Algerisch-französische Beziehungen: Ein Pulverfass der Gegenwart
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Ein diplomatischer Sturm braut sich zwischen Algerien und Frankreich zusammen. Ein Botschafter wurde vorgeladen, Vorwürfe fliegen hin und her. Was steckt dahinter?
Der Ton wird rauer, ein Botschafter wurde vorgeladen, eine Art amtlicher Verschwörungstheorie verbreitet. Am vorigen Sonntag – ein gewöhnlicher Werktag in Algerien, wo das Wochenende auf den Freitag und Samstag fällt, wie in mehreren anderen muslimisch geprägten Ländern – wurde über die Presse des Landes bekannt, dass die Regierung in Algier den französischen Botschafter Stéphane Romantet einbestellt hatte.
Frühere Kolonialmacht
Dabei wurde eine "scharfe Verwarnung" an die Adresse des diplomatischen Vertreters Frankreichs ausgesprochen. Ihm wurde vorgehalten, die Behörden seines Landes betrieben "aggressive Manöver und Operationen" zur "Destabilisierung Algeriens".
Im Rahmen eines Komplotts hätten Vertreter des französischen Staates versucht, einen aus Algerien stammenden jihadistischen Terroristen – nachdem er in Syrien und im Irak aktiv war – zu rekrutieren, um gegen sein Herkunftsland aktiv zu werden.
Ähnliche Vorwürfe, Frankreich – dessen Armee bis dahin in der Sahelzone präsent war – betreibe unter dem Vorwurf der Bekämpfung der dort tätigen Jihadisten in Wirklichkeit ihre Ausrüstung und Bewaffnung, kamen in den letzten drei Jahren von den Militärregierungen in Mali und Burkina Faso.
Diese haben sich im selben Zeitraum verstärkt Russland als neuem strategischem Partner zugewandt. Unbewiesen blieben solche Behauptungen, Frankreich stecke hinter dem bewaffneten Jihadismus in Nordafrika oder im Sahelraum, allemal.
Dass Frankreichs politische und militärische Bemühungen um dessen Bekämpfung ausgesprochen erfolglos waren, ähnlich derer in der Vergangenheit gegen die Taliban in Afghanistan, ist eine Tatsache.
Dass die frühere Kolonialmacht keine Legitimität genießt, bei ihrer Bekämpfung in der vordersten Reihe zu stehen (wie Frankreich im Sahel bis 2022), sondern sogar eher droht, jihadistische Kombattanten zu vermeintlichen antikolonialen Freiheitskämpfern – die sie gewiss nicht sind – scheinbar zu adeln, ist ebenfalls klar. Eine direkte Unterstützung der Einen (Franzosen) für die Anderen (Jihadisten) hingegen gehört zweifellos ins Reich der Verschwörungslegenden.
Warum nun werden solche Behauptungen in diesen Tagen quasi regierungsoffiziell aufgestellt?
Dafür gibt es mindestens zwei geopolitische Hintergründe.
Frankreichs Beziehungen zu Marokko
Zum Einen hat Frankreichs seit Sommer dieses Jahres die Positionen der marokkanischen Monarchie, und damit des großen regionalen Rivalen Algeriens, regierungsoffiziell unterstützt – bis hin zu einer nunmehrigen expliziten Rechtfertigung der, nach wie vor internationalem Recht zuwiderlaufenden, Okkupation der früheren spanischen Kolonie Westsahara durch Marokko.
Dadurch fühlt Algerien, dessen Beziehungen zu Marokko notorisch angespannt sind und laut manchen Beobachtern u.U. in einen militärischen Konflikt ausarten könnten, sich in die Enge gedrängt, zumal sich die USA unter Donald Trump ebenfalls offen hinter dem marokkanischen Regime positionieren dürften, wie bereits 2020 geschehen.
Algerien unterstützte bis dahin die für einen marokkanischen Abzug aus der Westsahara kämpfende Befreiungsbewegung Frente polisario – deren Militärapparat mittlerweile weitgehend unter algerischer Kontrolle stehen dürfte.
Syrien
Hinzu kommt zum Zweiten der Sturz des syrischen Regimes unter Baschar Al-Assad. Dieses wurde bekanntlich am 08. Dezember beendet; was nun in Syrien kommt, wird sich erweisen müssen, wobei zumindest feststehen dürfte, dass es etwa unter dem Gesichtspunkt der Menschenrechte definitiv nicht schlimmer kommen kann als unter dem Assad-Regime.
Die algerische offizielle Politik verteidigte es bislang gegen syrische Rebellen und regionale Rivalen wie die Türkei und Qatar.
Die Natur des algerisches Regimes, obwohl es selbst erkennbar repressive Züge trägt, lässt sich gewiss nicht mit jener der bisherigen syrischen Folterdiktatur vergleichen: Gewaltlos agierende politische Opponenten, wie Protagonisten der 2019 aufkommenden Protestbewegung Hirak (dialektarabisch für "Bewegung", hocharabisch harakat), mussten in Algerien in jüngerer Zeit mit durchschnittlich zwei Jahren Haft rechnen, in Syrien jedoch mit dem Foltertod.
Das lässt sich gewiss nicht gleichsetzen. Nichtsdestotrotz stufte das Regime in Algier den Sturz der Diktatur in Damaskus als Rückschlag ein. Ähnlich positionierte sich übrigens auch das Regime von Staatspräsident Kais Saied beim Nachbarn Tunesien. Die Machthaber in beiden nordafrikanischen Ländern, stärker noch jene in Algier als in Tunis, fühlen sich eingekreist.
Eine weitere wichtige Etappe im zwischenstaatlichen Konflikt mit der früheren Kolonialmacht Frankreich, bei dem es nun zu lautstarken Streitigkeiten kommt, war die seit der am 16. November erfolgte Inhaftierung des französisch-algerischen Schriftstellers Boualem Sansal.
Der 75-jährige Schriftsteller ist in Frankreich weitaus bekannter als in seinem Herkunftsland, wo seine Bücher bis zuletzt legal verkauft werden durften – allerdings eher schwer zu finden waren – und er weitgehend isoliert war. Das hat auch mit seinen inhaltlichen Positionierungen zu tun.