Microsoft Copilot: Leistungskontrolle durch die Hintertür?

Logo von Microsoft Copilot auf einem kleinen Bildschirm.

(Bild: JLStock / Shutterstock.com)

Microsoft Copilot erleichtert die Arbeit, doch Experten warnen vor möglicher Überwachung der Mitarbeiter-Leistung und emotionalen Reaktionen am Arbeitsplatz.

Künstliche Intelligenz (KI) wird in den Betrieben zunehmend Teil des Alltags. „KI verändert, wie wir untereinander interagieren, wie wir lernen und Entscheidungen treffen. Diese Veränderungen können auf die Menschen, die sie jetzt schon sehen, ebenfalls beängstigend wirken“, erläutert Katja Nettesheim in ihrem Buch „KI-Kompetenz: Für eine Zukunft in Wohlstand“.

Die Befürchtungen sind nicht verwunderlich. Denn nicht nur in den USA boomen Überwachungsprogramme. Firmen wie CleverControl preisen die Fähigkeiten ihrer Software vollmundig an: „Wie man mit CleverControl einen toxischen Mitarbeiter entlarvt“ oder „Die Wichtigkeit einer konsequenten Überwachung“.

Auch Anbieter wie Teramind und Hubstaff werben offen mit Videoüberwachung, Gesichtserkennung oder E-Mail-Scanning, die Informationen zusammenführen und zu einem Mitarbeiterprofil verdichten.

Leistungs- oder Verhaltenskontrolle hat es in der Arbeitswelt schon immer gegeben. Doch mit der technischen Entwicklung haben sich die Kontrollmöglichkeiten vervielfacht.

Die Technik erleichtert dem Management die Kontrolle. Karl Schmitz von der Hamburger Technologieberatung tse erklärt:

Mustererkennung funktioniert nicht nur mit Textdokumenten. Man kann Systeme genauso gut auf Handlungsmuster trainieren. Sie können dann erkennen, welche Cluster von Arbeitsabläufen statistisch signifikant zusammen vorkommen. Daraus lassen sich Tätigkeitsprofile entwickeln, die dann den Benutzerinnen und Benutzern vorgeschlagen werden können. Der Umfang der erlaubten Abweichungen von diesen Mustern kann mit fortschreitendem Feintuning immer weiter eingeschränkt werden. So lassen sich Konzepte für Normalität entwickeln. Durch Algorithmen kann die Steuerung weiter beeinflusst werden. Dank der kleinteiligen Überwachbarkeit aller digitalisierten Vorgänge ist die Kontrolle über die Einhaltung der neuen Normalität kein Problem, denn die Abweichungen von der computerdefinierten Normalität können real time festgestellt, über längere Zeitabschnitte ausgewertet oder mit Alarmfunktionen versehen werden.

Stimmungsanalyse in der Belegschaft per Microsoft

Von Kommunikations- und Dokumenteninhalten über Metadaten bis zu automatisiert gestarteten Bildschirm-, Video- und Audioaufzeichnungen – einige Überwachungssoftware sammeln alle Informationen, die dann ausgewertet werden.

Welche Möglichkeiten die Produkte von Microsoft bieten, erläutert Nils Schlesinger. Er ist Berater bei der BTQ Kassel, einer gewerkschaftlichen Technologieberatung.

Mit „Produktivität neu definieren“ wird für den Microsoft 365 Copilot geworben. Das KI-gestützte Tool kommt auch in Microsoft Teams zum Einsatz. Aus Teamsitzungen heraus kann die Technik genutzt werden, um Aufgaben zu verteilen, Protokolle automatisch zu erstellen und Inhalte zusammenzufassen.

„Das bedeutet aber auch: Arbeitgeber könnten die Leistung und das Verhalten eines Beschäftigten auf der Grundlage von schriftlichen Inhalten bewerten“, erläutert Schlesinger. Grundlage dafür sind zum Beispiel nicht nur Dateien oder Team-Chats, sondern auch E-Mail-Korrespondenz und emotionale Reaktionen (Emojis).

