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Der Traum vom besseren Leben: Biffo, die fliegende Minirocknonne und ein Schiff aus der Karibik

The Long Good Friday

Make Britain Great Again - Teil 2

Teil 1: Die Themse, der Brexit und ein Gangsterfilm [1]

Nach dem Zweiten Weltkrieg, den sie eigentlich gewonnen hatten, sahen sich die Engländer als eine Nation im Abstieg. Der Rückzug aus den Kolonien in den 1950ern und 1960ern und die Umwandlung des Empire in einen Commonwealth of Nations waren nicht dazu geeignet, das englische Selbstbildnis freundlicher zu gestalten. Der Verlust des Weltreichs ist ein bis heute unbewältigtes Trauma und hat immer wieder Figuren hervorgebracht, die eine Rückkehr zur alten Größe versprechen - von den Brexiteers unserer Tage bis zum Gangster Harold Shand in The Long Good Friday.

Queen Mum und die "Nig Nogs"

Während Harold auf der Themse den Einstieg seiner Bande, der "Corporation", ins Immobiliengewerbe feiert wird im Schwimmbad sein Freund Colin ermordet. Ein anderer Gangster stirbt, als Harolds Rolls Royce in die Luft fliegt. Ein in seinem Spielcasino deponierter Sprengsatz geht durch einen Fehler im Zündmechanismus nicht hoch. Shand fährt zum wegen veralteter Hafenanlagen und mangelnder Rentabilität in Abwicklung befindlichen King George V Dock, um mit Chefinspektor Parker ("Parky"), einem der von ihm bestochenen Polizisten, die Lage zu besprechen.

Sehr gelungen ist der lange Tracking Shot, der Shand und Parky (gespielt vom Fernsehkomiker Dave King) durch die verlassene Docklandschaft begleitet. "Wir können hier keine Bomben haben, die in die Luft gehen, Harold", sagt der korrupte Polizist. "Wir können keine Leichen haben." Nach dieser Ermahnung unterhalten sich die beiden darüber, wie es früher war und was die Zukunft bringen wird. Hier in diesem Dock, erinnert sich Parky, kamen nicht nur Waren aus aller Welt an, er hat sich auch von einer Indonesierin die Syphilis geholt, als junger Bobby. So war das, als Britannien noch groß war und ein Empire hatte.

Queen Mum und die "Nig Nogs" (0 Bilder) [2]

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"Und hier", sagt Parky, "soll also das Stadion für die Olympiade von 1988 gebaut werden." Heute ärgert sich Barrie Keeffe darüber, dass er ein Datum in den Dialog geschrieben hat. Die Olympiade fand dann doch erst 2012 statt. Für Iain Sinclair, einen der schärfsten Kritiker der von Margaret Thatcher angeschobenen Entwicklung, tut das der prophetischen Qualität des Films keinen Abbruch. Sinclairs Meinung nach ist das, was in den Docklands als "Stadtentwicklung" verkauft wird, eine moderne Form der Piraterie.

Der Weltumsegler Francis Drake, gern als Vater der britischen Marine gerühmt, steht am Anfang der britischen Expansionspolitik und wurde dafür in den Docks geadelt. Drakes Nachfolger sind Immobilienritter und erbeuten Land, das man bebauen kann. Ob 1988 oder 2012, für Sinclair ist die Olympiade vor allem eines: "Die Förderung eines großen Events als Nebelwand für kommerzielle Piraterie", wie er im Gespräch mit Keeffe sagt (abgedruckt in 70x70). Keeffe widerspricht ihm nicht.

Parky lacht. "Kannst du dir Nig Nogs vorstellen", fragt er Harold, "die hier an diesen Kais Weitsprung machen?" "Steck ihnen eine Rakete in den Arsch, dann springen sie schon", antwortet Harold. Die beiden Herren sind auch Rassisten. Ein "Nig Nog" kann ein einfältiger Mensch sein. Hier sind eindeutig Schwarze damit gemeint, als britische Form von "Nigger". Von der Mutter der aktuellen Königin, der durch Heirat mit einem seiner Söhne mit King George V verwandten Elizabeth Bowes-Lyon, ist überliefert, dass sie Schwarze gern als "Nig Nogs" bezeichnete.

Ob das so stimmt, weiß man nicht genau. Zeitzeugen haben es bestätigt, andere energisch dementiert, wieder andere haben angemerkt, dass es nicht böse gemeint war, wenn die allseits beliebte alte Dame so etwas sagte. Jedenfalls ist ihr Name mit den "Nig Nogs" verbunden. Queen Mum soll privat gegen die Apartheid gewesen sein, aber auch gegen die Selbstbestimmung der Schwarzen in Afrika. Ihr wird der Satz zugeschrieben, dass "Nig Nogs" ihre eigenen Länder nicht regieren können, weil sie dazu - als Schwarze - nicht fähig sind. Ob irrtümlicherweise oder nicht: Harold und Parky fühlen sich in royaler Gesellschaft, wenn sie Witze über die "Nig Nogs" machen.

Nachdem man gemeinsam gelacht hat bringt Shand die Rede auf den eigentlichen Grund für das Treffen: Wer könnte hinter den Anschlägen stecken? Trotz Harolds’ persönlichem Höhenflug: Das britische Gangstertum hat schon bessere Zeiten erlebt. Die Konkurrenz aus Tottenham, erfährt man, kann nicht einmal eine Autobatterie klauen, ohne sich einen Stromschlag zu holen. Einige aus der Bande der Clancys sind aus dem Gefängnis freigekommen, aber ein Bombenanschlag ist zu kompliziert für sie, und niemandem wurden die Zähne ausgerissen (ein Markenzeichen der für ihren Sadismus berüchtigten Richardsons).

Parky muss einen Schreckmoment verkraften, als ihm Harold den Koffer mit der im Casino gefundenen Bombe überreicht. Er soll sie im Polizeilabor untersuchen lassen, aber nur privat. Wozu hat man sonst die Polizei? Harold hätte auch gern den Namen von Parkys wichtigstem Spitzel, um ihn auszuquetschen. "Auf keinen Fall", sagt der Chefinspektor, denkt jedoch rasch um, als Shand anfängt, von den glänzenden Geschäften zu schwärmen, die man 1988 (oder 2012) in den Docklands machen werde. Milliarden sei der Grundstücksdeal dann wert, sagt der Gangster, und er, Parky, könne einen Anteil daran haben.

Francis Drake und die Nazis

"Prozente?", fragt der Polizist. Na gut. Sein Informant heißt Erroll. Erroll the Ponce aus Brixton. Das ist ein schönes Beispiel dafür, wie The Long Good Friday seine Treffer setzt, und warum der Film noch immer aktuell ist, oder immer wieder, auf eine stets neue (und doch alte) Weise. Francis Drake ist eine Figur aus Romanen und Geschichtsbüchern, aber er ist auch Errol Flynn, der Heldendarsteller aus den ehemaligen Kolonien (von der zu Australien gehörenden Insel Tasmanien). Flynn spielt den "Freibeuter der Königin" in The Sea Hawk, einem 1940 in propagandistischer Absicht gedrehten Piratenfilm.

The Long Good Friday

Die Hauptfigur heißt Thorpe, doch die Handlung orientiert sich an den Heldentaten von Francis Drake. Captain Thorpe geht auf Kaperfahrt, raubt spanische Schiffe aus und versucht, die Königin davon zu überzeugen, dass England eine starke Kriegsflotte braucht, um den Angriff der spanischen Armada abwehren zu können. Übertragen auf das Jahr 1940 sind das Nazideutschland und die Luftwaffe. Michael Curtiz’ Der Herr der sieben Meere (deutscher Verleihtitel) sollte in den USA die mäßig ausgeprägte Bereitschaft zum Kriegseintritt fördern und im Vereinigten Königreich den Durchhaltewillen stärken.

Das für Propagandazwecke eingerichtete Informationsministerium half dabei, dem Film ein möglichst großes Publikum zu verschaffen. So etwas wirkt lange nach und gräbt sich in das kollektive Gedächtnis ein. Anlässlich der 400-Jahr-Feiern zur Weltumsegelung wurde The Sea Hawk aus dem Archiv geholt. Er lief im Fernsehen, in britischen Kinos und bei Sonderveranstaltungen an historischen Schauplätzen. Nostalgiker vermissten die einst vom Informationsministerium gewünschten Einstellungen, mit denen der Film im Zweiten Weltkrieg endete: eine Überblendung von elisabethanischen Segelschiffen auf ein modernes Kriegsschiff und von da weiter auf den im Wind flatternden Union Jack.

Francis Drake und die Nazis (0 Bilder) [4]

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Wer bis dahin nicht mitgekriegt hatte, dass Errol Flynn Francis Drake war, erhielt bei den von 1978 bis 1980 abgehaltenen Jubelfeiern zum Jubiläum der freibeuterischen Kulturleistung Gelegenheit zum Schließen dieser Wissenslücke. Vor diesem Hintergrund ist es ziemlich frech, aus Erroll - laut Besetzungsliste mit zwei l - einen schwarzen Zuhälter (ponce) mit westindischen Wurzeln zu machen. In der Karibik erlebte Sir Francis einige seiner nicht so ruhmreichen Abenteuer. Zu Beginn seiner Seefahrerkarriere versuchte er, im Geiste des freien Unternehmertums, das spanische Monopol auf den Sklavenhandel zu brechen.

Weil die Geschichte oft seltsame Kapriolen schlägt (und weil Keeffe wusste, wovon er schrieb), bündelt sich das Ganze in Tilbury, das Harold Shand erwähnt, wenn er Charlie, seinem Investorenfreund von der Mafia, davon erzählt, wie voller Leben die Londoner Docks früher waren, und wie viele Schiffe es dort gab. Tilbury ist nicht nur der Ort an der Themse, an dem Elisabeth I. ihre berühmte Rede an die Truppen hielt, in Erwartung der (dann ausbleibenden) Armada. Es ist auch nicht nur der Ort, der den Royal Docks das Geschäft mit den Containern abjagte, weshalb die Docklands zum Spekulationsobjekt für die Immobilienbranche wurden.

"Westward Ho!" und die SS

Im Hafen von Tilbury legte im Juni 1948 das Schiff Empire Windrush an (früher ein deutscher Truppentransporter). An Bord waren 492 Passagiere aus Jamaika, Trinidad, Tobago und anderen westindischen Inseln. Damit begann die Zuwanderung aus der Karibik. Für die amtierende Labour-Regierung war das ein Albtraum, obwohl ihren eigenen Schätzungen nach 1,3 Millionen zusätzliche Arbeitskräfte gebraucht wurden, wenn die nach fünf Kriegsjahren stark geschwächte Wirtschaft prosperieren sollte.

Das Problem war ein Gesetz, der British Nationality Act von 1948, mit dem die Regierung versuchte zu definieren, was "britisch" ist. Das Ziel war es, möglichst viel vom Empire zu retten und die Bindungen zwischen dem Mutterland und Commonwealth-Nationen wie Kanada und Australien zu stärken. Mit dem Gesetz wurde ein neuer Status geschaffen, der von "Bürgern des Vereinigten Königreichs und der Kolonien". Der Nationality Act bekräftigte das Recht aller in Großbritannien und den Kolonien geborenen oder dort eingebürgerten Menschen, innerhalb des Commonwealth frei zu reisen und zu leben und zu arbeiten, wo sie wollten.

Empire Windrush. Bild: Royal Navy

Wir sind alle Briten, verkündeten die Politiker im Mutterland, aber "britisch" war in erster Linie: weiß. Offenbar konnten sich Leute wie der damalige Premierminister Clement Attlee nicht vorstellen, dass nicht nur Weiße aus Neuseeland von der Reisefreiheit Gebrauch machen würden, sondern auch Menschen mit dunklerer Hautfarbe aus der Karibik und aus Asien. Auf das Herannahen der Empire Windrush reagierte die Regierung Attlee so panisch, als stünde eine neue Invasion bevor. Einer der abstruseren, von Beamten ausgearbeiteten Vorschläge war der, das Schiff nach Ostafrika umzuleiten und die Passagiere (gut qualifizierte Handwerker) bei der Erdnussernte einzusetzen.

