Der Transit-Coup der SETI-Astronomen

Um ihre Erfolgsaussichten zu erhöhen, wollen SETI-Forscher ausgewählte Sternregionen belauschen, weil von dort Zivilisationen gezielt Botschaften gen Erde gesendet haben könnten

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Während die Suche nach den erhofften außerirdischen Funk- oder Lasersignalen, der vielbeschworenen interstellaren Flaschenpost aus den Tiefen des Alls, bis dato ausgesprochen erfolglos verlaufen ist, tüfteln die weltweit verstreuten SETI-Forscher permanent an ihren Instrumenten und optimieren deren Technik und Sensibilität ohne Unterlass. Darüber hinaus werden sie nicht müde, fortwährend weitere Mittel und Wege sowie neue Zielsterne zu suchen. Dass es ihnen an Kreativität und Ideen wahrlich nicht mangelt, bewiesen sie jüngst einmal mehr auf dem diesjährigen "American Astronomical Society"-Treffen. In St. Louis, bei dem der Vorschlag laut wurde, mit dem neuen Allen-Telescope Array (ATA) alsbald zwei Bereiche in der Nähe der Sternbilder Stier und Schütze anzuvisieren, weil von dort aus außerirdische Intelligenzen regelmäßig Erdtransits beobachten und somit unseren Planeten systematisch untersuchen könnten.

„Ich erzähle meine Geschichte, weil ich es für dringend notwendig erachte, denkfähige, erwachsene Menschen auf die Ergebnisse der heutigen Forschungsaktivitäten vorzubereiten – nämlich die unmittelbar bevorstehende Entdeckung von Signalen außerirdischer Zivilisationen. Diese Entdeckung wird sich meiner Überzeugung nach noch vor dem Jahr 2000 bestätigen und die Welt maßgeblich verändern.“

Frank Drake, 1992

War es die Hybris, die einem überzeugten SETI-Forscher zu Eigen sein muss? War es Kalkül, ein bewusst an den Tag gelegter Zweckoptimismus, um den so dringend benötigten finanziellen Subventionsfluss nicht zum Versiegen zu bringen? Oder war es schlichtweg Ausdruck einer Naivität, von denen Forscher dieses radioastronomisches Randgebietes berufsbedingt allesamt betroffen sind?

Prof. Dr. Frank Drake. Bild: The National Radio Astronomy Observatory (NRAO)

Noch im alten Weltbild gefangen

Was jedenfalls der SETI-Pionier Frank Drake in seinem 1992 zusammen mit der New Yorker Wissenschaftsjournalistin Dava Sobel publizierten Buch „Is Anyone Out There? The Scientific Search for Extraterrestrial Life“ als höchst optimistische Prognose zum Besten gab, haben die vergangenen Jahre inzwischen längst widerlegt. Bis auf den heutigen Tag haben die nach Radiosignalen und neuerdings auch Lichtblitzen außerirdischer Provenienz suchenden SETI-Experten noch keine interplanetare Flaschenpost aus dem kosmischen Ozean angeln können. Alles, was im „Äther“ des Weltraums pulsiert, rauscht und zischt, findet seinen Ursprung in Energieformen wie der kosmischen Mikrowellen-Hintergrundstrahlung oder direkt in lebloser Materie, wozu Neutronensterne oder Nebel- und Gaswolken zählen. Sehen wir einmal von den Radioemissionen unserer vermeintlichen Zivilisation ab, die sich seit knapp 100 Jahren mit Lichtgeschwindigkeit von uns fortbewegen, herrscht im All auf interstellarer respektive (exo-) interplanetarer Ebene das große Schweigen – zumindest von unserer bescheidenen Warte aus gesehen.

Ein ATA-Teleskop auf Empfang. Tag und Nacht auf der Suche nach einem Radiosignal nichtirdischer Herkunft. Bild: SETI

Dass sich bislang kein außerirdisches Strandgut ans Erdufer verirrt hat und folglich die Fangquote der weltweit verstreuten SETI-Fischer desillusionierender Natur ist, schließt gleichwohl nicht aus, dass ein Kosmogramm einer fremden Kultur uns vielleicht schon morgen erreicht. Gestern noch im alten Weltbild gefangen, könnte mit der Bestätigung eines „First Contacts“ via Radiosignal bereits morgen eine neue Ära beginnen, mit der unser Horizont eine kaum vorhersehbare Erweiterung erfahren würde.

