Deutsche Unternehmen bei KI-Umsetzung überfordert
KI ist das Zukunftsthema, doch die Umsetzung stockt. Die meisten Firmen in Deutschland sind überfordert. Nur sechs Prozent fühlen sich optimal auf KI vorbereitet.
Künstliche Intelligenz (KI) beschäftigt auch in der Weihnachtszeit die Medien. „So werden wir zu Supermenschen“, schreibt Der Spiegel und lässt den Futuristen Ray Kurzweil zu Wort kommen. Er „prophezeit eine Zukunft, in der die KI alle Probleme löst“.
Optimistisch sieht die Entwicklung auch Lukas Keicher vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO). Er schreibt:
Früher war Innovation oft ein intuitiver Prozess, geprägt von kreativen Einfällen und viel Erfahrung. Heute wird dieser Prozess zunehmend datengetrieben und durch intelligente Algorithmen unterstützt. Die KI bietet uns Werkzeuge, um komplexe Zusammenhänge zu erkennen, Muster zu identifizieren und Vorhersagen zu treffen, die weit über das hinausgehen, was menschliche Expertinnen und Experten allein leisten können.
Innovationen haben eine große Bedeutung für Unternehmen. Innovationen durch neue Produkte sind für viele Betriebe Grundlage des Unternehmenserfolgs. Die Erwartungen von Kunden werden größer, auch ist häufig ein schnelles Reagieren auf geänderte Kundenwünsche von Bedeutung. Unternehmen benötigen deshalb die regelmäßige Weiterentwicklung ihrer Produkte und Dienstleistungen, um am Markt bestehen zu können.
Sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen, ist die klassische Aufgabe der Geschäftsführung. Aber wie das Beispiel VW zeigt, setzen viele Manager lieber auf Personalkostensenkungen, statt ein Innovationsmanagement voranzutreiben. KI könne dabei verschiedene Rollen in Innovationsteams einnehmen und bei unterschiedlichen Aufgaben unterstützen, erläutert Keicher.
Bei der Entwicklung der Ideen kann die Technik helfen. „KI-basierte Tools können riesige Datenmengen aus verschiedenen Quellen analysieren und so neue, unkonventionelle Ideen hervorbringen.“ So können eher Trends erkannt werden. Auch die Konzeptbewertung werde einfacher.
„Mithilfe von KI-Modellen lassen sich Konzepte viel schneller und genauer bewerten. Sie können beispielsweise die Marktfähigkeit eines Produkts einschätzen, die Produktionskosten kalkulieren oder das Risiko von Fehlschlägen minimieren“, ist sich der Forscher sicher.
„Tolle KI-Strategien“ werden nicht umgesetzt
Nicht alle teilen die KI-Euphorie. Wie unsicher die Beschäftigten durch den technischen Wandel sind, zeigt eine Umfrage, die das Marktforschungsinstitut Censuswide unter gut 2.000 Beschäftigten durchgeführt hat. Nur rund jeder Dritte (32 Prozent) fühlt sich derzeit sicher im Umgang mit KI-Tools bei der Arbeit.
Probleme haben aber auch die Unternehmen. Lediglich sechs Prozent der Unternehmen in Deutschland sind optimal auf KI vorbereitet. Das zeigt eine Studie des US-Telekommunikationsunternehmens Cisco. Dabei seien deutliche Unterschiede zwischen „Anspruch und Wirklichkeit zu erkennen“, meldet die Deutsche Presse-Agentur (dpa).
„Die Studie zeigt eine deutliche Kluft: Viele haben tolle KI-Strategien, setzen sie aber einfach nicht um“, erklärt demnach Christian Korff, Mitglied der Geschäftsführung bei Cisco. 84 Prozent der deutschen Führungskräfte befürchten negative Auswirkungen auf ihre Unternehmen, falls sie ihre KI-Strategien nicht innerhalb der kommenden 18 Monate umsetzen können.
Die Einsatzmöglichkeiten der Technik sind unterschiedlich, ebenso die Folgen. Mit KI-Modulen von Microsoft Teams etwa können das Nutzungsverhalten analysiert und die persönlichen Beziehungen zwischen den Kollegen sichtbar gemacht werden. Daraus können Profile erstellt werden.
Dabei ist aber unklar, welche Annahmen, Parameter und Werte als Grundlage für die von der Technik vorgenommenen Bewertungen verwendet würden, kritisiert Nils Schlesinger, Berater bei der BTQ Kassel, einer gewerkschaftlichen Technologieberatung. Fehlentscheidungen haben dabei schwerwiegende Folgen.
Zumal selbst bei der Erstellung von Texten Halluzinationen nicht ausgeschlossen sind. Das mit dem Copiloten in Edge im Rahmen einer Recherche „erstellte Literaturverzeichnis mit diversen Quellen sah formal korrekt aus und gab Autoren, Jahreszahlen und Verlage an“. Weiter:
Wenn man die angegebenen Bücher und Artikel dann jedoch aufrufen wollte, stellte sich heraus, dass der Copilot verschiedene Quellen inklusive Autoren erfunden hat. Sogar ein Gesetz hatte die Software herbeihalluziniert.
Negative Folgen für die Beschäftigten
Die Folgen für die Beschäftigten zeigen wissenschaftliche Untersuchungen auf. Die Belegschaften leiden an Burn-out, psychosomatischen Beschwerden oder arbeitsbedingter Erschöpfung. Das ergeben Erwerbstätigen- und Arbeitszeitbefragungen, die in der Fachzeitschrift ‚forum‘ der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), komprimiert zusammengefasst werden.
Mehr als ein Drittel der Befragten leidet demnach an Schlafstörungen und knapp zwei Drittel geben an, emotional erschöpft zu sein. Depressive Symptome belasten ein Fünftel der Beschäftigten. Innerhalb von drei Jahren habe sich dieser Anteil verdoppelt.
Studien weisen auf Zusammenhänge zwischen Belastungen am Arbeitsplatz und Erkrankungsrisiken hin. Psychische Belastungen am Arbeitsplatz seien „längst kein Nischenthema“ mehr. „Mehr Engagement im Bereich der psychischen Belastung ist im Arbeitsschutz dringend erforderlich“, appelliert DGUV-Autorin Jasmine Kix.