David Olusoga hat für die BBC-Dokumentation The Unwanted: The Secret Windrush Files [6] alte Akten gesichtet und erinnert daran, dass zur selben Zeit ein Programm zur Bekämpfung des Arbeitskräftemangels lief. Dieses Anwerbeprogramm firmierte unter dem Namen "Operation Westward Ho". Westward Ho! ist der Titel eines viel gelesenen Romans des viktorianischen Bestsellerautors Charles Kingsley, der den Kampf der elisabethanischen Freibeuter gegen die Spanier romantisiert. Kingsley feiert den Imperialismus und Francis Drake als seinen Kulturhelden. Die Spanier sind Katholiken und somit böse, weshalb man sie ausrauben darf.

Zwischen 1946 und 1950 ließen sich rund 180.000 "Freiwillige" (European Voluntary Workers, kurz: EVWs) in Großbritannien nieder. Sie erhielten - zumindest theoretisch - dieselben Rechte und dieselbe Bezahlung wie ihre britischen Arbeitskollegen, und im Rahmen der "Operation Westward Ho" durften sie enge Familienangehörige nachholen, um das Anwerbeprogramm attraktiver zu machen. Die EVWs waren überwiegend Displaced Persons vom Balkan, aus Polen und der Ukraine sowie aus Lettland, doch es waren auch viele Deutschstämmige darunter, die bei Kriegsende aus ihrer Heimat vertrieben worden waren.

Die Not war so groß, dass die Briten sogar ehemalige Angehörige der Waffen-SS anwarben, die man im Freund-Feind-Schema von Kingsleys Roman (der erste überhaupt, der von der BBC als Hörspiel adaptiert wurde) ganz leicht für die Katholiken einsetzen könnte. Aus Sicht der verantwortlichen Politiker war das immer noch besser, als Schwarze aus den Kolonien ins Land zu lassen. "In ihrer extremsten Form bestand die Regierungspolitik darin", stellt Olusoga fest, "Männern, die gegen Großbritannien gekämpft hatten, den Vorzug gegenüber Männern zu geben, die Veteranen der britischen Streitkräfte waren, und das alles, weil diese Veteranen schwarz waren." SS-Angehörige waren weiß.

Keep England White

Am 22. Juni 1948 gingen in Tilbury die ersten Männer von Bord der Empire Windrush, die nun "ein farbiges Element in unsere eigene Bevölkerung einbringen" würden, was man nicht mehr werde rückgängig machen können, wie ein hoher Beamter drei Monate zuvor in einem Papier für die Regierung gewarnt hatte. 1951, als Winston Churchill noch einmal zum Premierminister gewählt wurde, wanderten jährlich etwa 3000 Menschen aus der Karibik zu. Das Mutterland empfing sie nicht so sehr wie britische Staatsbürger (die sie waren) als vielmehr wie eine Bedrohung, gegen die man sich wappnen musste.

Eine der ersten Unterkünfte für die Neuankömmlinge war eine leer stehende Lagerhalle im Londoner Stadtteil Brixton. Viele von ihnen blieben in der Gegend. In Brixton bildete sich eine größere westindische Community, weil sich Immigranten am liebsten dort niederlassen, wo bereits Leute aus der alten Heimat leben. Die, die schon länger da sind, sehen solche Entwicklungen oft mit Misstrauen und fühlen sich überfremdet. Als sich der Betreiber eines Pubs in Brixton weigerte, Getränke an Schwarze auszuschenken, sah Churchill sich in seiner Meinung bestätigt, dass die Einwanderung (von Nicht-Weißen) die größte Herausforderung sei, die seine Regierung zu bewältigen hatte.

Der Premierminister scheint unter einer regelrechten Phobie gegen schwarze Postangestellte gelitten zu haben. Überall waren sie anzutreffen. Der Postminister musste eruieren, um wie viele Personen es sich da handelte und ob sich daraus schwerwiegende "soziale Probleme" ergeben könnten. Resultat: Die Post hatte 500 bis 600 schwarze Mitarbeiter - viel zu viele für ein Land mit damals 50 Millionen Einwohnern. Im Kabinett zirkulierte ein Schreiben des Ministers, der darauf hinwies, dass man diese Menschen schlecht diskriminieren (feuern) könne, weil sie zwar "Farbige", aber eben auch britische Staatsbürger seien.

Man müsse sich daher fragen, so der Minister, ob man "Farbigen" aus dem Commonwealth weiter die Einreise gestatten sollte. Gegenmaßnahmen waren aber kompliziert, weil es dieses Gesetz von 1948 gab und niemand als Rassist dastehen wollte, so kurz nach dem Sieg über die Nazis und ihre rassistische Ideologie. Also wurde eine mit hohen Beamten bestückte Arbeitsgruppe etabliert, die "objektive" Gründe dafür liefern sollte, warum die Zuwanderung schlecht für die britische Gesellschaft war, wenn die Immigranten keine Weißen waren.

Am 2. Juni 1953 wurde Elisabeth II. zum Oberhaupt des Vereinigten Königreichs und des Commonwealth gekrönt. Zwei Wochen später startete die Arbeitsgruppe einen Versuch, mithilfe dubioser Arbeitsamt-Statistiken und der Antworten hoher Polizeibeamter auf einen Katalog mit Suggestivfragen die Richtigkeit gängiger Vorurteile gegenüber den nicht-weißen Untertanen Ihrer Majestät nachzuweisen: dass sie arbeitsscheu seien, nur in die Sozialsysteme einwandern wollten, aus Mentalitätsgründen einen niedrigen Lebensstandard hätten, drogensüchtig seien, krimineller als Weiße und dergleichen mehr.

Mit solchen Umfragen und pseudo-wissenschaftlichen Studien kam man allerdings nicht weiter. Die Bemühungen der Regierung, die (nicht-weiße) Zuwanderung zu stoppen, scheiterten nicht zuletzt daran, dass das Land Mitte der 1950er einen Wirtschaftsboom erlebte. Unternehmen, die händeringend nach Arbeitskräften suchten, wollten keine Rücksicht auf Vorurteile und diffuse Überfremdungsängste nehmen, auch nicht der Staat. Enoch Powell, den Staatssekretär im Gesundheitsministerium, zwang der Pflegenotstand, persönlich nach Barbados zu fliegen (noch bis 1966 Kolonie, Jamaika sowie Trinidad und Tobago wurden vier Jahre früher unabhängig) und schwarze Krankenschwestern anzuwerben.

1954 war die Zahl der jährlich eintreffenden Zuwanderer auf 10.000 angewachsen, mit steigender Tendenz. Die Regierung schlug sich weiter mit dem Problem herum, wie man Schwarzen den Zutritt zum Mutterland verweigern konnte, ohne auch die Weißen auszuschließen und ohne rassistisch zu erscheinen, und Winston Churchill, inzwischen Premierminister im Ruhestand, empfahl seiner Partei, den nächsten Wahlkampf mit dem Slogan "Keep England White" zu bestreiten.

Unruhen in Notting Hill

Ende der 1950er kam der Wirtschaftsaufschwung zum Erliegen. Aus Arbeitern, die man zur Sicherung des Wohlstands dringend brauchte, wurden Konkurrenten um zu wenige Jobs. Die daraus entstehenden Spannungen eskalierten am 23. August 1958 in Nottingham, einer Stadt mit 2500 Zuwanderern aus Westindien und 600 Asiaten. Auslöser war ein Übergriff gegen einen jungen Schwarzen aus der Karibik, der dabei gesehen wurde, wie er mit einer Blondine Alkohol trank. Nun nahmen ihnen die "Nig Nogs" nach den Jobs auch noch die Frauen weg, dachten sich einige Weiße und schlugen auf den Mann ein.

Innerhalb kurzer Zeit hatten sich mehr als tausend Menschen in dem Viertel versammelt und es kam zu Prügeleien zwischen weißen und schwarzen Gruppen, die mehrere Stunden andauerten, landesweit für Schlagzeilen sorgten und die schlimmsten Befürchtungen der weißen Bevölkerung zu bestätigen schienen. Die Polizei brauchte bis 1989, um ein offizielles Untersuchungsergebnis vorzulegen, in dem festgestellt wurde, dass die Gewalt weißer, in Nottingham gebürtiger Hooligans die Rassenunruhen ausgelöst hatte.

Bei der schwarzen Community in London wuchs die Furcht, dass sich so etwas wiederholen könnte. Sir Oswald Mosleys Union Movement und andere rechtsradikale Gruppierungen marschierten mit dem Spruch "Make Britain White" durch Gegenden wie Notting Hill, das damals noch nicht das gentrifizierte Szeneviertel war, in dem Julia Roberts bei Hugh Grant ein Buch kauft, sondern ein heruntergekommener Distrikt, in dem Slumlords wie aus einem Roman von Charles Dickens Schrottwohnungen an Schwarze vermieteten. Der Anteil von Einwanderern aus der Karibik war dort besonders hoch.

Am 28. August stritt sich Raymond Morrison, nach Polizeiangaben ein Zuhälter, vor einer U-Bahn-Station mit seiner schwedischen Ehefrau. Raymond war schwarz, Majbritt war weiß. Weiße Jugendliche boten ihr eine Hilfe an, die sie weder verlangt hatte noch haben wollte. Schwarze Freunde von Raymond mischten sich ein, Beleidigungen wurden ausgetauscht. Am nächsten Tag erkannten die Jugendlichen Majbritt auf einer Straße in Notting Hill wieder, beschimpften sie als "Niggerhure", schlugen mit einer Eisenstange auf sie ein und machten dann Jagd auf einzelne Schwarze, die sie in der Gegend antrafen.

Das gilt allgemein als der Beginn der Rassenunruhen von Notting Hill. Bis zum Abend des 29. August waren es 300 bis 400 weiße Randalierer, die sich mit Knüppeln, Eisenstangen und Messern bewaffnet hatten, schwarze Passanten attackierten und in Häuser eindrangen, wo sie schwarze Bewohner vermuteten. Auf der Gegenseite formierten sich ähnlich bewaffnete Schwarze, um zum Gegenangriff überzugehen. Nach fünf Nächten voller Ausschreitungen beruhigte sich die Lage allmählich. Noch bis Mitte September kam es in verschiedenen Londoner Stadtvierteln immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen.

Die Polizeiführung behauptete dem Innenminister Rab Butler gegenüber, dass es keinen rassistischen Hintergrund gebe, es sich vielmehr um Prügeleien unter gleichermaßen weißen und schwarzen Schlägern handele, die auf Randale aus seien. Butler nahm das dankend an. 2002 wurden geheime Dokumente veröffentlicht, aus denen eindeutig hervorgeht [7], dass die Unruhen durch einen rassistischen Mob ausgelöst wurden, bestehend aus mehreren hundert Weißen, die der Parole "Make Britain White" Taten folgen lassen wollten. Danach war die Atmosphäre endgültig vergiftet.

Memorandum von Rab Butler

In der Karibik verbreitete sich das Gerücht, dass London bald die Grenzen schließen würde. Das löste eine Art Torschlusspanik aus. Die Zahl der Zuwanderer, die gerade dabei war, wieder zu sinken, stieg von 15.000 (1958) auf 21.000 (1959) und 57.000 im Jahr 1960. 1962 verabschiedete die konservative Regierung von Harold Macmillan ein Gesetz, das potentielle Zuwanderer aus dem Commonwealth in verschiedene Kategorien einteilte, abhängig von ihrem Nutzen für die Wirtschaft. Menschen ohne Berufsausbildung hatten kaum Chancen auf die künftig erforderliche Einreisegenehmigung, und das, so das Kalkül, waren fast ausnahmslos Nicht-Weiße.