In drei Jahren soll das Areal mit 350 Radioteleskopen bestückt sein. Momentan sind knapp 50 einsatzbereit. Bild: SETI

In drei Jahren komplett betriebsbereit

Acht Jahre nach dem von Frank Drake so zukunftsgläubig prognostiziertem ersten Kontakt, der bekanntlich nicht stattfand, markierte Seth Shostak, einer der führenden Radioastronomen des SETI-Instituts in Mountain View (Kalifornien), unlängst eine neue Zäsur: "Bis zum Jahr 2024 werden Menschen außerirdische Signale auffangen."

Damit dieses Mal seine Prognose nicht – wie im Falle Drake – wie eine kunstvoll aufgepustete Seifenblase zerplatzt, sucht Shostak ständig nach Mitteln und Wege, die Suche nach ET & Co. mit immer besseren Instrumentarien und Suchstrategien zu verbessern.

Mensch und Teleskop – Größenvergleich. Bild: SETI/Lisa Grossman

Das mit Abstand beste und effektivste Instrument, mit dem Shostak und das SETI-Team in Kalifornien seit November 2007 arbeiten, ist das noch im Bau befindliche Allen Telescope Array (ATA), das als erste Interferometer-Radioteleskop-Anlage speziell für die Suche nach außerirdischem Leben konstruiert wurde. Obgleich mit ihm auch konventionelle radioastronomische Observationen durchgeführt werden, markiert die Antennenflotte den Paradigmenwechsel in der SETI-Forschung auf anschauliche Weise. Schließlich können dank ihrer Präsenz Radioastronomen bald 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche ungestört und ununterbrochen nach außerirdischen Botschaften Ausschau halten. Die bislang knapp 50 einsatzfähigen Schüsseln funktionieren tadellos. In drei Jahren soll das Netzwerk auf 350 Teleskope anwachsen. Mindestens 25 Millionen Dollar sind aber noch nötig, um das ehrgeizige Projekt zum Abschluss zu bringen.

Trotz aller Geldnöte und technischen Defizite der zukunftsträchtigen ATA-Anlage haben die kalifornischen Wissenschaftler inzwischen einen Plan ausgetüftelt, der darauf abzielt, mithilfe der Radioteleskop-Armada die Erfolgsaussichten eines ersten Kontakts merklich zu erhöhen. Dabei geht es ihnen nicht um einen Lauschangriff auf breiter Front, sondern um eine gezielt eingegrenzte Observation zweier erdnaher Sternregionen.

Richard Conn Henry. Bild: Johns Hopkins University

Schütze und Stier im Visier

Als ideale Zielobjekte schweben dabei einigen kalifornischen SETI-Forschern um Seth Shostak und Richard Conn Henry von der Johns Hopkins University in Baltimore (Maryland) und Steven Kilston von der Henry Foundation Inc. in Silver Spring (Maryland) zwei in der Nähe der Sternbilder Schütze (Sagittarius) und Stier (Taurus) gelegene Sternregionen vor, die im Gegensatz zu den bisher observierten Zielsternen eine Besonderheit aufweisen. Denn sollten dort intelligente Kulturen existieren, die eine annähernd ähnliche Technik und Sensibilität für extrasolare Planeten haben wie wir, könnten sie unseren Heimatplaneten mit ihren exotischen Teleskopen längst ins Visier genommen und dessen Transit genau verfolgt haben.

Darstellung der Szene, wie ein Erd- und Mondtransit vom Jupiter aussehen würde. Bild: Richard Conn Henry, Steven Kilston und Seth Shostak

Auf Mutter Erde zählt die Transit-Methode zu den effektivsten Verfahren zur Lokalisation von Exoplaneten. Bei dieser Beobachtungsvariante erfassen hochsensible optische Teleskope die geringen Helligkeitsschwankungen eines Sterns, die von vorbeiziehenden Planeten hervorgerufen werden. Steht der Sterntrabant zwischen Teleskop und extrasolarer Sonne, schwächt sich das Licht, das der Heimatstern aussendet, geringfügig ab, aber immer noch stark genug, um den unsichtbaren Planeten "sichtbar" zu machen, wobei diese Methode nur funktioniert, wenn der anvisierte Stern und der extrasolare Planet sowie die Erde in einer Linie stehen.

