Der neue Kalte Krieg heizt sich auf

Medien-Bericht nährt Verdacht auf chinesische Waffenlieferungen an Russland. USA setzen auf Sanktionen statt Appeasement – und verstärken massiv ihre Truppen in Taiwan.

Die Sicherheitskonferenz in München ist zur Unsicherheitskonferenz geworden. Statt der Annäherung zwischen China und den USA, auf die manche hofften, verschärfte sich der Ton. Und nachdem US-Außenminister Antony Blinken seine Warnung in Richtung des höchsten Diplomaten der Volksrepublik China, Wang Yi, ausgesprochen hatte, blieb die Stimmung auch weiterhin frostig.

Aus US-, Nato- und EU-Kreisen wurden zuvor Bedenken geäußert, Peking könne seine rote Linie der rein finanziellen Unterstützung für Russland übertreten. Die chinesische Delegation erklärte die Vorwürfe für haltlos und beschuldigte seinerseits USA und Nato, den Konflikt durch Waffenlieferungen zu befeuern.

Einem am Freitag erschienenen Exklusivbericht des Wall Street Journal (WSJ) zufolge spielt die Biden-Administration jetzt mit dem Gedanken, die brisanten Informationen zu möglichen Waffenlieferungen auch der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Wie von Telepolis berichtet, stieß das Zwölf-Punkte-Papier Chinas in der deutschen Medienlandschaft auf Skepsis – und reflektierte damit die Haltung der Nato und ihres Generalsekretärs Jens Stoltenberg, der China laut einer Meldung der Nachrichtenagentur AFP "wenig Glaubwürdigkeit" zugestand. Warum?

(…) weil sie nicht in der Lage waren, die illegale Invasion in der Ukraine zu verurteilen. Außerdem haben sie nur wenige Tage vor der Invasion ein Abkommen über eine unbegrenzte Partnerschaft mit Russland unterzeichnet

Jens Stoltenberg

Sanktionen gegen Russland treffen auch China

Statt auf Appeasement und Verhandlungen zu setzen, die Beobachtern zufolge mehrmals durch die angelsächsische Allianz – beziehungsweise die Nato – blockiert worden seien, haben sich die USA unter Joe Biden zusammen mit Vertretern der G7-Staaten auf weitere Sanktionen geeinigt.

Sie sollen die russische Wirtschaft – diesmal mit Erfolg – in die Knie zu zwingen.

Wie das Weiße Haus am Freitag mitteilte, sanktionieren das US-Finanz- und Außenministerium insgesamt 200 Personen und Einrichtungen, "die Russlands Kriegsanstrengungen unterstützen".

Dazu zählen sowohl ein Dutzend russischer Finanzinstitute sowie russische Beamte als auch Drittparteien in Europa, Asien und dem Nahen Osten, die Russland helfen, Sanktionen zu umgehen. Überdies sollen nun auch die Sanktionen gegen den russischen Metall- und Bergbausektor ausgeweitet werden.

Der Schuss gegen Russland ist auch ein Schuss vor den Bug von China: Insgesamt 90 Unternehmen, die mit dem russischen Verteidigungssektor zusammenarbeiten sollen, wird der Handel mit Halbleitern und Produkten verboten, welche unter Einsatz von US-Technologie hergestellt wurden.

Auf diese Weise setzen die USA den tobenden Halbleiter-Krieg mit China fort, der erst Ende Januar durch die Exportbeschränkungen in Absprache mit den Niederlanden und Japan eine neue Eskalationsstufe erreicht hat.

Wie von Telepolis mehrfach berichtet, brodelt hinter dem vermeintlich regionalen Konflikt in der Ukraine der globale Konflikt zwischen den USA und China. Der gemeinsame Feind schweißt auch die chinesisch-russische Allianz zusammen.

So kündigte der oberste Diplomat Yi nach seinem Besuch im Kreml am vergangenen Mittwoch an, die "strategische Partnerschaft" mit Russland vertiefen zu wollen, die Anfang Februar zwischen den Staatschefs Xi und Putin geschlossen wurde – in erster Linie gegen die USA.

