Deutschland, Frankreich, Italien: AstraZeneca-Impfung ausgesetzt

Corona: Spahn spricht von einer Entscheidung aufgrund der Empfehlung des Paul-Ehrlich-Instituts wegen Fällen von Thrombosen der Hirnvenen.

Die Corona-Impfkampagne in Deutschland hat einen neuen Rückschlag. Etwa 1,4 Millionen Dosen des Impfstoffes AstraZeneca bleiben erstmal im Kühlschrank: Die Bundesregierung hat heute die Impfungen, sowohl Erst- wie Folgeimpfungen, mit dem Vektorimpfstoff des britisch-schwedischen Pharmakonzerns aufgrund einer Empfehlung des Paul-Ehrlich-Instituts "vorsorglich" ausgesetzt.

"Wir setzen aus, um zu überprüfen. Das Ergebnis der Überprüfung ist offen", erklärte Gesundheitsminister Jens Spahn heute Nachmittag die "Vorsichtsmaßnahme":

"Hintergrund sind neu gemeldete Fälle von Thrombosen der Hirnvenen, die im zeitlichen Zusammenhang mit einer AstraZeneca-Impfung stehen."

Bei der anschließenden Beantwortung der Fragen von Journalisten präzisierte Spahn, dass es um sieben berichtete Fälle gehe, "die im Zusammenhang mit einer solchen Hirnvenenthrombose stehen können oder auch stehen". Das sind nicht viele angesichts von mittlerweile 1,6 Millionen verabreichten Impfungen mit dem AstraZeneca-Impfstopf, aber die Nachricht der sieben Fälle hat ganz offensichtlich einen Alarm ausgelöst.

Denn die entscheidenden Beratungen der Vertreter des Paul-Ehrlich-Instituts fanden heute Mittag statt, so Spahn in der Pressekonferenz. Die Entscheidung fiel dann für politische Maßstäbe sehr schnell. Auch wenn Spahn versuchte, mögliche Irritationen abzufangen, indem er auf die Seltenheit der Fälle verwies, so machte er auch klar, dass das Risiko als groß genug eingeschätzt wurde, um die Impfungen mit AstraZeneca auszusetzen.

"Es geht um ein sehr geringes Risiko, aber falls es tatsächlich im Zusammenhang mit der Impfung stehen sollte, um ein überdurchschnittliches Risiko. Das ist die Abwägung, um die es geht."

Das sei keine politische Entscheidung, sondern eine fachliche, betonte Spahn. Er folge den Empfehlungen des Paul-Ehrlich Instituts. Er sei davon überzeugt, dass für das Vertrauen in die Impfstoffe Transparenz das Wichtigste sei. Man müsse nun die Frage klären, ob die Nutzung der Impfung größer ist als mögliche Risiken. "Denn eines ist klar, auch Nicht-Impfen hat schwerwiegende gesundheitliche Folgen."

Das Paul-Ehrlich-Institut habe vor dem genannten Hintergrund die Lage neu bewertet und eine Aussetzung der Impfung sowie weitere Untersuchungen empfohlen. Jetzt kommt es auf die Entscheidung der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) an, um zu erfahren, ob und wie sich die neuen Erkenntnisse auf die Zulassung des Impfstoffes auswirken.

"Idealerweise" komme sie noch im Laufe dieser Woche zu ihrer Empfehlung, so Spahn.

Die Entscheidung zur Aussetzung ist keine wirkliche Überraschung - angesichts dessen, dass sich andere Länder, zuerst Dänemark, dann Norwegen, Island, Bulgarien, Irland, die Niederlande und - auf bestimmte Chargen begrenzt - auch Österreich, Estland, Lettland, Litauen, Luxemburg, Italien und Rumänien zu einem solchen Schritt entschlossen hatten und dazu auch Fälle von schweren Blutgerinnseln zur Begründung angegeben wurden.

Zugleich kam die Nachricht vom Stopp aber doch überraschend, da AstraZeneca ganz aktuell auf die dem Impfstoff zur Last gelegten Vorkommnisse eingegangen ist und dabei "kein erhöhtes Risiko" feststellte.

In der gesamten EU und in Großbritannien wurden laut dem Pharmakonzern bis zum 8. März 15 Fälle von tiefer Venenthrombose (DVT) und 22 Fälle von Lungenembolie bei Personen, die den Impfstoff erhalten haben, gemeldet. Die bisher gemeldeten Fälle seien nach Einschätzung "viel niedriger" als das, was in einer allgemeinen Bevölkerung dieser Größenordnung natürlicherweise zu erwarten wäre - und selbstverständlich stellt man auch heraus, dass die Größenordnung "ähnlich ist wie bei anderen zugelassenen Covid-19-Impfstoffen".

Eine sorgfältige Überprüfung aller verfügbaren Daten der mehr als 17 Millionen Menschen, die in der EU und Großbritannien mit dem Impfstoff geimpft wurden, habe "keinen Hinweis auf ein erhöhtes Risiko für Lungenembolie, TVT oder Thrombozytopenie in einer bestimmten Altersgruppe, einem bestimmten Geschlecht, einer bestimmten Charge oder in einem bestimmten Land" ergeben.

Zuletzt wurde herausgestrichen, dass die AstraZeneca-Impfung tatsächlich wirksamer sei, als man dies nach den Testergebnissen eingeschätzt hatte.

Schaut man in den bislang letzten Sicherheitsbericht des Paul-Ehrlich-Instituts zu Verdachtsfällen von Nebenwirkungen und Impfkomplikationen nach Impfung zum Schutz vor Covid-19 vom 4. März, so werden da zwar bis zum 26. Februar aus 363.645 Impfungen mit dem AstraZeneca-Impfstoff 2.765 "Verdachtsfälle" etwaiger Nebenwirkungen gemeldet, aber Thrombosen werden in diesem Zusammenhang nicht erwähnt.

Der Europäische Arzneimittelagentur (Ema) wurden bei bislang knapp fünf Millionen Geimpften rund 30 Fälle von Gerinnungsstörungen nach einer AstraZeneca-Impfung gemeldet. "Die Zahl der thrombembolischen Vorfälle bei geimpften Menschen ist nicht höher als die Zahl in der Gesamtbevölkerung", so die Einschätzung der Ema.

Auch Frankreich und Italien setzen die AstraZeneca-Impfungen vorerst aus.