, sie bekräftigen und verstärken sich selbst im Vergleich zu anderen Gesellschaften, die als gegensätzlich und minderwertig angesehen werden.
In gewisser Weise handelt es sich dabei um eine binäre Unterscheidung, die sich aus dem von der aristotelischen Philosophie übernommenen dichotomen Denken ergibt, das nach wie vor das westliche politische Denken prägt.
Demokratie gegen Autokratie: Das neueste Narrativ
Ein neueres politisches Konstrukt, das diese Denkweise stützt, ist das Narrativ "Demokratie gegen Autokratie", das von der Biden-Regierung unablässig propagiert wurde, bis zu dem Punkt, an dem es vollständig in die nationale Sicherheitsstrategie der USA aufgenommen wurde. Der Grundgedanke wurde von Washingtons Verbündeten, den orientierungslosen Europäern, die offenbar nicht in der Lage sind, ein eigenständiges strategisches Denken in Bezug auf ihre eigenen nationalen Interessen zu entwickeln, prompt akzeptiert.
In diesem Narrativ werden Russland, der Iran und China als die drei wichtigsten Autokratien dargestellt, die die von den USA geführte, auf Regeln basierende Weltordnung bedrohen. Und diese Weltordnung ist, ungeachtet dessen, wie viele westliche Theoretiker sie als Völkerrechtsordnung darzustellen versuchen, in Wirklichkeit etwas ganz anderes ist. Vielmehr könnte man sie treffend mit dem Motto zusammenfassen: "Für meine Freunde alles, für meine Feinde das Gesetz".
Testfälle für das neue westliche Narrativ sind die Konflikte in der Ukraine und im Gazastreifen sowie die Auseinandersetzungen mit China über das Südchinesische Meer, Taiwan und die beeindruckenden technologischen Errungenschaften des Landes.
Dystopische Ansichten
Um ein wirkliches Gefühl für solche dystopischen und problematischen Ansichten zu bekommen, muss man nur einen kürzlich erschienenen Artikel des Historikers Niall Ferguson lesen, einem der wichtigsten zeitgenössischen Apologeten des westlichen Imperialismus.
In einem schockierenden, 2.000 Wörter langen Artikel mit dem Titel "Die Ukraine braucht die totale Unterstützung des Westens – und Israel auch" erwähnt Ferguson nicht einmal die 30.000 in Gaza getöteten Palästinenser. Er stellt fest, dass "es vielleicht noch viel mehr Blutvergießen gegeben hätte", wenn der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu dem Aufruf seines Verteidigungsministers zu einem Präventivschlag gegen die Hisbollah im Libanon gefolgt wäre.
Mit anderen Worten: Wir sollten Netanjahu dankbar sein, dass er angesichts des anhaltenden Gemetzels im Gazastreifen eine höhere Zahl von Opfern im Libanon vermieden hat.
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In dieser Sichtweise sind Russland, die Hamas und die Hisbollah (und der Unterstützerstaat der beiden letzteren, der Iran) eingeschworene Feinde der westlichen Zivilisation. China ist der nächste Kandidat in der Liste.
Israel eher mit Russland zu vergleichen
Und die westlichen Demokratien tragen keine Verantwortung für die derzeitigen geopolitischen Spannungen, ungeachtet der eklatanten Doppelmoral, die in allen großen internationalen Krisen an den Tag gelegt wird.
Ferguson setzt die Ukraine mit Israel gleich, obwohl Israel aufgrund seiner jahrzehntelangen Besetzung palästinensischen Landes tatsächlich mit Russland verglichen werden sollte.
Der deutsche politische Theoretiker Carl Schmitt hat ausführlich über die Grundunterscheidung Freund-Feind geschrieben. Eine interessante Konsequenz seiner Arbeit ist der "Ausnahmezustand", der ein wesentlicher Bestandteil des Selbstauflösungswillens ist, den die westlichen Demokratien auch heute noch in den Trümmern von Gaza an den Tag legen.
Um die Demokratien vor ihren (realen oder imaginären) Feinden zu retten, muss diesem Prinzip zufolge manchmal die Demokratie selbst ausgesetzt werden.