Weltpremiere: Iran stellt ersten reinen Drohnenträger in Dienst
Das 240 Meter lange Kriegsschiff Shahid Bagheri ist ein Symbol strategischer Neuausrichtung. Experten rätseln, welche der gefürchteten iranischen Drohnen an Bord sind.
Iran hat sich zur Drohnen-Supermacht entwickelt. Schon früh erkannte die Führung in Teheran die strategische Bedeutung und das Potenzial dieser neuen Waffengattung.
Mit dem Bau des ersten reinen Drohnenträgers, der "Shahid Bagheri", hat der Iran nun erneut Militärgeschichte geschrieben. Aktuellen Satellitenaufnahmen zufolge befindet sich das Schiff derzeit offenbar auf einer Erprobungsfahrt.
Die neue Shahid Bagheri ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Denn sie ist nicht nur der erste reine Drohnenträger der Welt, sondern sie ist zudem ein umgebautes, ziviles Containerschiff.
Gewaltige Ausmaße
Die Shahid Bagheri wurde laut des Portals balticshipping.com im Jahr 2000 von Hyundai Heavy Industries in Südkorea gebaut. Mit nunmehr 24 Jahren hat sie eigentlich das Ende ihrer wirtschaftlichen Lebensdauer erreicht, normalerweise rechnet man bei Containerschiffen mit einer Dienstzeit von 20 bis 25 Jahren.
Das Schiff hat mit 240 Metern Länge, 32 Metern Breite und 36014 Bruttoregistertonnen gewaltige Ausmaße für ein Kriegsschiff. Zum Vergleich wird die im Bau befindliche F226 "Niedersachsen" der deutschen Marine, bei Fertigstellung voraussichtlich im Jahre 2028 dann das größte deutsche Kriegsschiff, eine Länge von 166 und eine Breite von 21,7 Metern haben.
Der neue Drohnenträger spiel damit von der Größe her ungefähr in der Klasse der japanischen Träger der "Izumo"-Klasse oder der italienischen "Cavour".
Die Shahid Bagheri ist tatsächlich der weltweit erste Drohnenträger, der von Anbeginn als solcher konzipiert wurde.
Pionier Türkei: Erfahrungen mit Bayraktar TB3 Drohne
Die Türkei hat zwar einen Flugzeugträger, der zurzeit hauptsächlich Drohnen zum Einsatz bringen soll. Von der TCG Anadolu ist sogar laut der Webseite Naval News im vorigen Monat, nämlich am 19. November 2024, historisch erstmals ein unbemanntes Starrflügelflugzeug erfolgreich auf einem Flugzeugträger gelandet und gestartet. Es handelte sich um eine türkische Bayraktar TB3 Drohne. Doch die Anadolu ist eigentlich für den Betrieb mit F-35 konzipiert worden.
Dagegen können größere, pilotierte Düsenjets mit dem reinen Drohnenträger Shahid Bagheri nicht zum Einsatz gebracht werden. Der Aufzug und die unteren Hangars sind nicht für größere, bemannte Flugzeuge ausgerüstet.
Viele Details über den neuen iranischen Drohnenträger sind nicht bekannt. In einem Artikel der Eurasiatimes vom vergangenen Jahr kann man Bilder vom Umbau des Containerschiffes in einen Flugzeugträger sehen.
Schräg-Landedeck und Sprungschanze
Das Schiff verfügt, so wie konventionelle Flugzeugträger, über ein Schräg-Landedeck und zusätzlich über einen Ski-Jump, einer Sprungschanze am Bug des Schiffes, das Flugzeugen bei kurzen Startbahnen beim Starten hilft und ihnen eine zusätzliche Aufwärtsbeschleunigung gibt.
Ein Schräg-Landedeck ermöglicht normalerweise ein paralleles Starten und Landen von Flugobjekten auf einem Flugzeugträger. Bei der Shahid Bagheri steht dafür aber das Deckshaus des alten Containerschiff-Layouts im Weg, bei Flugzeugträgern spricht man statt eines Deckshauses von einer Insel, die seitlich auf dem Deck platziert ist, sodass die volle Schiffslänge für den Flugbetrieb nutzbar ist.
Bei der Shahid Bagheri ist dies nicht möglich, dafür ist das Deck hinter dem Deckshaus zu einem Start- und Landeplatz für senkrechtstartende Drohnen (VTOL) oder Hubschrauber umgebaut worden zu sein.
