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Der perfekte Sturm: Wenn Demokratie und Klima zugleich bedroht werden

Protest in Washington D.C. am 6. Januar 2020. Bild: Koshu Kunii / Unsplash Licence

Der Untergang der Demokratie und die Klimakatastrophe sind reale Bedrohungen. Der Einfluss von Autokraten, die Klimaschutz verweigern, nimmt in USA, Europa zu. Was kann gegen die Trumps, Melonis, Orbáns und Öl-Monarchen getan werden?

Die Hurrikan-Saison und die Wahlsaison sind in den Vereinigten Staaten in eins gefallen. Die Aussicht auf einen katastrophalen, unumkehrbaren Klimawandel und den möglichen Untergang der Demokratie sind beide sehr real. Das Schicksal dieser Grundpfeiler unserer Gesellschaft hängt weitgehend davon ab, was wir alle in den kommenden Wochen und Monaten tun werden.

Amy Goodman leitet Democracy Now [1], erhielt den Alternativen Nobelpreis u. ist Bestsellerautorin.

Die Klimakatastrophe, die unseren Planeten heimsucht, erfordert eine wirklich globale Lösung – eine Lösung, die eine Mehrheit der Weltbevölkerung anstrebt. Aber der Wille der Menschen bedeutet heutzutage immer weniger, da immer mehr Regierungen unter die Kontrolle von Autokraten fallen. Nationalisten, Rassisten, Fremdenfeinde und Ideologen gewinnen in einem Land nach dem anderen an Macht.

Italien ist ein bedeutsamer Fall. Erst letzte Woche hat eine ehemals randständige neofaschistische Partei bei den nationalen Wahlen eine Mehrheit errungen. Giorgia Meloni wird voraussichtlich Italiens erste rechtsextreme Ministerpräsidentin seit der Vertreibung Benito Mussolinis im Jahr 1943. "Sie sieht ihre Partei wirklich als Trägerin des Erbes des Faschismus in die heutige Zeit", sagte Ruth Ben-Ghiat, Professorin für Geschichte und italienische Studien an der New York University auf Democracy Now. "Ignazio La Russa, ein alteingesessenes Mitglied der Partei, sagte vor ein paar Tagen: 'Wir sind alle Erben des Duce [Mussolini].'"

Melonis Partei Brüder Italiens reiht sich in eine immer stärker werdende rechtsextreme Bewegung in Europa ein, zu der auch Polens regierende Partei Recht und Gerechtigkeit, Spaniens Partei Vox, Frankreichs Rassemblement National unter der Führung von Marine Le Pen und die Schwedendemokraten gehören, die ihre Wurzeln in der Neonazi-Bewegung des Landes haben und nun bereit sind, eine neue rechtsgerichtete Koalitionsregierung anzuführen.

Denis Moynihan arbeitet bei Democracy Now und ist Bestsellerautor.

Ministerpräsident Viktor Orbán in Ungarn ist das Vorbild der europäischen Rechten. Er unterdrückt die Presse und die Meinungsfreiheit, vertritt offen eine rassistische, einwanderungsfeindliche Politik und kritisiert die europäische Integration und die Europäische Union.

Orbán, Meloni und andere europäische Rechtsaußen-Führer werden von der Republikanischen Partei in den USA und ihrem Möchtegern-Machthaber Donald Trump willkommen geheißen und unterstützt. Die Republikanische Partei in den USA hat alle Trump-Kritiker aus dem Weg geräumt und organisiert sich in den Bundesstaaten der USA, um Wahlergebnisse, die ihnen nicht gefallen, einfach abzulehnen.

Anstatt das Kapitol zu stürmen, wie es Tausende von Trumps Anhängern am 6. Januar 2021 taten, hat die GOP ("Grand Old Party", Republikaner-Partei, Telepolis) jetzt einen Plan, um im Stillen die Macht zu übernehmen, indem sie Wählerstimmen unterdrückt und den Sieg unabhängig vom Ergebnis im November 2024 erklärt.

Korrupte, wahlmanipulierende Gesetzgebungen in den Bundesstaaten und mit Trump verbündete Gouverneure und Staatsminister dort haben diesen Plan bereits in die Tat umgesetzt, während sie versuchen, bei den US-Kongresswahlen 2022, die nur noch einen Monat entfernt sind, mehr Macht zu erlangen.

Es braucht eine konzertierte Aktion der Mehrheit

Trump hat den Klimawandel wiederholt als Schwindel bezeichnet. Seine europäischen Anhänger sind nicht so krass, befürworten aber im Allgemeinen die Ausweitung der Verbrennung fossiler Brennstoffe, eine stärkere Abhängigkeit von der Kernenergie und eine Ablehnung der Klimaverhandlungen der Vereinten Nationen.