Säbelrasseln auf beiden Seiten wird lauter

Nicht nur die Fronten verhärten sich, auch das Säbelrasseln zwischen den beiden Atommächten wird immer vernehmbarer.

Laut einem Exklusivbericht des Spiegel gilt das für beide Seiten: Ungenannten Quellen zufolge soll der chinesische Drohnenhersteller Xi’an Bingo Intelligent Aviation Technology mit dem russischen Militär über die Massenproduktion von Kamikazedrohnen verhandeln.

Außerdem soll der chinesische Hersteller sich bereit erklärt haben, "100 Drohnen des Prototyps ZT-180 zu produzieren, zu testen und sie dem russischen Verteidigungsministerium bis April zu liefern". Bingo soll demzufolge auch planen, eine Produktionsstätte in Russland aufzubauen. Das ist nicht die einzige bislang unbekannte Information, die der Spiegel zu enthüllen vorgibt.

So soll bereits 2022 ein "Unternehmen unter Kontrolle der chinesischen Volksbefreiungsarmee" Pläne verfolgt haben, Ersatzteile für "russische Kampfjets vom Typ Su-27 und weitere russische Modelle" zu liefern. Die Lieferungen sollen demnach mit falschen Papieren als zivile Fracht getarnt werden.

Wie das Hamburger Nachrichtenmagazin weiter berichtet, seien chinesische Unternehmen bereits zuvor in Verdacht geraten, das russische Militär durch Satellitenbilder und den Verkauf handelsüblicher, aber auch zu Aufklärungszwecken einsetzbarer (dual use) Drohnen zu unterstützen.

US-Medien: Mehr US-Soldaten in Taiwan?

Zweifellos wird auch jenseits des Pazifiks weiter mit den Säbeln gerasselt. In einem weiteren Exklusivbericht des WSJ vom Freitag ist die Rede davon, dass die USA planen, ihre Truppen im Inselstaat Taiwan auf das Vierfache aufzustocken, um der "wachsenden Gefahr einer möglichen Invasion durch China" zu begegnen – von 30 Soldaten im vergangenen Jahr auf ein- bis zweihundert.

Die Entsendung der Soldaten, unter denen sich auch Spezialkräfte und solche der US-Marine befinden, ist laut WSJ mit einem vom Pentagon "peinlich" geheimgehaltenen Trainingsprogramm verbunden.

Parallel dazu bildet die Nationalgarde von Michigan auf US-amerikanischem Boden ein Kontingent des taiwanesischen Militärs aus. Dazu gehört die Ausbildung an US-amerikanischen Waffensystemen wie auch das Erlernen spezieller Militärmanöver zur Abwehr des potenziellen Aggressors.

2021 hatte das WSJ schon einmal über die Ausbildung taiwanesischer Soldaten durch das US-Militär berichtet. Damals erklärte das chinesische Außenministerium, man werde "Schritte" einleiten, um die eigenen Interessen zu sichern.

Obwohl China sehr deutlich gemacht hat, dass es eine diplomatische Anerkennung – geschweige denn eine militärische Unterstützung – Taiwans mit Blick auf die UN-Resolution 2758 und die "Ein-China-Politik" für inakzeptabel hält, gibt man sich auf US-amerikanischer Seite auffallend unbedarft, was mögliche Grenzüberschreitungen angeht:

Es ist schwierig zu bestimmen, was China wirklich stört", sagte einer der US-Beamten über die Ausbildung. "Wir glauben nicht, dass wir in dem Umfang, in dem wir uns engagieren und wahrscheinlich auch in naher Zukunft engagieren werden, auch nur annähernd einen Kipppunkt für China darstellen, aber das ist eine Frage, die bei jeder Entscheidung, die die Unterstützung Taiwans betrifft, ständig bewertet und speziell geprüft wird.

Wall Street Journal

In diese Erwägungen wird man China aber wohl kaum einbeziehen.

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