Spektakuläres Bild vom Venus-Transit am 8. Juni 2004. Bild: ESA

Unsichtbare Planeten sichtbar machen

Leider ereignen sich solche Durchgänge von Planeten vor der hellen Scheibe ihres Muttersterns statistisch gesehen nur selten, sodass Erfolge nur über die Tugenden Geduld und Beharrlichkeit erzielt werden können. Bisweilen müssen die Planetenjäger sogar den unbekannten Faktor „Glück“ strapazieren. Schließlich lassen sich Planeten via Transit nur aufspüren (dies sei nochmals wiederholt), wenn aus der Perspektive des Beobachters der Sterntrabant zwischen Teleskop und extrasolarer Sonne steht und die Planetenbahn nahezu senkrecht zur Himmelsebene liegt. Nur dann lässt sich das geringfügig abgeschwächte stellare Licht messen, wobei die extrem geringen Schwankungen nur schwer zu berechnen sind.

Bisher sind laut Jean Schneider 303 Exoplaneten gefunden und bestätigt worden, wobei zu erwähnen bleibt, dass in der Planetenjägergemeinde andere Gruppen diesbezüglich völlig andere Zahlen vorlegen. Bild: NASA

Dennoch können die Wissenschaftler aus der Intensität und Dauer dieser Schwankungen auf die Größe und Umlaufbahn des Planeten schließen. Aber mehr noch: Mittels einer Spektralanalyse, bei der das von Planeten reflektierte Licht in seine verschiedenen farblichen Bestandteile zerlegt wird, könnten später besonders leistungsstarke im Verbund operierende Teleskope die Temperatur und chemische Zusammensetzung der jeweiligen Planeten-Atmosphäre im Infrarotlicht analysieren. Da jedes chemische Element einen unverwechselbaren Fingerabdruck im Lichtspektrum hinterlässt, verraten sich dabei auch alle Biosignaturen, also alles, was indirekt auf Leben hindeutet. Die teleskopeigenen Spektrografen können dann das von den Planeten reflektierte Licht in seine farblichen Bestandteile zerlegen und dabei nach Gasen wie Sauerstoff, Wasserdampf, Kohlendioxid oder Methan Ausschau halten, was ein starkes Indiz für die Anwesenheit von Wasser und biologischer Aktivität auf der fernen Welt wäre.

Künstlerporträt eines Exoplaneten, der fernab der habitablen Zone seines Systems liegt. Bild: NASA

Erdtransits und Aliens

Genau diese Gedankengänge könnten nach Ansicht der kalifornischen SETI-Astronomen auch vernunftbegabte Wesen fernab der Erde längst verinnerlicht und technisch umgesetzt haben. Es sei doch naheliegend, so argumentieren sie, dass technologisch hochentwickelte Kulturen inzwischen unseren Planeten via Transit-Technik entdeckt und die chemische Zusammensetzung seiner Atmosphäre bereits mithilfe von Spektrografen studiert haben. Warum sollten diese dann nicht – in Kenntnis der biologischen Vielfalt unserer Welt – den technisch versierten Bewohnern solcher Systeme ein Kosmogramm senden. Dies sei doch naheliegend, wie Richard Conn Henry betont:

"Wenn solche Zivilisationen da draußen existieren – wovon wir keine Kenntnis haben – würden solche, deren System sich in der Nähe der Ebene des Erdorbits um die Sonne befindet, höchst motiviert sein, Nachrichtensignale zur Erde zu senden, weil ihnen mit Sicherheit der jährliche Transit unseres Planeten vor der Sonne aufgefallen wäre. Die Beobachtungen sagen ihnen, dass die Erde in einer habitablen Zone liegt, in der sich flüssiges Wasser halten kann. Und mittels spektrografischer Analysen unserer Atmosphäre wissen sie längst, dass die Erde sehr wahrscheinlich Leben trägt.“