David Olusoga hat in den Archiven ein Schreiben Rab Butlers an seine Kabinettskollegen gefunden, in dem der Innenminister auf den großen Vorteil der Einreisebeschränkungen zu sprechen kommt: Man könne die neuen Regelungen so darstellen, als seien nur die Beschäftigungsaussichten ein Kriterium und als würde nicht "auf Grundlage von Rasse und Hautfarbe" entschieden, obwohl im Endeffekt genau das der Fall sei. Mit dem Gesetz verfolge man primär ein gesellschaftliches Ziel (möglichst wenig Zuwanderung von Nicht-Weißen), kein ökonomisches.

Ströme von Blut

Das neue Einwanderungsgesetz trat am 1. Juli 1962 in Kraft. Wer bereits in Großbritannien lebte durfte Kinder unter 16 Jahren nachholen. Da niemand wusste, wie lange das so bleiben würde, setzte nun ein Exodus dieser Kinder ein. Das wiederum beunruhigte diejenigen, die sich überfremdet fühlten. Zum Anwalt besorgter Bürger schwang sich Enoch Powell auf, der als Staatssekretär schwarze Krankenschwestern angeworben hatte. Am 20. April 1968, jetzt als Oppositionspolitiker, hielt er in Birmingham eine berüchtigte Rede, in der er sich darüber empörte, dass immer noch so viele "zusätzliche Immigrantenkinder" ins Land kamen.

In seiner "Rivers of Blood"-Rede [8], einem Manifest des modernen Populismus, verglich Powell das nun nicht mehr große, des Empires verlustig gegangene Britannien mit dem alten, dekadent gewordenen und von den Barbaren überrannten Rom. Beim Blick in eine düstere Zukunft sah er einen "Rassenkrieg" voraus, bei dem "Ströme von Blut" fließen würden. Schuld daran waren die Eliten und die von ihnen massenhaft ins Land geholten Einwanderer aus dem Commonwealth, insbesondere Schwarze aus der Karibik und Inder, die offenbar vorhatten, die alteingesessene Bevölkerung zu versklaven.

Enoch Powell (1986). Bild: Allan Warren / CC-BY-SA-3.0 [9]

Powell prophezeite, dass die Schwarzen in 15 bis 20 Jahren die Weißen unterworfen haben und dann die Peitsche schwingen würden. Dieser unheilvollen Entwicklung müsse sofort und entschlossen begegnet werden, indem man die Einwanderung auf ein zu vernachlässigendes Maß reduziere ("Rückführungen", wie das heute heißt, inklusive). Die Rede, gehalten an Hitlers Geburtstag (wovon der studierte Altphilologie eigenen Angaben nach nichts wusste), entfaltet bis heute ihre Wirkung. Die Times bescheinigte Powell, der erste ernst zu nehmende britische Politiker der Nachkriegszeit zu sein, der offen zum Rassenhass aufgerufen habe.

Edward Heath, der Chef der Konservativen, warf ihn aus seinem Schattenkabinett (Powell war als zukünftiger Verteidigungsminister vorgesehen). Damals konnte man so etwas noch relativ geräuschlos erledigen, und ohne sofort einen Shitstorm zu ernten. Inzwischen wird darüber diskutiert, ob Heath es sich auch im Zeitalter der "sozialen Medien" hätte leisten können, einen wie Powell abzuservieren. Bei einer Gallup-Umfrage von Ende April 1968 jedenfalls gaben 74 Prozent der Befragten an, Powell zuzustimmen (worin genau, blieb diffus).

Eingebettet in Bildungshuberei und Anspielungen auf das klassische Altertum inszenierte sich der Abgeordnete als Volkstribun und Vertreter einer ihrer Identität beraubten und von den Eliten verratenen "schweigenden Mehrheit", der den Mut aufbrachte, Dinge zu sagen, die nicht gesagt werden durften (worüber dann, weil man nichts sagen durfte, in den Medien ausführlich berichtet wurde). So etwas scheint besonders gut anzukommen, wenn einer aus der Elite gegen die Elite wettert und als gesellschaftlich Privilegierter anprangert, dass Minderheiten vermeintliche Privilegien (gleiche Rechte) erhalten sollen.

Der Anlass für Powells Auftritt in Birmingham war ein Gesetz der amtierenden Labour-Regierung, das es unter Strafe stellte, Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe, Religion und ethnischen Zugehörigkeit zu diskriminieren und ihnen eine Wohnung, einen Job oder staatliche Leistungen zu verweigern. Mit seiner Rede avancierte der überzeugte Marktradikale zum Helden der britischen Arbeiter, indem er deren Ängste schürte und ihnen Sündenböcke präsentierte, die in einer ungerechten Gesellschaft noch unfairer behandelt wurden als sie selbst - ein Muster, das bis heute hervorragend funktioniert.

"Nig Nogs", Sklavenhalter und EU-Bürokraten

In den Londoner Docks, wo man bereits den Niedergang spürte, aus dem Harold Shand in The Long Good Friday Kapital schlagen will, demonstrierten die Arbeiter für Powell und seine Anliegen. Bei den eingewanderten Kollegen der Demonstranten ging die Angst um, bald abgeschoben zu werden. Von Powells Form der Problemlösung profitierte kurioserweise Edward Heath, der ihn aus seinem Schattenkabinett entfernt hatte. 1970 triumphierten die Konservativen bei den Wahlen zum Parlament, weil viele traditionelle Labour-Anhänger aus der Arbeiterschicht für die Partei des Volkstribunen Powell stimmten.

1971 verabschiedete die Regierung Heath ein erneut verschärftes Einwanderungsgesetz, das die einen für rassistisch und die anderen für zu lasch hielten. Wer nach den Ursprüngen der seit dem Brexit-Referendum allgemein beklagten Spaltung der britischen Gesellschaft sucht: bei Powell und den Folgen seiner populistischen Rede könnte man fündig werden. Als Heath Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Gemeinschaft aufnahm machte Powell als der Abgeordnete von sich reden, der bei jeder Abstimmung in der Angelegenheit - insgesamt 104 Mal - gegen die eigene Regierung votierte, konnte aber nicht verhindern, dass der von Heath ausgehandelte Beitrittsvertrag 1972 mit knapper Mehrheit das Parlament passierte.

In der aktualisierten Version von Powells Schreckensszenario waren es nicht mehr die Einwanderer, sondern die Bürokraten eines europäischen Superstaats, die mit der Peitsche knallten und die Briten zu Vasallen machten. Die Europäische Gemeinschaft, so Powell, werde die britischen Institutionen zerstören, die gewachsenen Traditionen und die Identität des Inselreichs. Mit sicherem Gespür für den publikumswirksamen Eklat verkündete er im Februar 1974, fünf Tage vor vorgezogenen Neuwahlen, nicht mehr Mitglied der Konservativen Partei sein zu können, weil die Regierung Heath mit dem Beitritt gegen den Willen des Volkes gehandelt und dieses verraten habe.

Populisten vertreten immer "das Volk" und dessen Willen, obwohl "das Volk" eine sehr heterogene Veranstaltung ist. Der Teil davon, der 1975 am ersten Referendum teilnahm, hatte mehrheitlich einen anderen Willen. 67,2 Prozent beantworteten die Frage "Denken Sie, dass das Vereinigte Königreich in der Europäischen Gemeinschaft bleiben sollte?" mit Ja. Darum kann Harold Shand in The Long Good Friday darüber jubilieren, dass Britannien keine Insel mehr ist, sondern ein Land im Herzen von Europa. Damit übertreibt er vielleicht ein bisschen, in der Euphorie des Augenblicks.

Enoch Powell starb 1998. Aus der EG war 1993 durch den Vertrag von Maastricht die EU geworden, ein Austritt des Vereinigten Königreichs kein Thema, das die Mehrheit der Briten interessierte. In einem seiner letzten Interviews teilte Powell mit, dass er sich nicht für gescheitert halte. Man werde einen Platz in der Ruhmeshalle des britischen Volkes für ihn finden, wenn das Gebäude des europäischen Superstaates eingestürzt sei und die Briten ihre Souveränität wiedererlangt hätten. Heute ist er der Held der Brexit-Hardliner, die einen beträchtlichen Teil ihres Vokabulars und ihres Narrativs von EU-Knechtschaft, Vasallenstaat und Identitätsverlust von ihm übernommen haben. Originelle Denker sind sie nicht.

"Talking to the Police"

Bald nach Powells Rede peitschte Harold Wilsons Labour-Regierung in nur drei Tagen ein Gesetz durch das Parlament, das verhindern sollte, dass die indischstämmigen Kenianer mit britischen Pässen, die infolge der dortigen "Afrikanisierungspolitik" massenhaft enteignet wurden, Zuflucht im Vereinigten Königreich suchten. 1971 waren wieder die Konservativen am Zug. Ihr Gesetz schränkte weiter ein, wer "britisch" war und über die entsprechenden Rechte verfügte. Nach der Empire Windrush bezeichnet man die Schwarzen, die zwischen 1948 und 1971 aus der Karibik zuwanderten, als die Windrush-Generation; für andere ist das Jahr 1962 [10] die Wegemarke, in dem Macmillan sein Gesetz verabschiedete.

Harold Shand ist ein Fan des Gemeinsamen Marktes sowie des freien Waren- und Geldverkehrs, und er will für reiche Amerikaner Reisen in sein Vergnügungszentrum organisieren, in Kooperation mit der Mafia (eine alte Geschäftsidee der Krays). Die Windrush-Generation und ihre Kinder würde er am liebsten nach Westindien zurückschicken. In Brixton halten er, Razors und Jeff neben einem Schwarzen an, der ein Auto repariert und einen Reggae-Song hört. "Oi", sagt Harold von oben herab. Mit Verachtung in der Stimme fragt er, wo Erroll wohnt (der Zuhälter, nicht Francis Drake alias Errol Flynn).

"Talking to the Police" (19 Bilder) [11]

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The Long Good Friday

Er kenne keinen Erroll, sagt der Mann und setzt seine Arbeit fort. Harold fordert nun den Respekt ein, den er selbst verweigert. Als Gangster macht man das mit Gewalt. Razors stößt den Wagenheber weg. Der Mann kann gerade noch verhindern, dass er unter dem Auto zerquetscht wird. "Das war mal eine nette Straße hier", sagt Harold. "Anständige Familien, kein Abschaum." Keine Schwarzen, ist gemeint, und schon gar keine, die nicht die Habachtstellung einnehmen, wenn der weiße Mann kommt. Nachdem er das losgeworden ist, fährt er grußlos weiter. Der Film zeigt, auf welcher Seite er steht, indem er einen ironischen Kontrapunkt zum Rassismus der Hauptfigur setzt.

Der Reggae-Song im Autoradio wird von Bob Hoskins performt. Der Gangster, gespielt von Hoskins, begegnet gewissermaßen seiner anderen Seite, dem Schauspieler Hoskins, der dem Fremden gegenüber neugierig und aufgeschlossen war und lieber mitmachte und Neues ausprobierte, statt das Ungewohnte abzuwerten, weil es nicht englisch war. Das ist einer der schönsten Momente im Film, weil da kurz eine Alternative zum alltäglichen Rassismus aufblitzt: die Begegnung mit der anderen Kultur als Chance und Bereicherung. (In voller Länge ist der Song, "Talking to the Police", auf dem sehr guten Soundtrack-Album zu hören.)