Diese Verhandlungen werden "COPs" genannt, was für "Konferenz der Vertragsparteien" im Rahmen des Kyoto-Protokolls steht. Die diesjährige Konferenz im November, COP27, wird in Sharm El-Sheik, Ägypten, stattfinden, wo eine breite Koalition an die Militärdiktatur von Abdel Fattah el-Sisi appelliert hat, die Teilnahme von Bürger- und Umweltgruppen zuzulassen und die zahlreichen politischen Gefangenen in Ägypten freizulassen.

Die UNFCCC, das Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen, kooperiert immer wieder mit Diktaturen. Zu den bisherigen Gastgebern gehörten Katar und Marokko, wo wirklicher Protest praktisch verboten ist. Die COP im nächsten Jahr wird im ölreichen Dubai in den Vereinigten Arabischen Emiraten stattfinden. Wir sollten nicht erlauben, dass die COPs von Cops, also Polizisten durchgeführt werden.

Eine Aufgabe von Klimaschützern besteht darin, funktionierende Demokratien zu ermöglichen, in denen die Forderungen der Menschen nach einer lebbaren Zukunft Vorrang vor Eigeninteressen, Ideologie und persönlichen Feudalansprüchen haben,

schrieb der Klimaaktivist Bill McKibben im April, als er über den Klimaaktivismus nach Russlands Einmarsch in der Ukraine nachdachte.

In Ländern, in denen Proteste einigermaßen toleriert werden, wie in den Vereinigten Staaten, steht viel auf dem Spiel und die Zeit ist knapp. Der NASA-Klimaforscher Peter Kalmus weiß das. Er wurde im April verhaftet, als er gegen die weiter laufenden Investitionen in fossile Brennstoffprojekte von JP Morgan Chase protestierte.

"Ich schreie mir die Lunge aus dem Leib. Ich riskiere eine Verhaftung. Ich wurde gezwungen, ein Klimaaktivist zu werden", sagte Kalmus auf Democracy Now.

Ich bin entsetzt über die Untätigkeit der führenden Politiker der Welt, die um das eigentliche Problem herumtanzen, das darin besteht, dass wir die fossile Brennstoffindustrie so schnell wie möglich herunterfahren müssen ... Es ist eine bittersüße Sache. Wir sind in der Lage, extrasolare Planeten zu orten. Wir führen erstaunliche Raumfahrtmissionen durch, wie z. B. die Umlenkung von Asteroiden, und doch führt all diese Technologie, all dieses Wissen irgendwie nicht dazu, die eindeutig größte Bedrohung der Menschheit zu stoppen, nämlich die globale Erwärmung.

Wirbelstürme und Dürren vertreiben inzwischen Millionen von Menschen und führen zu einer klimabedingten Migration, die die einwanderungsfeindliche Stimmung in Europa und den USA noch verstärkt.

Klima und Demokratie sind enorm bedroht. Unsere Fähigkeit, diesen Sturm zu überstehen, hängt von einer konzertierten Aktion der globalen Mehrheit ab, die sich darum kümmert, auch wenn es immer schwieriger wird.

Der Artikel von Amy Goodman und Dennis Moynihan erscheint in Kooperation mit dem US-Programm Democracy Now [2]. Bitte beachten Sie die Lizenzbedingungen CC BY-NC-ND 3.0 US [3].

Amy Goodman ist Gründerin, Produzentin und Moderatorin der täglichen, unabhängigen Grassroots-News-Hour Democracy Now [4] in den USA, die auf 1400 Fernseh- und Radiostationen weltweit gesendet wird. Sie hat zahlreiche Preise erhalten, wie die von der Harvard University verliehene I.F. Stone Medal for Journalistic Independence Lievetime Achievement Award. Als erste Journalistin erhielt sie zudem den Right Livelihood Award, besser bekannt als Alternativer Nobelpreis. Goodman hat sechs New York Times Bestseller geschrieben. Ihr letztes Buch heißt: "Democracy Now!: Twenty Years Covering the Movements Changing America [5]".

Denis Moynihan arbeitet seit 2000 mit Democracy Now! zusammen. Er ist ein Bestsellerautor und Kolumnist bei King Features. Er lebt in Colorado, wo er den Community-Radiosender KFFR 88.3 FM in der Stadt Winter Park gegründet hat.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-7285912

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.democracynow.org/
[2] https://www.democracynow.org/2022/9/29/climate_and_democracy_in_the_eye
[3] https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/us/
[4] https://www.democracynow.org/
[5] https://www.democracynow.org/events