Da die in der Nähe der Sternbilder Stier und Schütze liegenden Regionen just in jenem stellaren Bereich beheimatet sind, wo sich Ekliptik und die Ebene der Milchstraße am Himmel schneiden, wollen die Wissenschaftler mit ihrer Suche zunächst einmal dort beginnen. Und für diese Aufgabe ist eben keine andere Anlage besser geeignet als das Allen Telescope Array in Kalifornien. Es soll die gesamte Ekliptik absuchen und dabei alle Sterne und hiesigen Planeten anvisieren, von denen aus potentielle technisch versierte Aliens den Transit der Erde verfolgen können. Die ersten Testläufe starten, wie Seth Shostak diesem Magazin bestätigte, Ende dieses Sommers. Der unerbittliche Optimist des SETI-Instituts in Kalifornien glaubt zudem felsenhaft daran, dass wenigstens einige außerirdische Zivilisationen bei einer solchen Entdeckung reagieren und eine Grußbotschaft ins All senden werden:

„Wenn also eine außerirdische Gesellschaft, die unseren Planeten via Transit aufgespürt hat, brennend daran interessiert ist, mit uns in Kontakt zu treten, würden sie uns, wenn sich eine solche Mini-Eklipse ereignet, ganz gezielt ein getimtes Signal senden. Und da sie ja nur jeweils ein Sternsystem anfunken würden, wäre ihre Vorgehensweise zudem ziemlich ökonomisch.“

Hubble-Aufnahme eines Sterns mit einem (möglicherweise) planetaren Begleiter namens TMR-1C. Beide Himmelskörper sind im Sternbild Stier zuhause. Dieses Bild veröffentlichte die NASA vor mehr als 10 Jahren. Bild: NASA

Bis auf den heutigen Tag haben laut dem offiziellen Interaktiven Exoplaneten Katalog von Jean Schneider die Planetenjäger allein mit der Transit-Methode von den insgesamt 303 bisher bestätigten Exoplaneten sage und schreibe allein 51 um ferne Sonnen aufgespürt. Damit erweist sich dieses Verfahren nach der Radialgeschwindigkeitstechnik als die zweiteffektivste Technik zur Lokalisation extrasolarer Planeten. "Es kam mir der Gedanke, dass außerirdische Zivilisationen entlang der Ekliptik wohl ähnliche Beobachtungen bezüglich der Erde machen. Sobald sie festgestellt haben, dass die Erde bewohnbar ist, könnten sie damit anfangen, uns Nachrichten zu senden", vermutet Ray Villard vom Space Telescope Science Institute (STScI) in Baltimore, der als Leiter der Öffentlichkeitsarbeit des STScI Ende 2001 eine seinerzeit vielbeachtete Pressemeldung lancierte, als das Hubble-Weltraumteleskop einen Transit eines 150 Lichtjahre von der Erde entfernten Exoplaneten beobachtete, der mit 63 Prozent der Jupitergröße alles andere als erdähnlich gewesen war.

Das NASA-ESA-Weltraumteleskop Hubble war auch beim Aufspüren von Exoplaneten mehrfach erfolgreich. Bild: NASA

Letzten Endes hänge alles vom zeitlichen Faktor ab, von der Länge der Überlebensdauer der fremden Zivilisationen. „Wir haben keine Ahnung, wie viele – wenn sie überhaupt existieren – andere Zivilisationen in unserer Galaxis vorhanden sind“, gesteht Richard Conn Henry. Schließlich sei der kritische Faktor in der Tat die Lebenspanne einer Zivilisation. Die Frage sei, wie lange solche überleben. Wenn sie womöglich seit mehreren Millionen Jahren existieren, müssten sie unseren Planeten laut Henry per Transit längst ausgemacht haben. "Sie werden dann wissen, dass auf der Erde Leben gedeiht, und sie werden Geduld dafür aufbringen, leicht detektierbare Radio- oder Lichtsignale in unsere Richtung zu senden.“

Informatives 11-minütiges Video über die neuen ATA-Anlage der SETI-Forscher in Kalifornien.

Neuerdings gibt es auf der ATA-Anlage auch zwei Webcams, von denen alle 10 Minuten ein neues Bilder des Areals ins Netz gestellt wird.