Die Gangster überraschen Erroll mit einer Blondine im Bett. Ein schwarzer Mann hat Sex mit einer weißen Frau: das ist der Albtraum der Rassisten. 1958 war die Angst vor einer "Rassenmischung" der Auslöser der Unruhen in Nottingham und Notting Hill gewesen. Zehn Jahre danach hatte Enoch Powell eine (weiße) Nation wie die britische für "buchstäblich verrückt" erklärt, wenn sie weiter Kinder aus der Karibik einreisen ließ, die zum Großteil "das Material für das zukünftige Anwachsen der von Immigranten abstammenden Bevölkerung" sei. Besonders schlimm war der Gedanke, dass sich dieses "Material" mit weißen Britinnen und Briten vermischen würde.

Auf den ersten Blick könnte es scheinen, als wären die Filmemacher selbst in die Rassismusfalle getappt, indem sie uns das Klischee vom Schwarzen als Zuhälter und Drogendealer auftischen. Es handelt sich aber um eine Versuchsanordnung zum Entlarven niedriger Instinkte. Das überdeterminierte Klischee trifft auf eine genauso überdeterminierte Mischung aus Rassismus, Kleinbürgertum und altmodischem, sich patriotisch und konservativ gebendem Gangstertum, das durch eine Modifizierung seiner Mittel auch in der Politik reüssieren könnte.

Harold fühlt sich von Errolls Geruch belästigt und will sich nicht bei ihm anstecken (Merke: "Nig Nogs" stinken und übertragen Krankheiten). Er ist angewidert, als er die Topfpflanzen sieht und eine Spritze findet (Frauen auf den Strich schicken: Ja; Drogen konsumieren und verkaufen: Nein). Und die Nacht durchmachen, dann den Tag im Bett verbringen und dabei auch noch "Rassenschande" begehen, wie man das früher nannte (Erroll wohnt im Haus mit der Nummer 33), das schlägt dem Fass den Boden aus. Dem Rassisten/Kleinbürger/Gangster mit dem Sinn für Tradition und Geschichte bleibt da nur die Gewalt.

Harmonie per Verdachtsgesetz

Auch die Requisiten zeugen von der grimmigen Ironie des Films. Razors zückt nicht etwa, wie bei seinem Namen zu erwarten, ein Rasiermesser. Wenn sich der weiße Mann zu den Wilden in den Dschungel begibt greift er zur Machete (im Kleinformat, für den Hausgebrauch) wie einst Errol Flynn, der sich in The Sea Hawk durch den Urwald der Karibik kämpft. Auf Shands Befehl fügt er Erroll - dem Zuhälter, nicht dem englischen Kulturhelden mit der Piratenkarriere - mehrere Schnittwunden zu. Das Foltern geht noch weiter, als längst klar ist, dass Erroll nicht sagen kann, wer Harolds Männer getötet hat.

Da wird ein Mann dafür bestraft, dass er nicht weiß ist wie die Engländer um ihn herum (Paul Barber, der strippende Stahlarbeiter aus The Full Monty, ist der Sohn einer weißen Mutter und eines Einwanderers aus Sierra Leone) - und weil sie ihn mit einer weißen Frau im Bett erwischen. Die Gangster geraten in ein Phantasiebild. Mackenzie hat nachinszeniert, was sich die Rassisten in Nottingham und Notting Hill vorstellten, als sie schwarze Männer mit weißen Frauen sahen, als Auftakt zu bürgerkriegsartigen Unruhen. Shand schaut mit sadistischer Befriedigung dabei zu, wie die Machete in Errolls Fleisch schneidet. In Brixton zeigt er zum ersten Mal das Gesicht eines Monsters.

Harmonie per Verdachtsgesetz (I) (17 Bilder) [13]

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The Long Good Friday

Nach dem Drehbuch zu The Long Good Friday schrieb Keeffe Sus, ein Theaterstück über institutionellen Rassismus. An die Stelle der Gangster treten Polizisten. Ein Gesetz zur Landstreicherei von 1824 erlaubte es der Polizei, Personen anzuhalten, zu durchsuchen und festzunehmen, wenn der Verdacht (engl. suspicion, kurz sus) auf eine Straftat bestand. Nach dem Ende der Napoleonischen Kriege hatte man die britische Armee und die Marine stark verkleinert. Viele der Ausgemusterten fanden keine Arbeit und wurden obdachlos. Verschärft wurde die Lage durch eine steigende Zahl von Iren, die als Wirtschaftsflüchtlinge nach England kamen.

Das Gesetz trug kaum etwas zum Rückgang der echten Kriminalität bei, eröffnete der Polizei aber neue Möglichkeiten, gegen unerwünschte Personen vorzugehen. Verdächtig sind immer die, die anders sind oder auch nur anders aussehen. In den 1970ern entdeckte die Polizei das "Sus law" neu und brachte es vermehrt gegen ethnische Minderheiten zur Anwendung. Am häufigsten als "verdächtig" aufgegriffen wurden junge schwarze Männer. In seinem Stück (2010 von Robert Heath verfilmt) führt Keeffe vor, wie so etwas in eine Tragödie münden kann.

Harmonie per Verdachtsgesetz (II) (22 Bilder) [15]

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Sus

Die Wahlnacht des Jahres 1979. Margaret Thatcher ist mit einem Programm angetreten, das den Neoliberalismus mit einer strammen Law-and-Order-Politik verknüpft und massive Gehaltserhöhungen für die Polizei verspricht. Zwei rassistische Polizisten ("all English, pure stock") verhören einen schwarzen Familienvater, den sie verdächtigen, seine schwangere Frau ermordet zu haben. Euphorisiert vom sich abzeichnenden Erdrutschsieg der Konservativen sind die Beamten entschlossen, einen schnellen Erfolg zu erzielen. Aus einer willkürlichen, vom Gesetz gedeckten Festnahme wird ein Verhör und daraus Folter, physisch wie psychisch.

"Lasst uns Harmonie bringen, wo Zwietracht herrscht", sagte Thatcher bei ihrem ersten Auftritt als Premierministerin vor Downing Street No 10. "Lasst uns Hoffnung bringen, wo Verzweiflung herrscht." Diese Rede inspirierte Keeffe dazu, aus einem wahren Fall, über den er Jahre vorher als Reporter berichtet hatte, ein Stück zu machen. Das Streichen des "Sus law" war nicht Teil von Thatchers Harmonieversprechen. Dafür musste es erst wieder Unruhen geben: 1980 in Bristol, 1981 in Liverpool und Brixton. Danach war sie gezwungen, das Gesetz abzuschaffen.

2008 kündigte der damalige Oppositionsführer David Cameron an, im Falle seiner Wahl zum Regierungschef der Polizei die alten Befugnisse zurückzugeben. Dazu kam es nicht, weil er mit den Liberaldemokraten koalieren musste. Seit Camerons Wiederwahl und dem folgenden Referendum wird alles vom Brexit überschattet. Zusammen mit anderen Sicherheitsgesetzen wartet das "Sus law", im neuen Gewand und gefälliger formuliert als die Uralt-Paragraphen von 1824, auf die Wiedervorlage in der Zeit nach dem (mutmaßlichen) EU-Austritt. Boris Johnson hat schon erklärt, dass er halten wird, was von Cameron nur versprochen wurde.

Feindselige Umgebung

Wie erwähnt fand die Olympiade erst 2012 in den Docklands statt, nicht schon 1988 wie von Harold Shand gedacht und von Barrie Keeffe in den Dialog geschrieben. Für viele Briten mit Migrationshintergrund war es ein bewegender Moment, als im historischen Teil der Eröffnungsfeier [17] (28:30) nach den Leuten in den Sergeant-Pepper’s-Kostümen ein Modell der Empire Windrush auftauchte und ein paar Dutzend schwarze Londoner mit Reisekoffern durchs Stadion gingen.

Den Einwanderern aus der Karibik und ihren Nachkommen signalisierte die von Danny Boyle gestaltete Feier, dass sie in einem Land lebten, das endlich bereit war, die Windrush-Generation und ihre Kinder als integralen Bestandteil seiner Kultur- und Sozialgeschichte zu akzeptieren, statt die nationale Geschichte einmal mehr aus der Perspektive der Oberschicht zu erzählen. Einem anderen, nicht so toleranten Großbritannien verlieh Aidan Burley eine Stimme. Burley, früher Berater des Innenministeriums, war ein Abgeordneter der Konservativen Partei, dessen bis dahin steil nach oben führende Politkarriere durch einen Junggesellenabschied mit Nazikostümen und Hitlergruß in Turbulenzen geraten war.

Beim Einzug der Athleten twitterte der Abgeordnete [18], dass die "linke multikulturelle Scheiße", die er hatte sehen müssen, Gott sei Dank vorbei sei: "Gebt uns die Red Arrows, Shakespeare und die Stones zurück!" "Red Arrows" ist der heutige Name der nach dem Ersten Weltkrieg gegründeten Kunstflugstaffel der Royal Air Force. Sie genießt einen legendären Ruf, seit sie im Mai 1925, als Attraktion der British Empire Exhibition, an sechs Tagen in der Woche ihre Kunststücke zeigte (im Rahmen einer Veranstaltungsreihe mit dem Titel "London Defended"). Für die British Empire Exhibition wurde das Wembley-Stadion gebaut. Besucher erfuhren, was für eine tolle Sache der Kolonialismus für die Kolonisierten war.

Die Eröffnungsfeier der Olympiade, schrieb die Kunstkritikerin Charlotte Higgins tags darauf im Guardian [19], sei Danny Boyles "Lobgesang auf das Land, an das er am liebsten glauben möchte". Es gibt aber auch ein Großbritannien, das immerzu verteidigt werden muss - gegen die spanische Armada, gegen Hitlers Luftwaffe, gegen die Kultur der einst von der Regierung angeworbenen Einwanderer aus der Karibik, gegen die EU -, wenn Konservative wie Aidan Burley von der nationalen Identität sprechen, oder wie diese sein sollte. Eine unrühmliche Rolle bei dieser Art der Landesverteidigung spielte Theresa May, die sich am liebsten beim sonntäglichen Kirchgang filmen lässt.

Im Olympiajahr 2012, als Innenministerin im Kabinett von David Cameron, kündigte sie eine Reihe von Gesetzesinitiativen und Verordnungen an, deren Zweck sie in einem Interview mit dem Telegraph [20] wie folgt beschrieb: "Das Ziel ist es, hier in Großbritannien eine wirklich feindselige Umgebung [hostile environment] für illegale Migration zu schaffen." Den Satz wiederholte sie danach fast so oft wie später ihre Zusage, den Brexit zu liefern. Es ging darum, die damalige Netto-Zuwanderung (nicht: illegale Zuwanderung) von jährlich rund einer Viertelmillion Menschen auf "einige Zehntausend" zu reduzieren wie im Wahlprogramm der Konservativen versprochen.

Wenn die Menschenrechtsorganisation Liberty [21] richtig gezählt hat verantwortete Theresa May, die ihr Land so gern von der EU-Bürokratie befreien wollte, in sechs Jahren als Innenministerin sieben Gesetze zu Einwanderung und Nationalität und 45.000 Änderungen in Gesetzen und Verordnungen, die Ausländer dazu bewegen sollten, das Vereinigte Königreich zu verlassen. Drangsaliert wurden auch sich völlig legal dort aufhaltende EU-Bürger sowie Briten, die sich unverständlicherweise in solche verliebt hatten und ihre Partner - ganz im Sinne des christlich-konservativen Weltbilds - heiraten wollten.

Mays "Hostile Environment"-Politik machte Arbeitgeber, Vermieter, Ärzte und Bankangestellte zu Hilfstruppen der Einwanderungsbehörde. Unter Androhung empfindlicher Strafen wurden sie dazu verpflichtet, den Aufenthaltsstatus eines Menschen zu überprüfen (und Illegale zu melden), ehe sie ihn beschäftigten, eine Wohnung an ihn vermieteten, ihn ärztlich behandelten oder ein Konto für ihn einrichteten. Lokale Verwaltungen wurden angewiesen, Notunterkünfte für Flüchtlinge zu schließen. "Was wir nicht wollen", so May im Interview, "ist eine Situation, in der Leute glauben, dass sie hierher kommen und bleiben können, weil ihnen der Zugang zu allem, was sie brauchen, ermöglicht wird."