Missbrauch auszuschließen, sei extrem schwierig, sagt der Technologieberater. Das zeigt das Beispiel der Emotionsanalyse. Die Technik will anhand der Daten herausfinden: „Wie ist die Einstellung eines Mitarbeiters zur Arbeit und zum Unternehmen? Ist er in der Besprechung mit einer zynischen Haltung aufgefallen?“

Regeln müssen in der Praxis umgangen werden. Ist etwa eine Emotionsanalyse in einem „Copilot“ gesperrt, gibt es Möglichkeiten, die notwendigen Daten zu übertragen. Denn es gibt nicht den einen Microsoft Copilot, sondern verschiedene Varianten, z. B. Copilot for Sales, Copilot for Service, for Finance oder Power Platform.

„Kopiert man den transkribierten Text jedoch in einen anderen Copiloten, der einem anderen Set an Richtlinien folgt, kann die Stimmungsanalyse wieder möglich werden." Die norwegische Universität für Wissenschaft und Technologie in Trondheim schlägt daher vor, Führungskräften mit Personalverantwortung keinen Zugang zu Copilot zu gewähren.

Viele Beschäftigte fühlen sich belastet

Der rasante Wandel in der Arbeitswelt belastet viele, zeigt eine Umfrage des Marktforschungsinstituts Censuswide im Auftrag des Karriereportals LinkedIn unter gut 2.000 Arbeitnehmern. Mit fast 70 Prozent fühlt sich ein Großteil der Arbeitnehmer von der Geschwindigkeit, mit der sich ihre Arbeit verändert, überfordert.

So geht fast jeder Zweite (49 Prozent) davon aus, dass Künstliche Intelligenz (KI) die eigene Arbeitsweise in den kommenden fünf Jahren stark verändern wird. Zu welchen Auswüchsen der Einsatz von Technik führen kann, zeigt ein anderes Beispiel. Der Fall wurde bereits vor Jahren von der Hans-Böckler-Stiftung veröffentlicht, ist aber aktueller denn je. Denn Algorithmen werden inzwischen in vielen Unternehmen für Personalentscheidungen eingesetzt.

Beim Online-Versandhändler Zalando war ein System namens Zonar im Einsatz. Mit einem „System der allseitigen Bewertung“ sollten Mitarbeiter die Arbeit ihrer Kollegen aus ihrem direkten Umfeld bewerten. Dazu sollten sie in verschiedenen Kategorien zunächst bis zu fünf, später bis zu sechs Sterne vergeben. Auch wenn sie es eigentlich nicht wollten, wurden die Mitarbeiter dazu gedrängt, negative Bewertungen abzugeben.

Die einzelnen Bewertungen wurden in einer App gesammelt und ein Algorithmus teilte die Mitarbeiter in drei Gruppen ein: Low-Performer, Good-Performer und Top-Performer. Diese Ranglisten dienten als Begründung für die Verweigerung von Gehaltszulagen. Diese Praxis wurde nach Intervention der Berliner Datenschutzaufsichtsbehörde eingestellt.

Streiks für bessere Arbeitsbedingungen bei Amazon

Dagegen regt sich Widerstand. Am Black Friday hat die Gewerkschaft ver.di die Beschäftigten des Online-Versandhändlers Amazon zum Streik aufgerufen. In Bad Hersfeld fand eine zentrale Protestaktion statt, zu der 1.200 Streikende aus der ganzen Republik angereist waren.

Die Beschäftigten fordern nicht nur eine Bezahlung nach Tarif. Vielmehr soll der Tarifvertrag für gute und gesunde Arbeit im Einzelhandel durchgesetzt werden. „Die Beschäftigten berichten uns von einem enormen Leistungsdruck, von einer erschöpfenden Arbeitsverdichtung und von einer Überwachung am Arbeitsplatz, die ein Klima der Angst erzeugt“, erklärt ver.di-Bundesvorstand Silke Zimmer.