Deutschland 2023: "Über 60 Prozent sehen keinen Ausweg aus den Krisen"

Seite 2: 74 Prozent fühlen sich passiv ausgeliefert

Das große Ergebnis:

Lediglich 24 Prozent der Befragten gehen aktiv gestaltend mit der Krise um. Ganze 74 Prozent fühlen sich hingegen passiv ausgeliefert.

Im Detail hat man dazu eine originelle Typologie erstellt (man will sich ja von anderen Untersuchungen unterscheiden).

Sechs Typen werden vorgestellt:

  1. Einnister (22 Prozent)
  2. Getriebene und Verschollene (19 Prozent)
  3. Trotzig-Wütende (33 Prozent)
  4. Relativierer und Enthobene (6 Prozent)
  5. Zupacker (13 Prozent)
  6. Umstülper (fünf Prozent)

Zielgruppen für Wahlkämpfer?

Die Einnister werden dadurch charakterisiert, dass sie mit Rückzug und Abschottung auf die Erschütterung durch die Krisen reagieren. Die Getriebenen und Verschollenen reagieren mit einer hastigen Suche nach Halt, "ständig bemüht, sich abzusichern und zu sparen, mehr zu arbeiten oder günstiger einzukaufen. Ihr Fokus liegt darauf, von einer 'rettenden Scholle' zur nächsten zu gelangen".

Die Trotzig-Wütenden erklären sich von selbst. Die Relativierer und Enthobenen sind solche, die sich überlegen fühlen, auch den Krisen gegenüber. Sie sind finanziell gut abgesichert und reisen und konsumieren demonstrativ wie zu alten Zeiten ("Meine Heizung bleibt an, ich will es muckelig warm haben!").

Die Zupacker werden als unerschütterlich beschrieben, aktiv und pragmatisch. Ihnen wird der Satz zugeordnet, dass Krisen auch eine Chance sind. Und die Umstülper richten ihr Leben neu aus, wechseln etwa Beruf oder Ausbildung.

Man kann dies als Aufgliederung für Wahlkämpfer verstehen. Es braucht nicht viel Fantasie, um hier Potenziale für Parteien zu erkennen, die sich an diejenigen adressieren, die sich überlastet und ausgeliefert fühlen.

Der "sichere Hafen in Zeiten der Umbrüche"

Die Studie selbst macht dazu keine präzisen, sondern allgemeine Angaben: Politik soll für Stabilität sorgen. Interessant wird es da, wo es um Wirtschaft geht: Sie wird als "sicherer Hafen in Zeiten der Umbrüche" dargestellt.

Trotz aller Krisen läuft die Wirtschaft weiter und wirkt widerstandsfähig, was sie zu einem Vorbild für den Umgang mit Krisen macht. (…)

Es wird wahrgenommen, dass die Unternehmen stets nach Lösungen suchen und diese auch finden, wie zum Beispiel bei der Bewältigung der Covid-Krise durch die Entwicklung von Impfstoffen oder den Aufbau von neuen Lieferketten.

Gleichzeitig besteht jedoch auch die Sorge, dass die Wirtschaft beispielsweise durch staatliche Überregulierung oder den Fachkräftemangel abgewürgt wird. Sollte die Transformation nicht gelingen, droht Deutschland weiter ins globale Abseits zu geraten.

Von 95 Prozent der Befragten wird es daher als wichtig erachtet, den Wirtschaftsstandort Deutschland zu schützen und zu stärken, während 91 Prozent betonen, dass die heutigen Arbeitsplätze geschützt werden müssen.

Rheingold-Studie

Am Ende gelangt man zum Resultat, dass die Hoffnung noch viel stärker als noch 2020 auf die Chemie- und Pharmaindustrie als eine Art "Schutzmacht" gerichtet sind (siehe Kapitel 3 der Studie).

So führt man vor, wie die Orientierung auf Ängste und Sorgen in einer Zeit der Krisen am plakativsten funktioniert: Man erklärt sich zur Schutzmacht, die dazu vom Staat größte Freiheiten gegenüber Regulierungen braucht, die ihren Interessen entgegenstehen.