Wer gehört zum Vaterland?

Als toxisch erwies sich Abschnitt 3, Paragraph 8 des 1971 von der Regierung Heath verabschiedeten Einwanderungsgesetzes. Wenn unklar ist, ob eine Person "zum Vaterland gehörig" (patrial) ist, heißt es da, obliegt es dieser Person, den Nachweis dafür zu erbringen. In einem Land ohne Personalausweis- und Meldepflicht kann das Jahrzehnte nach der Einreise extrem schwierig werden. Eine Entscheidung des Innenministeriums vom Oktober 2010, Tausende von Landekarten aus den 1950ern und 1960ern zu vernichten [22], machte es nicht einfacher.

Warnungen, dass die Landekarten als wichtige (und oft einzige) Datengrundlage genutzt wurden, wenn Probleme mit dem rechtlichen Status von aus der Karibik zugewanderten Bürgern zu klären waren, hatte das auch da schon von Theresa May geführte Ministerium in den Wind geschlagen. Der Guardian [23] deckte in einer Reihe von Artikeln auf, welche dramatischen Konsequenzen die "Hostile Environment"-Politik für die Kinder der bei der Olympiade gefeierten Windrush-Generation hatte, wenn sie keine Quittungen mehr beibringen konnten, die belegt hätten, dass sie seit Jahrzehnten im Vereinigten Königreich lebten.

Britische Staatsbürger verloren Arbeitsplatz und Rentenansprüche, wurden bei Krankheit gar nicht oder - gegen hohe Honorare - als "Medizintouristen" behandelt sowie im schlimmsten Fall in Abschiebezentren gesteckt und zurück in eine "Heimat" gebracht, in der sie seit einem halben Jahrhundert nicht mehr gewesen waren. Als der Windrush-Skandal nicht mehr zu vertuschen war drückte Theresa May ihr Bedauern darüber aus, dass sie die sozialen Folgen ihrer Maßnahmen zur Bekämpfung von Flüchtlingen und sonstigen Ausländern (schwarze Inländer inklusive) nicht bedacht habe.

Einen Rücktritt lehnte May ab, weil sie - inzwischen zur Premierministerin und Brexit-Lieferantin aufgestiegen - dem Vaterland weiter dienen wollte. Zurücktreten musste schließlich ihre Nachfolgerin im Innenministerium. Amber Rudd geriet durch bohrende Fragen des Abgeordneten David Lammy [24] unter Druck und sagte verräterische Sätze wie den, dass sie den Windrush-Einwanderern dabei helfen wolle, die britische Staatsbürgerschaft zu "erwerben" (etwas, das sie immer besessen hatten, bis es ihnen weggenommen worden war).

Rudd trat zurück, als sie den Verdacht nicht ausräumen konnte, das Parlament belogen zu haben. Sie versicherte, nichts von zahlenmäßigen Vorgaben für die von der Regierung angestrebten Abschiebungen zu wissen. Dann wurde ein Memo [25] durchgestochen, aus dem hervorging, dass es solche Vorgaben sehr wohl gab (und das Rudd "nie gesehen" hatte): 12.800 zwangsweise Abschiebungen ("enforced returns") für 2017/18. Allem Anschein nach war das Erreichen dieser Zahl wichtiger als die Frage, ob die "Rückgeführten" britische Staatsbürger waren und wie rechtmäßig die Abschiebungen waren.

Genaue Opferzahlen gibt es nicht. Auf Fakten gestützte Schätzungen legen nahe, dass es zwischen 55.000 und 60.000 aus dem Commonwealth eingewanderte Menschen sind, die als Illegale behandelt wurden, obwohl sie sich legal in dem Land aufhielten, das sie mit aufgebaut hatten und dessen Staatsbürger sie waren. Nicht alle stammen aus der Karibik. Es sind auch Weiße aus Zypern oder Kanada darunter. Beim derzeitigen Wissensstand ist das eine ganz kleine Minderheit. Die überwiegende Mehrzahl der Betroffenen hat eine dunkle Hautfarbe (davon rund 15.000 aus Jamaika).

Hungersnot und Titanen-Politik

Hinter dem die "Hostile Environment"-Politik umgebenden Wust von Gesetzesparaphen und Verordnungen kommt die hässliche Fratze des Rassismus zum Vorschein. In The Long Good Friday hat er das Gesicht von Harold Shand, dem Gangster und Thatcheristen. Die 1970er, als der Film entstand, waren die Hochzeit der National Front, einer rechtsextremen Partei, die mit lautstarken Demonstrationen Schlagzeilen machte und durch South East London zog, Harolds engere Heimat, um die um ihre Jobs bangenden Arbeiter gegen Einwanderer aufzuwiegeln. In Deptford, wo einst Drakes Weltumsegelung gefeiert worden und die Golden Hinde verrottet war, stimmte fast jeder zweite Wähler für diese Partei.

Viele Parteimitglieder waren vorher bei den Konservativen gewesen und Anhänger von Enoch Powell. Margaret Thatcher hatte es immer für einen Fehler gehalten, Powell aus dem Schattenkabinett zu werfen. Nach ihrem Wahlsieg im Mai 1979 grub sie der National Front durch eine restriktive Einwanderungspolitik, hartes Vorgehen gegen Illegale und permanentes Jammern über die EU (deren wirtschaftliche Vorteile sie durchaus zu schätzen wusste) das Wasser ab. Leute, die in den 1970ern ausgetreten waren, kehrten zu den Konservativen zurück.

Für Thatchers durchaus erfolgreiche Strategie, die National Front zu spalten und deren weniger radikale Mitglieder zurückzuholen, indem sie einen Teil ihrer Forderungen in die eigene Politik (oder wenigstens Rhetorik) überführte, zahlten die Konservativen langfristig einen hohen Preis. EU-kritisch zu sein ist nicht verwerflich, durch ihre Demokratiedefizite bietet die Europäische Union reichlich Anlass dazu. Aber bei der Farce rund um Theresa May und ihren Deal konnte man studieren, was dabei herauskommt, wenn eine relativ kleine Gruppe hartleibiger EU-Gegner als Partei in der Partei agiert.

Die jetzt in der "European Research Group" (ERG) organisierten Europaskeptiker treiben konservative Regierungen vor sich her (recherchiert wird, warum die EU-Mitgliedschaft des Teufels ist). An ihnen sind drei Premierminister gescheitert; vor Theresa May waren das David Cameron und John Major, der Nachfolger von Margaret Thatcher. Thatcher selbst läutete ihr politisches Ende ein, als sie sich durch ihren Widerstand gegen die deutsche Wiedervereinigung (sie befürchtete die Wiederkehr des Dritten Reichs) und ihr "No, no, no!" zur europäischen Integration im eigenen - europafreundlichen - Kabinett isolierte.

Jacob Rees-Mogg. Bild: Chris McAndrew / CC-BY-3.0 [26]

Als Boris Johnson Premierminister wurde durfte Jacob Rees-Mogg, bis dahin Chef der ERG, als Parlamentsminister in der ersten Reihe der Regierungsbänke Platz nehmen. Wie Johnson letztlich damit fährt, dass er mit den Hardcore-Brexiteers paktiert, wird sich noch weisen. Rees-Mogg war der erste, der Theresa May mit Sir Robert Peel verglich, als sie den "Backstop" vorstellte, also die Klausel im Austrittsvertrag, der zufolge das Vereinigte Königreich in einer Zollunion mit der EU bleiben sollte, solange es kein Abkommen gibt, das Zollkontrollen zwischen der Republik Irland und Nordirland überflüssig macht.

Robert Peel? Als Premierminister stand Peel im Zentrum harter Auseinandersetzungen um Freihandel und Protektionismus, die Großbritannien in den 1840ern erschütterten. Zankapfel waren die nach den Napoleonischen Kriegen erlassenen Getreidegesetze, die den Landadel (eine für die Konservativen sehr wichtige Wählergruppe) und seine wirtschaftlichen Interessen schützen sollten. Wenn der Preis für heimisches Getreide unter ein bestimmtes Niveau fiel stiegen automatisch die Zölle auf Importe. In der Praxis bedeutete das eine Preisgarantie für die Produzenten, zulasten der Konsumenten (Brotesser).

Robert Peel

Peel gehörte zu den Modernisierern innerhalb der Konservativen Partei, die solche Schutzzölle abschaffen wollten, gegen starke Widerstände der Hinterbänkler. 1845/46 vernichteten Kartoffelfäule und schlechtes Wetter den größten Teil der irischen Kartoffelernte. Kartoffeln waren das Hauptnahrungsmittel der Iren, die von den englischen Kolonialherren nicht etwa unterstützt, sondern gnadenlos ausgebeutet wurden, weil auch bei ihnen die Ernte sehr schlecht ausgefallen war. Eine Million Iren starben am Hunger und seinen Folgen (ein Neuntel der Bevölkerung), zwei Millionen wanderten aus, die meisten in die USA.

Peel nützte die Hungersnot zur Abschaffung der Getreidegesetze und verkaufte sie als humanitäre Maßnahme. Den Ärmsten half das nichts, weil die Zölle über einen Zeitraum von drei Jahren abgebaut wurden und Brot auch nach den Preissenkungen unerschwinglich für sie blieb. 1848 hielt Karl Marx in Brüssel eine Rede [27], in der er die wahren Profiteure benannte: die Fabrikbesitzer. Eine wesentliche Rolle bei der Festsetzung der Löhne spielten die Lebenshaltungskosten. Niedrigere Brotpreise ermöglichten es den Arbeitgebern, die Löhne zu drücken. Das steigerte die Gewinne.

Aus Peels Sicht hatten die Torys zu sehr eine Politik für Grundbesitzer und den Landadel gemacht. Mit der Abschaffung der Getreidegesetze wollte er das besser austarieren, zugunsten der Industriellen als neuer Machtbasis seiner Partei, die er damit aber spaltete. Peel wurde zum Rücktritt gezwungen. Seine Anhänger liefen zu den Whigs über und es entstand eine neue Freihandelspartei, die Liberal Party. Die Konservativen übernahmen stillschweigend Peels Positionen, mussten allerdings 28 Jahre warten, bis sie zurück an die Macht kamen, mit einer Minderheitsregierung.

Auf diese Spaltung und den daraus resultierenden Machtverlust spielte Rees-Mogg an, als er Theresa May mit Peel verglich. Als Kompliment war das nicht gemeint, weder für May noch für ihren 1848 zurückgetretenen Vorgänger. Bald danach tauchte Robert Peel in Rees-Moggs Werk The Victorians wieder auf, als zum Marktradikalismus bekehrter Ex-Protektionist und einer von elf Titanen (und einer Titanin, der Königin) des Viktorianischen Zeitalters, die Britannien einst groß machten.

Bis zur Auflösung des Parlaments saß Rees-Mogg wie der personifizierte Brexit-Schatten hinter Johnson, wenn der Premierminister seine vorgezogenen Wahlkampfreden hielt, in denen er Milliarden für das Gesundheitswesen, die Polizei, die Bildung und die Infrastruktur versprach (alles Bereiche, die von seiner Partei vorher ausgeblutet wurden), sowie eine Erhöhung des Mindestlohns. Wähler sollten öfter die Bücher der Politiker lesen, die um ihre Stimme buhlen. Das bewahrt vor bösen Überraschungen. Rees-Moggs viktorianische Titanen sind da sehr instruktiv.

Was braucht ein Selfmademan?