Militärs können aus dem Vollen schöpfen
Wie viele oder welche Drohnen mitgeführt werden, ist nicht bekannt. Auch nicht, ob das Schiff seinerseits kleinere Schiffe oder Boote mitführt. Iran hat eine riesige Flotte kleiner und kleinster Schiffseinheiten, die normalerweise bei asymmetrischen maritimen Operationen verwendet werden.
Es wird angenommen, dass der Iran über 1000 militärische Speedboote verfügt, kleine, wendige Boote unter 10 Tonnen Verdrängung, die mindestens 100 km/h schnell sind.
Bei der Ausrüstung mit Fluggeräten können die Militärs aus dem Vollen schöpfen, der Iran hat als Drohnen-Supermacht eine große Bandbreite an Drohnen in seinen Arsenalen, die er mittels der Shahid Bagheri zum Einsatz bringen könnte.
Sogenannte MALE-Drohnen (Medium Altitude Long Endurance) wären eine gute Wahl, um einerseits Aufklärungsdaten aus großer Entfernung zu gewinnen, andererseits können diese Drohnen auch Kampfaufgaben übernehmen, da sie mit Raketen oder Bomben bewaffnet werden können. Die bekanntesten Vertreter dieser Drohnengattung sind die türkische Bayraktar oder die US Reaper-Drohne.
Das Drohnenrepertoire Irans
Der Iran verfügt etwa mit der Shahed 129, der Qods Mohajer-6 und neuerdings der HESA Fotros über mehrere Drohnen dieses Typs. Die Drohnen haben eine Reichweite von teilweise über 2400 Kilometer.
Auch größere HALE-Drohnen (High-altitude long endurance) wären denkbar, wie die neue Shahed 149 Gaza, die aufgrund ihrer Größe eine hohe Zuladung von 1,5 Tonnen aufweist, 7000 Kilometer Reichweite hat und eine Dienstgipfelhöhe von 11.000 Metern erreicht.
Die Shahed 149 würde dem neuen Drohnenträger erhebliche strategische Optionen verleihen. Hier wäre allerdings die Frage, ob die Schiffstechnik auf derart große Drohnen ausgerichtet ist.
Und natürlich kann die Shahid Bagheri die ganze Bandbreite iranischer Suizid-Drohnen mitführen. Der bekannteste iranische Vertreter dieser Drohnengattung ist die Shahed-236, die sich im Ukrainekrieg als überaus erfolgreich erwiesen hat.
Seekriegsführung der Huthis
Doch auch in der Seekriegsführung haben sich Suizid-Drohnen als performant erwiesen. Die mit dem Iran verbündeten Huthi greifen seit dem 19. Oktober 2023 immer wieder Schiffe des kollektiven Westens vor allem mit Suizid-Drohnen an. Es wird vermutet, dass diese entweder vollständig aus dem Iran stammen oder im Iran entworfen worden sind.
Die Huthi-Kampagne ist trotz US-Schlägen gegen die jemenitischen Rebellen weiterhin überaus erfolgreich. Laut Business Insider passierten am 1. Dezember dieses Jahres durchschnittlich 26 Containerschiffe pro Woche das Rote Meer, während es zur gleichen Zeit des Vorjahres noch 73 waren. Diese maritime Disruption zeigt das Potential von Drohnen in der Seekriegsführung auf.
Der Shahid Bagheri stehen theoretisch weitere umgebaute, große iranische Militärschiffe zur Seite, die ebenfalls Drohnen zum Einsatz bringen können – und zwar die drei umgerüsteten Handelsschiffe, die der Iran neben der Shahid Bagheri in seiner Flotte hat: die Shahid Mahdavi, die Shahid Roudaki und die Makran.
Handelsschiffe werden Kriegsschiffe: Der neue Möglichkeitsraum
Die Schiffe waren früher Fracht-, Containerschiff oder Öltanker. Die Shahid Roudaki ist mit 140 Metern Länge das kleinste Schiff in der Reihe, die beiden anderen sind etwa so groß wie die Shahid Bagheri. Alle drei Schiffe sind vom Schiffstyp her eine "Mobile Expeditionsbasis", eine Schiffsklasse, die das erste Mal mit der "Lewis B. Puller"-Klasse 2014 durch die USA in Dienst gestellt wurde.
Dort hat die iranische Führung vielleicht auch die Idee entliehen, Handelsschiffe zu Kriegsschiffen umzubauen, denn die "Lewis B. Puller"-Klasse basiert konstruktiv auf Öl-Tankern der Alaska-Klasse.
