Der Globale Süden stellt sich zunehmend gegen westliche Heuchelei – zu Recht
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- Globaler Süden verlässt die Seitenlinie
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China zeigt Selenskyj in Davos die kalte Schulter. Südafrika reicht gegen Israel eine Genozid-Klage ein. Wenn Moral und Macht multipolar werden. Kommentar.
Beim Treffen der Mächtigen und Reichen beim Weltwirtschaftsgipfel in Davos hielt der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Montag eine Rede. Er forderte die Staaten der Welt auf, die Ukraine weiter mit Rüstungsgütern zu unterstützen.
Raubtier-Rhetorik
Die Aufforderung war natürlich vor allem an den Westen gerichtet, an die USA und die EU-Staaten. Sie sind es, die seit fast zwei Jahren große Mengen an Waffen an Kiew liefern, um damit die von Russland militärisch gehaltenen Gebiete (Donbass, Krim) zurückzuerobern.
Für die Rede erhielt Selenskyj stehende Ovationen, die EU-Kommissionspräsident Ursula von der Leyen verkündete, ein Paket im Wert von 50 Milliarden Euro über vier Jahre für die Ukraine auch ohne Zustimmung Ungarns zu genehmigen.
Selenskyj nannte Putin ein "Raubtier", das sich nicht mit "Tiefgefrorenem" (sprich einem Waffenstillstand, um die Situation "einzufrieren") zufriedenstelle, obwohl der russische Präsident signalisiert hat, dass er offen für einen Waffenstillstand sei.
Selenskyj braucht "Rest der Welt"
Selenskyj warb zudem erneut für seinen 10-Punkte-Friedensplan. Darin wird Russland u.a. aufgefordert, sich von allen ukrainischen Gebieten zurückzuziehen, während russische Offizielle wegen Kriegsverbrechen angeklagt werden sollen.
Die New York Times berichtete am Dienstag: "Diese Forderungen werden von Analysten und sogar von Politikern, die den Vorschlag unterstützen, angesichts des derzeitigen Kräfteverhältnisses auf dem Schlachtfeld als unerreichbar angesehen".
Selenskyj weiß, dass er für seinen Plan nicht nur die Unterstützung der westlichen Staaten braucht. Denn der "Rest der Welt" ist geopolitisch immer relevanter geworden, insbesondere, weil die Länder des sogenannten Globalen Südens wirtschaftlich an Einfluss gewonnen haben.
Die wirtschaftliche Macht der Brics-Staaten
So vereinen die Brics-Staaten heute 30 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung auf sich, die der G7 liegt darunter – und die Tendenz läuft gegen USA, Deutschland, Japan und Co.
Daher betont der ukrainische Präsident in Davos, dass es ihm wichtig sei, dass Vertreter aus China und dem Globalen Süden an einem geplanten Ukraine-Gipfel teilnehmen, bei dem er für den Friedensplan eine internationale Allianz schmieden möchte. "Wir würden es sehr begrüßen, wenn China an unserer [Friedens-]Formel und an dem Gipfel beteiligt wäre", sagte er laut Reuters.
Doch die Regierungsvertreter aus Beijing (Peking) hätten der Ukraine in Davos die kalte Schulter gezeigt. Das berichtet jedenfalls Politico:
Chinas Entscheidung, sich nicht mit den Ukrainern zu treffen, schien beabsichtigt und nicht das Ergebnis eines Terminproblems zu sein. Ein hochrangiger US-Beamter sagte, Beijing habe die Bitte Kiews um ein Treffen zu einem bestimmten Zeitpunkt während der gegenseitigen Besuche in der Schweiz abgelehnt. Ein anderer leitender US-Offizieller sagte, China habe jegliche Treffen abgelehnt, nachdem Russland das Land aufgefordert habe, diplomatische Begegnungen mit der Ukraine zu beenden.
Unterschiedliche Interessen
Dieser Zwischenfall zeigt aber keineswegs, dass China – und in weiterem Sinn andere Länder wie Brasilien oder Südafrika – die Position der Ukraine nicht nachvollziehen können oder die russische Aggression gutheißen.
Die kalte Schulter Beijings demonstriert vielmehr, dass man in großen Teilen Asiens, Afrikas und Lateinamerikas versteht, dass es sich beim Ukraine-Krieg und -Konflikt um einen Stellvertreterkrieg handelt – provoziert und am Laufen gehalten durch die von den USA forcierten Nato-Ausdehnungsbestrebungen bis an die russischen Grenzen einschließlich Ukraine und Georgien, die von Moskau als roten Linien angesehen werden –, bei dem Washington und seine Verbündeten geopolitische Interessen verfolgen, während internationales Recht und Moral eine untergeordnete Rolle spielen.
Und man sieht sehr klar, dass die Interessen des Westens keineswegs deckungsgleich mit denen des Globalen Südens sind. Die stärksten Auswirkungen der Sanktionen werden beispielsweise von den ärmsten Ländern geschultert, in Form von steigenden Energie- und Lebensmittelpreisen.
Sicherlich haben die Entwicklungsländer schon früher nicht an die Werte-Mission der Supermacht USA und der Nato geglaubt, die immer wieder eigene Kriege, Invasionen und unfaire Handelsregime bzw. die ihrer Partner als globalen Kampf um Frieden, Demokratie, Freiheit, globale Ordnung und Prosperität für alle verkauft haben.