Robert Peel, Mitbegründer der Konservativen Partei und Erfinder des modernen Wahlprogramms, war der erste Spross einer Industriellenfamilie, der britischer Premierminister wurde (der erste konservative Politiker, der es aus einfachen Verhältnissen auf diesen Posten schaffte, war 1970 Edward Heath). Peel war der Sohn eines steinreichen Baumwollfabrikanten. Er besuchte das Eliteinternat Harrow, studierte in Oxford und startete seine politische Karriere als Abgeordneter eines von seiner Familie kontrollierten rotten borough in Irland.

Als "verrottet" bezeichneten Reformer jene Bezirke (bis zu einer Neuregelung im Jahr 1832 mehr als 140 von insgesamt 658), die im Unterhaus stark überrepräsentiert waren, weil es seit einer Ewigkeit keine Anpassung der Wahlkreise an die Bevölkerungsentwicklung mehr gegeben hatte. Die rotten boroughs hatten sehr wenige Wahlberechtigte, oft unter 50, die man wegen der geringen Zahl leicht kaufen oder einschüchtern konnte (die Wahl war öffentlich). In Peels Wahlkreis in der Grafschaft Tipperary waren es 24, die auf Geheiß seines Vaters alle für ihn stimmten.

Sir Robert, schreibt der Historiker Rees-Mogg, war ein echter self-made man. Harold Shand ist demnach keiner. "Der Junge aus Stepney" (einer der ärmsten Londoner Stadtteile) musste ohne Geld und Kontakte einer privilegierten Familie einen Bandenkrieg gewinnen, um nach oben zu kommen. Mit Jacob Rees-Mogg teilt der Gangster die Begeisterung für große Taten in einer ebenso großen englischen Vergangenheit. Sein Schöpfer Barrie Keeffe, der Drehbuchautor von The Long Good Friday, sieht die Dinge aus einer anderen Perspektive.

Statt wie Harold englische Heldentaten in Dünkirchen zu rühmen, sagt er [28], halte er sich lieber an die "fabelhafte ethnische Mischung" im East End, das Fremden und Außenseitern stets eine Zuflucht geboten habe, von den Hugenotten über aus Russland geflohenen Juden bis zu Einwanderern aus Bangladesch. Die Vitalität, die das Viertel daraus zog, habe ihm seinen Optimismus erhalten, als die National Front aufmarschierte. Keeffe stand unter dem Eindruck dieser Märsche (und als gut informierter Mensch auch unter dem von Margaret Thatchers Wahlprogramm), als er Shand nach Brixton fahren ließ.

Black Joy

Phil Méheux übrigens war Kameramann bei Black Joy (1977), Anthony Simmons’ Verfilmung eines Theaterstücks des aus Guayana stammenden Jamal Ali. In Episoden wird die Geschichte eines jungen Mannes erzählt [29], der nach London kommt und in Brixton lernt, sich in einer schwierigen Umgebung durchzuschlagen, indem er sich dem Milieu kleiner Gauner anpasst, in das er da gerät. Beschwingt, angenehm unsentimental sowie ohne wohlfeile Moralisierungen und darum, trotz einiger Klischees und des mitunter aufkommenden Gefühls, dass dem weißen Mann ein Blick ins schwarze Ghetto gewährt wird, unbedingt sehenswert. Es müssen nicht immer Francis Drake und die Piraten sein.

Auch The Long Good Friday, für den Méheux ebenfalls die Bilder lieferte, macht einen großen Bogen um eine billig zu habende Moral. Der Film verzichtet auf simple Schwarz-Weiß-Muster und tut nie so, als seien alle Probleme gelöst, wenn man die Rollen verteilt und bestimmt hat, welche von den Charakteren die Guten sind und welche die Bösen. Harold Shand ist ein Monster, aber irgendwie sympathisch ist er auch. Das liegt nicht zuletzt daran, dass er in einer für einen Gangsterfilm durchaus ungewöhnlichen Paarbeziehung lebt. Hier muss nun endlich Helen Mirren zu ihrem Recht kommen.

Was kostet es, kultiviert zu sein?

Ihren ersten Auftritt als die Gangsterbraut mit dem königlichen Namen Victoria hat Mirren auf der Yacht, die in den St. Katharine Docks vertäut ist, wo Harold zwecks Diversifizierung ins Immobiliengeschäft einsteigen will. Die beiden sitzen an Deck und trinken eine Bloody Mary. Victoria hat alles für den Empfang mit Freunden und Investoren vorbereitet. Sie ist nervös und fragt sich, ob sie Charlie, den von Eddie Constantine gespielten Mafioso aus New York, nicht besser vom Flughafen abgeholt hätten. Immer mit der Ruhe, sagt Harold: "Wenn der Chef von Coca Cola in London vorbeikommt düst die Queen auch nicht nach Heathrow, oder?"

"Die Queen?", fragt Victoria verdutzt. "Du weißt schon, was ich meine", antwortet Harold. "Alles hochspielen, stimmt’s? Du bist mit Prinzessin Anne zur Schule gegangen, hast Hockey mit ihr gespielt, das ganze Zeug." "In Benenden ist es Lacrosse", korrigiert ihn Victoria. "Hockey ist fürchterlich vulgär." Harold freut sich, dass er eine Geliebte hat, die solche Sachen sagt. "Ja, ja, und ob, ja doch", näselt er mit gespieltem upper class drawl (Rees-Mogg kann das Affektierte besser). "Die Amis lieben Snobismus. Sie fühlen sich in England so richtig angekommen, wenn die Oberschicht sie wie Scheiße behandelt." "Gibt ihnen einen Sinn für Geschichte", kommentiert Victoria.

Was kostet es, kultiviert zu sein? (19 Bilder) [30]

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The Long Good Friday

Schade, dass die wenigsten Drehbuchautoren solche Dialoge schreiben können. Aus ein paar Sätzen erfahren wir sehr viel über diese Beziehung, ohne dass es für uns ausformuliert wird, als ob wir begriffsstutzige Idioten wären. Victoria hat die Klasse, die Harold, dem Aufsteiger aus der Unterschicht, fehlt. Beide bringen ein gesundes Maß an Selbstironie mit und ein Bewusstsein für die eigenen Schwächen, das es ihnen ermöglicht, sich auf Augenhöhe zu begegnen. Victoria könnte auf den ungebildeten Gangster herabschauen und Harold auf die Frau, die er sich mit seinem schmutzigen Geld gekauft hat (die sexuelle Potenz hat auch etwas damit zu tun). Nichts davon findet statt.

Benenden ist ein exklusives Mädcheninternet in Kent, zu dessen illustren Absolventinnen Prinzessin Anne gehört, die Tochter der Königin. "Selbstbewusste, positive junge Frauen, wirklich auf die Zukunft vorbereitet", steht auf der Website [32]. Voraussetzung dafür ist, dass sich die Eltern das happige Schulgeld leisten können. Die Oberschicht, sagt uns der Film damit, ist nicht von Natur aus überlegen, wie es immer wieder behauptet (und von vielen auch geglaubt) wurde, um die Klassengesellschaft zu rechtfertigen. Sie genießt per Geburt Privilegien und kennt die Leute, die einem nützlich sein können, weil ihre Mitglieder in den richtigen Kreisen verkehren.

Bei seiner Ansprache vor den geladenen Gästen wird Harold den "Sinn für Geschichte" für sich selbst reklamieren. Das ist eine Geschichte, in der die einen oben waren und die anderen "wie Scheiße" behandelt wurden. Wenn Harold Britannien wieder groß machen will schwingt da auch der Gedanke mit, dass man ein hierarchisches System wiederherstellen könnte, in dem man ganz oben stand, wenn man Engländer war (die Arroganz den ehemaligen Kolonien gegenüber mit inbegriffen). Den Schauplatz an der Tower Bridge, dem Symbol des britischen Imperialismus im 19. Jahrhundert (als Queen Victoria über ein Weltreich herrschte), hätte man kaum besser wählen können.

Es lohnt sich, den Film mehrmals zu sehen, weil man dann anfängt, die Feinheiten zu entdecken. Nach der Bemerkung über den Sinn der Amerikaner für Geschichte muss sich die moderne Victoria um den französischen Koch kümmern, den sie für das Buffet engagiert hat. Von Harold verabschiedet sie sich mit einem kurzen "Oi". Da spricht die vornehme Lady mit dem ungehobelten Kerl aus der Unterschicht (Harold trinkt zu viel Vodka und mag den Geruch des französischen Essens nicht), und zugleich ironisiert sie ihre Rolle. In Brixton wird Harold den schwarzen Mechaniker mit einem "Oi" anreden. Die Ironie ist weg.

Der weiße Herr spricht da mit dem Schwarzen aus den Kolonien, der jetzt in London lebt und das Viertel in ein Drecksloch verwandelt hat. So war das nicht vorgesehen, als Britannien noch groß war. Harold fährt nach Brixton, um Erroll the Ponce zu suchen. In Keeffes Dialogen wird auch das mit der Yacht verbunden. Für Victoria ist der französische Koch ein sensibler Künstler, mit dem die Benenden-Absolventin selbstverständlich in seiner Sprache parliert. Für Razors (der später Erroll foltert) ist er "a right horrible ponce". Mit ponce ist hier Schwuler gemeint, nicht Zuhälter wie bei Erroll. Die Verbindung ist trotzdem etabliert. Harold ist immer noch der Junge aus Stepney, wenn er aus Errolls Kühlschrank isst.

Victoria, die Right Honourable Lady, muss den Koch beruhigen. Der Künstler leidet, weil er seine erlesenen Speisen auf Porzellantellern mit blauem Rand kredenzen soll. Dabei müssten es weiße Teller sein! Immer, wenn es kultiviert wird, erinnert uns der Film daran, dass Geld im Spiel ist, nicht ein genetischer Vorteil der Privilegierten. Zwanzig Pfund das Stück habe sie für die Teller bezahlt, sagt Victoria zu Jeff. Das macht ihren Wert aus, nicht die künstlerische Gestaltung. Zwei davon, seufzt Victoria, habe Harold schon zerbrochen: "Er kennt seine eigene Stärke nicht."

Jeff ist für Harold wie ein Sohn. Im amerikanischen Gangsterfilm der 1930er (The Public Enemy, Scarface), den Keeffe und Mackenzie modernisierten und nach South East London holten, ist das die Figur (meistens als bester Freund des Gangsterbosses), deren Tod den Untergang des Helden einleitet. Nicht anders in The Long Good Friday. Mit der Tellerszene wird bereits Jeffs Ende vorbereitet. Er wird am eigenen Leib erfahren, was es bedeutet, wenn Harold mit zerbrechlichen Gegenständen hantiert und nicht weiß, wie stark er ist.

Tod im Yachtclub

In einem von Keeffes Theaterstücken gibt es einen Satz über das Hockeyspielen in Benenden. Nach einer Aufführung meldete sich eine Dame, die das Internat besucht hatte und belehrte ihn, dass Hockey für Benenden viel zu gewöhnlich sei. Lacrosse werde dort gespielt! Beim Schreiben des Drehbuchs erinnerte er sich daran. Das Vorbild für Victoria war The Hon. Vicki Hodge, Tochter des 2nd Baronet of Chipstead. Der erste Baronet war Chef einer Schiffsbaufirma. Offiziell erhielt er den Titel 1921 für Verdienste seines Unternehmens im Ersten Weltkrieg.

Vermutlich hatte sich Sir Rowland Hodge den Titel gekauft. David Lloyd George, der Premierminister, betrieb einen schwungvollen Handel mit solchen Auszeichnungen. Einen schlichten "Sir" kriegte man für 10.000 Pfund. Wer Baronet sein wollte musste 30.000 Pfund hinblättern (1979 immerhin noch der Gegenwert von 1.500 Porzellantellern mit blauem Rand, von denen auf Harolds Yacht korrupte Politiker, Gangster und Society-Ladies essen). Das war ganz legal, aber auch extrem peinlich, als es herauskam. Sir Rowlands Name wurde in dem Skandal genannt, der 1925 zu einem Gesetz zur Verhinderung des Missbrauchs von Titelverleihungen führte. Der Verkauf steht seitdem unter Strafe.