Die drei weiteren iranischen Mobilen Expeditionsbasen sind zwar ebenfalls in der Lage, Drohnen zu starten, verfügen jedoch nicht über ein dediziertes Flugdeck, das für den horizontalen Start und die Landung von Flugzeug-Drohnen geeignet wäre.
Drohnen, die direkt aus Containern starten
Stattdessen können beispielsweise Suizid-Drohnen des Typs Shahed 236 direkt aus Containern gestartet werden oder Hubschrauber zum Einsatz gebracht werden. Zudem können kleine Schiffe und Boote mitgeführt werden.
Flexible Waffen, schnelle Anpassung
Besonders interessant an diesen Schiffen ist ihre flexible Bewaffnung: Es scheint, dass sie keine festen Waffenaufbauten besitzen. Stattdessen werden die Waffen offenbar in modularen Containern transportiert oder möglicherweise als Fahrzeuge auf dem Deck positioniert.
Diese modulare Bauweise erlaubt eine schnelle Anpassung an verschiedene Missionen und könnte die Einsatzfähigkeit der Schiffe erheblich steigern.
So wäre es denkbar, dass z.B. Flugabwehrsysteme, die für die Landstreitkräfte produziert wurden, einfach auf der großen Deckfläche abgestellt werden.
Start einer ballitischen Rakete
Der X-Kanal Amir zeigt den Start einer ballistischen Rakete von Deck der Shahid Mahdavi – aus einem Container heraus. Die Schiffe sind riesig und können dementsprechend eine große Menge Waffen wie Raketen oder Drohnen mitführen.
Die strategische Neuausrichtung Irans
Die Entwicklung der Shahid Bagheri steht im Kontext von Irans strategischer Neuausrichtung seiner maritimen Fähigkeiten. In der vergangenen Dekade hat das Land seine Marinestrategie grundlegend verändert und setzt verstärkt auf flexible, unkonventionelle Ansätze.
Der Fokus liegt dabei auf der Entwicklung agiler Seeeinheiten und kleineren Plattformen, die eine asymmetrische Kriegführung auf See ermöglichen.
Charakteristisch für diese Neuausrichtung ist die Abkehr von traditionellen Flottenkonzepten zugunsten von kleinen, wendigen Schiffseinheiten, die schnell und unvorhersehbar operieren können.
Die zu Kriegsschiffen umgebaute Handelsschiffe symbolisieren Irans Bestrebungen, seine maritime Reichweite dramatisch zu erweitern. Während seine traditionellen Marinekräfte auf regionale Präsenz beschränkt waren, eröffnet die Shahid Bagheri neue Möglichkeiten für globale Operationen.
Die Fähigkeit, Drohnen in entfernten Seegebieten zu stationieren, verleiht Iran eine bislang ungekannte strategische Flexibilität.
Die Entwicklung der Shahid Bagheri erfolgt vor dem Hintergrund anhaltender regionaler Spannungen und einer zunehmend komplexen geopolitischen Landschaft im Nahen Osten. Die Fähigkeit, Drohnen weit außerhalb traditioneller Operationszonen einzusetzen, verleiht der Marine des Iran fundamental neue Fähigkeiten.
Potenzielle Einsatzszenarien
Besonders interessant sind die potenziellen Einsatzszenarien. Das Schiff könnte den kommerziellen Schiffsverkehr stören, strategische Aufklärungsmissionen durchführen und eine Präsenz in Seegebieten etablieren, die bislang als unerreichbar galten.
Bestehende Containerschiffe oder Öltanker umzubauen, ist eine Strategie, wirtschaftliche Sanktionen zu umgehen, Geld zu sparen und dennoch sehr fähige Schiffe zu erhalten.
Allerdings sind diese Schiffe, und natürlich auch der weltweit erste reine Drohnenträger Shahid Bagheri, sehr große und langsame Einheiten, die eben auch große Ziele abgeben. Die Hauptschwierigkeit wird sein, diese Schiffe vor Seezielflugkörpern und Flugzeugangriffen zu schützen.
Angesichts der ständigen Weiterentwicklung von Seezielflugkörpern ist dies kein leichtes Unterfangen. Die rasante Entwicklung von Anti-Schiffsraketen stellt das gesamte Konzept des Flugzeugträgers zunehmend infrage – unabhängig davon, ob er Drohnen oder bemannte Flugzeuge einsetzt.
Daher wäre ein Einsatz gegen Staaten mit fortschrittlichen militärischen Fähigkeiten äußerst riskant, wodurch die neuen iranischen Großeinheiten eher in Szenarien gegen nicht-staatliche Akteure oder militärisch weniger entwickelte Nationen zum Einsatz kommen könnten.