Vicki, eine Enkelin des ehrenwerten Sir Howard, war Model und die langjährige Freundin von John Bindon, der es verstand, das Gangstertum mit der Schauspielerei zu vereinen und es dank seiner vielen Talente (von der Schutzgelderpressung bis zum Rezitieren von Gedichten) zum Society-Liebling brachte. In Get Carter ist Bindon einer von den Fletcher-Brüdern, für die Jack (Michael Caine) als Killer arbeitet. In Performance gehört er zur Bande des schwulen Gangsters Harry Flowers und assistiert Chas (James Fox) bei einer Einschüchterungsaktion. In seiner zweiten Karriere hatte er geschäftlich mit den Krays und den Richardsons zu tun.

Tod im Yachtclub (10 Bilder) [33]

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Performance

Seine Freunde schätzten an Bindon, dass es keine langweiligen Partys gab, wenn er dabei war. Für seine bekannteste Darbietung brauchte er Biergläser mit Henkel, die er an seinen erigierten Penis hängte. Damit soll er auch Prinzessin Margaret beeindruckt haben. Die Schwester der Königin durfte er in ihrem Feriendomizil auf Mustique besuchen, einer Privatinsel für Reiche (und schwarze Diener) in Westindien. Wenn Bindon sich ärgerte oder jemanden einschüchtern sollte, wurde es gefährlich. Mitunter richtete er mehr Schaden an als beabsichtigt. Wie Harold Shand konnte er seine Kraft schlecht einschätzen.

Bindons Spitzname war "Biffo", weil er andere Leute gern herumstieß und auf sie einschlug (das englische Verb dafür ist biff). An einem Nachmittag im November 1978 ging er auf ein paar Drinks in den Ranelagh Yacht Club bei der Putney Bridge in Fulham, damals ein ziemlich raues Viertel. Der "Yacht Club" war nicht das, was man sich gemeinhin darunter vorstellt, sondern ein finsteres Loch unter einem Bahnbogen (74 Station Approach) - ein Treffpunkt für zwielichtige Charaktere, der sich als Club ausgab und eine Mitgliederliste führte, um sich nicht an die gesetzlichen Öffnungszeiten für Kneipen halten zu müssen.

Der Ranelagh Yacht Club gelangte zu internationaler Berühmtheit, weil Biffo dort mit Johnny Darke ("Darky") aneinander geriet, worauf Darkes Leiche mit neun Stich- und Schnittwunden aufgefunden wurde [35]. Der daraus resultierende Mordprozess im Court No 1 im Old Bailey war ein Medienereignis. Auf der Zuschauerbühne gesichtet wurden unter anderen Michael Caine, Mitglieder der Stones und Carol White, Bindons Partnerin in Poor Cow (1967), seinem ersten Film. White spielt die Frau eines Kriminellen (Bindon), der sie seelisch und körperlich misshandelt.

Darky gehörte zu einer Bande von der anderen Seite der Themse, die sich The Wild Bunch nannte, nach dem Film von Sam Peckinpah. Seine Freundin sagte später, dass er nicht mit Ärger rechnete, als er den Club betrat, weil er sonst eine Pistole mitgenommen hätte. Ein Messer hatte er aber schon dabei, genau wie Biffo. Bindons Version nach steckte es in seinen Schlangenlederstiefeln, weil er wegen eines Drogendeals Schulden bei anderen Gangstern hatte und um sein Leben fürchtete. Seine mehrfach modifizierte Darstellung des Tathergangs war in etwa diese:

Johnny Darke fing Streit mit einem von Biffos Freunden an und ging auf ihn los. Biffo wollte seinem Freund helfen. Darky geriet in eine mörderische Wut. Bindon konnte nicht anders, als in Selbstverteidigung ebenfalls sein Messer zu ziehen. Darky war nicht zu bändigen. Bindon ging zu Boden. Darky saß mit gespreizten Beinen auf ihm und überlegte gerade, ob er Bindon das Messer in die Brust stoßen oder ihm die Kehle durchschneiden sollte, als ihm Lennie Osbourne, auch ein Freund von Biffo, eine Machete in den Rücken rammte. Bindon konnte sich nicht daran erinnern, ob er danach noch einmal zugestoßen hatte oder nicht.

Bob, Biffo und die fliegende Minirocknonne

Während die Mitglieder des Yachtclubs am Tatort die Spuren beseitigten gelang es dem schwer verletzten und notdürftig verarzteten Bindon, den Flughafen zu erreichen. Von dort flog er nach Dublin. Seine Mutter stammte aus Irland, und die Londoner Unterwelt hatte gute Kontakte zur IRA. Er hielt sich in einem abgelegenen Bauernhaus versteckt, als er sich eingestehen musste, dass er die Verletzungen und den Blutverlust nur im Krankenhaus überleben würde. Ein Stich hatte seine Lunge durchbohrt, und angeblich hingen ihm die Eingeweide aus dem Leib.

Bei dieser unglaublichen Geschichte weiß man nie, was stimmt und was erfunden oder zumindest übertrieben ist. Einer von Bindons IRA-Begleitern soll sich im Krankenhaus in Dublin als Polizeiinspektor ausgegeben und dem Personal erzählt haben, dass "Mr. Monaghan" (der Mädchenname seiner Mutter) in Nordirland von britischen Spezialkräften so zugerichtet worden sei. Während "Mr. Monaghan" im Krankenhaus lag sprach sich bei Londons Gangstern herum, wo Bindon abgeblieben war. Gerüchteweise hatten Johnny Darkes Freunde einen Preis auf seinen Kopf ausgesetzt, was diese immer abstritten.

Bindon scheint daran geglaubt zu haben. So, wie es war, konnte es nicht bleiben. Schließlich nahm er Kontakt zur Londoner Mordkommission auf, um über die Modalitäten seiner Rückkehr zu verhandeln. Am 10. Dezember 1978 war er wieder da. Die Öffentlichkeitsarbeit übernahm Vicki Hodge. Vicki hatte es stets verstanden, Bindon und ihre Beziehung zu ihm gut zu vermarkten und sich in der Chelsea-Schickeria den Kampfnamen "Fliegende Nonne" erworben, weil sie nie davor zurückschreckte, überfallartig auf die Rivalinnen aus der Model-Szene loszugehen, mit denen Biffo sie betrog. Das stand dann in der Zeitung.

Jetzt besuchte sie ihren Liebsten täglich in der Untersuchungshaft, um das Publikum anschließend über den Stand der Dinge zu informieren. Dabei trotzte sie Wind und Wetter und trug auch bei eisigen Temperaturen die ultrakurzen Miniröcke, die ihr Markenzeichen waren. Am 23. Oktober 1979 begann der Prozess. Die Staatsanwaltschaft legte Bindon zur Last, für 10.000 Pfund einen als Kneipenschlägerei getarnten Auftragsmord begangen zu haben. Ein verurteilter Mörder hatte mit ihm im Gefängnis Ihrer Majestät in Brixton eingesessen und angeblich gehört, wie Bindon damit prahlte.

Bindon erzählte seine Geschichte von der Selbstverteidigung. Der Mann mit der Machete, sein Freund und Lebensrettter Lennie Osbourne, konnte diese Version des Tathergangs nicht bestätigen, weil er vor Prozessbeginn verschwunden war. Er ist nie wieder aufgetaucht. Vielleicht hat ihn der Eiswagen abgeholt wie Colin, Shands guten alten Freund. Der Richter äußerte den Verdacht, dass Zeugen eingeschüchtert worden waren und gelogen hatten, fand Bindon aber offenbar sympathisch, was in seiner Zusammenfassung für die Geschworenen zum Ausdruck kam. Was genau im Ranelagh Yacht Club passiert war und warum blieb unaufgeklärt.

Bob Hoskins trat - ein paar Monate nach den Dreharbeiten zu The Long Good Friday - als Charakterzeuge für den Angeklagten auf. Für Biffo war das der Moment, der dem Prozess die entscheidende Wendung gab: "Als Bob in den Gerichtssaal ging wussten die Geschworenen, dass ich okay war. Und sie wussten, dass ich nicht die Person war, als die mich die Polizei darstellte", wird er in Wensley Clarksons Bindon zitiert. So ähnlich sahen es manche Prozessbeobachter. Den Spitznamen, den Bindon erhalten hatte, weil er öfter ausrastete und auf andere Leute einprügelte - auch auf die mit ihm in einer Amour fou verbundene Vicki -, erklärte Hoskins damit, dass er wie ein großer knuddeliger Bär sei.

Biffo the Bear ist eine populäre britische Comicfigur und der beste Freund des kleinen Buster. So einer begeht keine Auftragsmorde. Am 13. November, nach 12-stündiger Beratung der Geschworenen, wurde Biffo in allen Punkten der Anklage freigesprochen. Vicki hatte inzwischen die "wahre Geschichte" für 40.000 Pfund an den Daily Mirror verkauft. Mag sein, dass Razors, Shands Mann fürs Grobe, Lennies Machete geerbt hat. Beim britischen Gangsterfilm der 1970er weiß man nicht immer so genau, wo die Grenze zwischen Fiktion und Wirklichkeit verläuft.

Wer Verschwörungstheorien mag, sehe sich The Princess and the Gangster [36] an. Vicki Hodge mutmaßt da, dass beschlossen wurde, John Bindon ungeschoren davonkommen zu lassen, weil das besser für die damals noch unantastbare und durch Prinzessin Margaret in den Fall verwickelte königliche Familie gewesen sei. Die Prinzessin durfte übrigens nicht nach Benenden. Sie wurde wie ihre Schwester Elizabeth von Gouvernanten erzogen, was sie ihrer Mutter (die mit den "Nig Nogs") immer vorwarf. Mit einer standesgemäßen Erziehung, meinte sie, hätte etwas aus ihr werden können.

Der Paddy-Faktor

Am Tag nach dem Freispruch veröffentlichte die Daily Mail ein Bild aus Bindons Photoalbum. Biffo sitzt in einem T-Shirt ("Enjoy Cocaine") neben Prinzessin Margaret, die ihn, einer Mitteilung des Palasts zufolge, gar nicht kannte. Entstanden war das Photo auf Mustique, wohin Margaret Biffo eingeladen hatte. Gästen muss man etwas bieten, doch Westindien ist weit. Harold will Charlie und Tony, die Geschäftsfreunde von der New Yorker Mafia, zum Abendessen in ein Londoner Lokal ausführen, das er gekauft und zum "typisch englischen Pub" hat umbauen lassen (in der Protz-Variante).

Die Gesellschaft kommt gerade in einem Jaguar und einem Mercedes Cabriolet beim Lion & Unicorn vorgefahren (der Rolls ist schon explodiert), als der Laden in die Luft fliegt. Löwe - für England - und Einhorn - für Schottland - sind die Wappentiere des Vereinigten Königreichs. Harold, der mit Victoria liierte König der Unterwelt, hat royale Ambitionen, erlebt nun aber, um im Bild zu bleiben, seine Schlacht bei Hastings, bei der sein Namensvetter Wilhelm dem Eroberer unterlag und vom Thron gestoßen wurde. In diesem Fall sind es nicht die Normannen, es ist das ungelöste Nordirland-Problem, das Harolds Pläne zunichte macht.

Der Paddy-Faktor (33 Bilder) [37]

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The Long Good Friday

Keeffes ursprünglicher Titel für den Film war "The Paddy Factor". Vergleichbar mit unseren Ostfriesenwitzen gibt es in England solche, die sich über Leute lustig machen, die dumm sind, weil sie Iren sind. Das ist der paddy factor. Keeffe hatte allerdings mehr den Polizeijargon im Sinn. Mit paddy factor ist da die Praxis gemeint, der IRA unaufgeklärte Verbrechen in die Schuhe zu schieben. In The Long Good Friday steckt sie wirklich hinter den Anschlägen. Mackenzie lehnte Keeffes Titel ab, weil er fand, dass er dem Film die Spannung raubte. Er wollte die Auflösung möglichst lange hinauszögern.

Den ersten deutlichen Hinweis gibt es, nachdem die Bombe im Lion & Unicorn explodiert ist. Vor ein paar Tagen, erzählt der Geschäftsführer, waren zwei "Micks" da (ein abfälliger Ausdruck für die Iren), zwei "hart aussehende Paddys", und haben Geld verlangt. Parky, der korrupte Chefinspektor, ist alarmiert. Iren und zwei Bomben, das wird die Special Branch auf den Plan rufen, die Antiterror-Einheit der Polizei. Mit ordinärer Schutzgelderpressung hat so etwas nichts mehr zu tun. In den 1970ern war das nur allzu real, weil die IRA beschlossen hatte, den Krieg nach England zu tragen.

An einem Samstagabend im Oktober 1974 gingen in zwei von Soldaten frequentierten Pubs in Guildford Bomben der Provisional IRA hoch. Fünf Menschen wurden getötet, mehr als 60 verletzt. Noch blutiger waren die Anschläge der Provos auf zwei Pubs in Birmingham am 21. November 1974. 21 Menschen starben, über 150 wurden verletzt, und wenn eine dritte Pub-Bombe ebenfalls detoniert wäre wie geplant hätte es noch mehr Opfer gegeben. Nach einem von der IRA verkündeten Waffenstillstand und ergebnislosen Geheimverhandlungen mit Merlyn Rees, dem britischen Staatssekretär für Nordirland, ging die Gewalt im Januar 1976 weiter.

"Aus Sicht der IRA steckte eine gewisse Logik darin, ihren Krieg nach England zu bringen", schreibt Richard English in Armed Struggle. "Angriffe in England bekamen viel mehr Publizität, als es gemeinhin bei Aktionen in Irland der Fall war. Britische Bomben sollten London unter Druck setzen, auf dem Weg über die öffentliche Meinung, damit man dort den republikanischen Forderungen nachgab." Das misslang, weil die Provos die allgemeine Empörung über die von ihr angerichteten Blutbäder unterschätzt hatten. Andererseits ging auch die britische Strategie, das Problem durch Repression zu lösen, nach hinten los.

Im November 1974 erhielt Judith Ward dreißig Jahre Gefängnis für einen Bombenanschlag auf einen mit britischem Militärpersonal und dessen Angehörigen besetzten Bus in Nordengland (zwölf Tote) und zwei weitere Explosionen, obwohl sie an allen drei Verbrechen unschuldig war. Mit jeder (britischen) Leiche stieg nicht so sehr der Druck auf Behörden und Politik, den Forderungen der IRA nachzugeben, wohl aber, Ermittlungserfolge nachzuweisen und Täter zu präsentieren. Der Zweck heiligte dabei die Mittel.

Im August 1975 wurden sechs unschuldige Männer wegen der Pub-Bomben in Birmingham zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt, nachdem man ihnen unter der Folter Geständnisse abgezwungen hatte. Während die (1991 zur Aufhebung der Urteile führende) Kampagne für die Freilassung der Birmingham Six anlief versuchte sich Staatssekretär Rees daran, den – aus Sicht der irischen Terroristen – Unabhängigkeitskampf der IRA zu delegitimieren, indem er ihn kriminalisierte. Im November 1975 drohte er der IRA damit, festgenommenen Provos den 1972 durch einen Hungerstreik erkämpften Sonderstatus zu entziehen und sie wie gemeine Verbrecher zu behandeln.

Der erste, der (im September 1976) nach den neuen Regeln verurteilt wurde, war der 19-jährige Kieran Nugent. Er weigerte sich, Anstaltskleidung zu tragen und wurde nackt in seine Zelle gesteckt, wo er wenigstens eine Decke (blanket) hatte. Andere folgten seinem Beispiel. Die Bestimmungen besagten, dass Häftlinge nur bekleidet ihre Zelle verlassen durften. Also wurden die Blanket Men 24 Stunden am Tag in ihren Zellen festgehalten. Die Vorstellung, dass IRA-Kämpfer nackt in einem Gefängnis Ihrer Majestät saßen, hatte - ganz egal, wie man dazu stand - eine beachtliche öffentliche Wirkung.

Deckenmänner vs. Law-and-Order-Politiker

Gute Kriminalfilme zeichnen sich dadurch aus, dass sie, wie der Filmhistoriker Eddie Mueller über John Hustons The Asphalt Jungle gesagt hat, die normale Gesellschaft und die Unterwelt komprimieren und auf die Ähnlichkeiten zwischen beiden hinweisen. The Long Good Friday ist so vielschichtig und intellektuell stimulierend, weil Realität und Fiktion immer mehrfach anschlussfähig sind. Keeffe erfindet eine Szene, in der Erroll mit einer Weißen im Bett liegt, weil das der zu Gewalttaten führende Albtraum der Rassisten ist. Zugleich ergibt sich daraus die Gelegenheit, einen nackten Mann (einen Blanket Man ohne Decke) zu zeigen, ohne dass es gewollt wirkt.

Man kann sich auch fragen, was irische Terroristen von Gangstern unterscheidet, ohne darüber den kolonialen Ursprung des Konflikts zu vergessen. In The Long Good Friday ist das so kunstvoll verknüpft, dass sich eine zusätzliche, von der reinen Kriminalhandlung abgehobene Bedeutungsebene einstellt. Harold Shand rät Erroll zum Gebrauch eines Deos, bevor er ihn von Razors foltern lässt, weil der Gangster ein Rassist ist, für den "Nig Nogs" stinken. Zugleich fährt Harold, der englische Patriot (auch das Essen der Franzosen stinkt), nur nach Brixton, weil er wissen will, wer seine Leute tötet. So kommen die Iren ins Spiel.

The Long Good Friday

Der Film schlägt sich nicht etwa auf die Seite der Terroristen. Er macht vielmehr deutlich, vor welchem Hintergrund er gesehen werden will, indem er Bilder abruft, die stark mit bestimmten Assoziationen besetzt sind (1979 mehr als jetzt). Bei "Kolonialismus" denkt man üblicherweise an zwangsbeglückte Afrikaner oder Asiaten. Aus Sicht (nicht nur) der IRA waren die Iren, deren Vorfahren von den englischen Invasoren wie Untermenschen behandelt wurden, die ersten Opfer des englischen Imperialismus (die Geschichte der Herrschaft von Harolds Landsleuten über die Iren ist über weite Strecken so bedrückend, dass man es kaum glauben mag).

Einige der IRA-Kämpfer stanken damals tatsächlich. Im Frühjahr 1978 wurde aus dem "Blanket Protest" der "No Wash Protest". Den Gefangenen war es inzwischen erlaubt, nur mit einem Handtuch bedeckt, durch die Gefängniskorridore zum Waschraum zu gehen. Ein zweites Handtuch zum Abtrocknen wurde ihnen verweigert. Die Gefangenen blieben in den Zellen. Das wurde bald zur übel riechenden Angelegenheit, was sich durch die unsachgemäße Entsorgung von Exkrementen noch verschärfen ließ.

Als Margaret Thatcher Premierministerin wurde und sich als besonders unnachgiebig profilierte war die nächste Eskalationsstufe erreicht. Am 27. Oktober 1980 begannen die ersten IRA-Häftlinge im Gefängnis Long Kesh einen Hungerstreik, mit dem sie ihre Forderung durchsetzen wollten, als politische Gefangene anerkannt zu werden und wieder zivile Kleidung tragen zu dürfen. Am Ende gab es zehn Tote.

Von den unschuldig Verurteilten bis zu den Hungerstreikenden: durch ihre unnachgiebige Haltung schuf die britische Regierung ein um das andere Mal Märtyrer, was der IRA beim Rekrutieren neuer Kämpfer half. Im Rückblick kommt einem der Nordirland-Konflikt vor wie eine schier endlose Kettenreaktion. Wenn man das begriffen hat versteht man auch, warum das Karfreitagsabkommen unbedingt bewahrt werden sollte und warum man sich ein - im wahrsten Sinne des Wortes - explosives Problem einhandelt, falls es nach dem Brexit wieder eine sichtbare Grenze zwischen der Republik Irland und Nordirland gibt.

The Long Good Friday

Theresa May und (nach längerem Zögern) Boris Johnson haben das schließlich eingesehen, auch wenn eine Sonderlösung für Nordirland entweder die protestantischen Fundamentalisten von der DUP in Rage bringt (Verlegung der Zollgrenze in die Irische See) oder die Hardcore-Brexiteers um Jacob Rees-Mogg, an deren Widerstand May gescheitert ist. Bei der derzeitigen Gemengelage kann es gut sein, dass – durch Zusätze zum „neuen“, vom Parlament abgesegneten Johnson-Deal – der alte Backstop wiederkehrt, also der Verbleib des gesamten Königreichs in einer Zollunion mit der EU bis zum Abschluss eines Freihandelsvertrags.

Abgesehen von einer Rücknahme des Brexit ist der Backstop bisher die beste Möglichkeit, den zerbrechlichen Frieden zu wahren. Es muss nur irgendeine Form von Grenzeinrichtung auf der irischen Insel stehen. Schon kann man darauf warten, bis die ersten Hitzköpfe Sachen beschädigen oder Menschen verletzen. Die Polizei muss dagegen vorgehen. Wenn dann nicht sehr schnell deeskaliert wird fängt der Kreislauf der Gewalt von vorne an. The Long Good Friday liefert den Kommentar dazu. Nachdem die Bombe im Lion & Unicorn explodiert ist reagiert Harold wie ein Law-and-Order-Politiker alter Schule. Der Film zeigt, wohin das führt.

Harold verlangt von Parky Namen und Adressen von Iren in seinem Herrschaftsgebiet, die als Täter in Frage kommen. Dann zieht er in eine Auseinandersetzung, die er mit Gewalt nicht gewinnen kann, weil für jeden Gegner, den er ausschaltet, zwei neue aufstehen. Für Parkys Einwände, dass das ein anderes Spiel ist, mit Widersachern, die sich nicht an die Regeln halten, nach denen Gangster ihre Revierkämpfe austragen, hat er taube Ohren. Es macht die Qualität des Films aus, dass die Geschichte an dieser Stelle zur Tragödie eines Mannes wird, der seine Vergangenheit hinter sich lassen will und im Moment der Krise in die alten Verhaltensmuster zurückfällt.

Das Ende des Königs der Unterwelt im dritten und letzten Teil von Make Britain Great Again:
Zwischen IRA, Krauts und Mafia: Harold Shand und der Geist von Dünkirchen [39]


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[20] https://www.telegraph.co.uk/news/uknews/immigration/9291483/Theresa-May-interview-Were-going-to-give-illegal-migrants-a-really-hostile-reception.html
[21] https://www.libertyhumanrights.org.uk/campaigning/immigration-act-2016
[22] https://www.theguardian.com/uk-news/2018/apr/17/home-office-destroyed-windrush-landing-cards-says-ex-staffer
[23] https://www.theguardian.com/uk-news/2018/apr/15/why-the-children-of-windrush-demand-an-immigration-amnesty
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[25] https://www.theguardian.com/politics/2018/apr/27/amber-rudd-was-told-about-migrant-removal-targets-leak-reveals
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[27] http://www.mlwerke.de/me/me04/me04_444.htm
[28] https://theartsdesk.com/film/interview-barrie-keeffe-sus-long-good-friday-and-londons-changing-east-end
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[39] https://www.heise.de/tp/features/Zwischen-IRA-Krauts-und-Mafia-4591062.html